Heidelberg

Das Ankunftszentrum erhitzt die Gemüter (plus Video)

Großes Interesse an Infoveranstaltung - Ein Grundkonsens und ganz viele Streitpunkte

20.03.2021 UPDATE: 22.03.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden
Vom Rathaus ins Internet: Nur einige der Protagonisten der Veranstaltung saßen gemeinsam im Sitzungssaal, der Rest wurde ebenso zugeschaltet wie die Zuschauer. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Seit zweieinhalb Jahren streitet Heidelberg darüber, ob das Gewann Wolfsgärten bei Wieblingen als Standort für das Landesankunftszentrum (AZ) für Geflüchtete geeignet ist. Am 11. April soll mit dem Bürgerentscheid die endgültige Entscheidung gefällt werden. In einer digitalen Infoveranstaltung machten am Freitag Stadt und Land als Befürworter der Verlagerung und die Bürgerinitiative (BI) als Gegnerin ihre Positionen deutlich. Die RNZ gibt die wichtigsten Punkte der Debatte wieder:

> Das Format: Vor dem Betriebshof-Bürgerentscheid 2019 kamen 400 Menschen in die Halle 02 – coronabedingt ist in diesem Jahr jedoch nur eine digitale Veranstaltung möglich. Und so saßen zwar die Hauptakteure – Baubürgermeister Jürgen Odszuck für die Stadt und die Vertrauenspersonen der BI Dorothee Hildebrandt und Sigrid Zweygart-Pérez – neben Moderatorin Antje Grobe und mehreren Expertinnen und Experten im Rathaus. Die Vertreter des Innenministeriums, Amtschef Andreas Schütze und AZ-Leiter Markus Rothfuß, waren dagegen aus Stuttgart zugeschaltet. Und auch die Zuschauerinnen und Zuschauer konnten sich die Veranstaltung nur via Zoom ansehen. Dort konnten sie zwar Fragen stellen, aber nicht etwa Beifall oder Unmut bekunden. Dem Interesse tat das keinen Abbruch: In der Spitze hatten sich über 300 Menschen zugeschaltet.

> Die Atmosphäre: Meist standen sich in der Diskussion zwei Paare gegenüber: Flüchtlingsseelsorgerin Zweygart-Pérez und AZ-Leiter Rothfuß kennen sich seit Jahren und arbeiten in Patrick-Henry-Village (PHV) gut zusammen. Entsprechend respektvoll war der Ton zwischen den beiden, wenn es um den Betrieb der Einrichtung ging. Bürgermeister Odszuck und Vertrauensperson Hildebrandt widmeten sich dagegen Fragen zur Qualität des Standortes und zur Stadtentwicklung – und gerieten zum Teil heftig aneinander. "Ich darf Sie bitten, das Temperament etwas zu zügeln", appellierte Moderatorin Grobe nach rund einer Stunde an die beiden. Sie hatten sich Unredlichkeit vorgeworfen.

> Die gemeinsame Grundlage: Bei allem Streit machten beide Seiten früh klar, dass es nicht um die Frage geht, ob Heidelberg das AZ weiter beherbergen möchte, sondern wo. Denn als einzige Stadt hat Heidelberg dem Land überhaupt einen möglichen Standort dafür angeboten. "Wir sind ein solidarischer Partner des Landes und wollen das auch bleiben", betonte Odszuck. Und auch Zweygart-Pérez erklärte: "Der Bürgerentscheid richtet sich nicht gegen die Einrichtung, sondern gegen den Standort."

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> Das Thema: Fast zwei Stunden lang wurde im Plenum diskutiert. Danach sagte Moderatorin Grobe: "Ich möchte Sie erinnern, dass es beim Bürgerentscheid eigentlich um die Frage geht, ob das Ankunftszentrum auf die Wolfsgärten verlagert werden soll." Denn tatsächlich drehte sich der Großteil der Debatte um PHV – aus zwei Gründen: Das AZ belegt dort aktuell fast ein Drittel der Fläche, die Stadt möchte dort aber bald mit der Entwicklung eines neuen Stadtteils beginnen. Das Land will dem auch nicht im Wege stehen und das AZ verlagern. "Wir halten unser Wort", sagte Amtschef Schütze: "Aber ohne Alternative können wir nicht umziehen."

Geht es nach der BI, soll das AZ jedoch innerhalb von PHV verlegt und auf einer kleineren Fläche neu gebaut werden. "Gerade weil dort ein neuer Stadtteil entsteht, wäre das ein spannendes Projekt", so Hildebrandt. Dann müsste man nicht eine Flüchtlingsunterkunft in ein bestehendes Quartier integrieren, sondern beides könnte sich gemeinsam entwickeln. Weil der Masterplan für PHV bisher keinen Platz für ein AZ vorsieht, fordert sie Änderungen: "Wenn man das Verhältnis von Wohnen und Arbeiten anpasst und die Wohnflächen verringert, kann man gleichzeitig ausreichend bezahlbaren Wohnraum schaffen."

Für Odszuck wäre das jedoch eine "Katastrophe": "Der Masterplan sieht ein fein austariertes System für alle Lebensbereiche vor", erklärte er. Um 10.000 Einwohner unterzubringen, müsse man ohnehin mindestens so dicht bauen wie in der Bahnstadt. 2000 Menschen zusätzlich in einem eingezäunten Bereich – das sei nicht möglich: "PHV ist keine Alternative", betonte er. Zumal die Vorschläge, dafür die alten Gebäude der US-Armee zu nutzen, ins Leere gingen: "Die werden aktuell genutzt – und damit braucht das AZ eine Fläche von 30 Hektar", so der Bürgermeister. Wenn das auf Dauer so bleibe, sei das eine "riesige Flächenschweinerei".

> Das eigentliche Thema: Tatsächlich ging es aber auch um die Wolfsgärten, über die ja auch abgestimmt wird. Die BI machte nochmal klar, dass sie den Standort aus mehreren Gründen ablehnt: "Das ist kein Platz zum Wohnen – für niemanden", sagte Cornelia Wiethaler, Sprecherin des Naturschutzbundes, die das Bündnis als Expertin unterstützte. Außerdem dürfe man den guten Ackerboden dort nicht zerstören. Die Gegenseite betonte dagegen, dass man dort durchaus ein angemessenes AZ realisieren könne: "Die Wolfsgärten sind ein sehr guter, ein sehr geeigneter Standort", sagte Schütze. Odszuck betonte zudem, dass die Stadt die ökologischen Bedenken ernst nehme, ressourcenschonendes Bauen forciere und nicht die gesamte Fläche versiegeln werde. Auch die Anbindung mit einem ausgebauten Fußweg sei kein Problem.

> Das Fazit: Das AZ soll in Heidelberg bleiben, es soll weiter vorbildlich betrieben und durch einen Neubau baulich klar verbessert werden – soweit die Einigkeit. Die Stadt sieht jedoch die Wolfsgärten als einzige Option dafür: "Wird das abgelehnt, müssen wir dem Land sagen: Wir haben leider keine Fläche", so Odszuck. Die BI bezweifelt dagegen, dass Stadt und Land dort ein angemessenes Zentrum bauen können: "Das Land will 100 Millionen Euro in den Neubau investieren. Was glauben Sie, was nach der Zuwegung, der Feuerwehrzufahrt, den Leitungen und dem Lärmschutz noch übrig bleibt?", fragte Hildebrandt.

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