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Damit alle Kinder die Chance haben, an der Gesellschaft teilzunehmen

Das Psychologische Zentrum des Awo-Kreisverbandes Heidelberg hat eine neue ärztliche Leiterin.

04.11.2022 UPDATE: 04.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Silke Schatanek de Rendón (Mitte) ist ärztliche Leiterin am Psychologischen Zentrum für Diagnostik und Förderung von Schulleistungen des Awo-Kreisverbandes Heidelberg. Unser Foto zeigt sie mit Geschäftsführerin Stefanie Burke-Hähner (l.) und Heike Rolli, psychologische Leiterin des Zentrums. Foto: Hentschel

Von Marion Gottlob

Heidelberg. Für Silke Schatanek de Rendón ist es wie eine Heimkehr: Sie ist in der Nähe von Heidelberg groß geworden, hat hier Medizin studiert, an der Universitätsaugenklinik promoviert und ihre Facharztausbildung zur Augenärztin absolviert. Dann hat sie fast 20 Jahre in Mexiko gelebt, kehrte nun nach Heidelberg zurück und ist seit Kurzem die neue ärztliche Leiterin am Psychologischen Zentrum für Diagnostik & Förderung von Schulleistungen des Awo-Kreisverbandes Heidelberg.

Im Duo mit Heike Rolli, psychologische Leiterin des Zentrums, kümmert sie sich mit dem Awo-Team um Kinder mit Lese-, Rechen- und Rechtschreibstörungen. Die beiden sind sich einig: "Wenn Kinder Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben oder Rechnen haben, ist oft die ganze Familie von der Problematik betroffen. Jetzt erst werden die Folgen der Corona-Krise für die betroffenen Kinder sichtbar."

Typische Alarmzeichen: Kinder vertauschen regelmäßig die Buchstaben, machen trotz Übens immer neue Fehler und zeigen keine Fortschritte. Beim Rechnen kommt es zu Zahlendrehern, die Kinder entwickeln kein Verständnis für Mengen.

Oft verbringen diese Kinder viele Stunden mit den Hausaufgaben, können sich nicht konzentrieren, entwickeln Bauch- und Kopfschmerzen und reagieren aggressiv und sogar mit Gedanken an Selbstmord. Stefanie Burke-Hähner, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes Heidelberg, erklärt: "In der Corona-Krise wurden solche Probleme oft übersehen und verschleppt."

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So erging es einer Familie, die einige Jahre im Ausland lebte und nach Deutschland zurückkehrte, als der sechs Jahre alte Sohn eingeschult werden sollte. Doch in der Corona-Krise verbrachte das Kind erst einmal viel Zeit zu Hause. Eltern und Kind waren mit der Situation und dem Online-Unterricht überfordert.

Rasch erlebte der Junge einen Misserfolg nach dem anderen und wurde so aggressiv, dass die Eltern in ihrer Hilflosigkeit gewalttätig wurden. In der Schule wurde er zum Störenfried. Die Lehrer verwiesen die Familie an das Zentrum. Hier wurde eine Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung bei dem Jungen festgestellt. In der Therapie übte eine Therapeutin mit dem Kind individuell das Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch die Befolgung von Regeln. Mit den Eltern wurde besprochen, wie sie einen gewaltfreien Alltag gestalten können.

Schatanek de Rendón absolvierte schon während der Schulzeit eine Ausbildung zur Schwesternhelferin und machte Praktika in Krankenhäusern. Nach der Heirat und der Geburt von zwei Kindern ging sie mit ihrem damaligen Mann nach Mexiko. Dort unterrichtete sie unter anderem Deutsch. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland absolvierte sie ihre zweite Facharztausbildung zur Kinder- und Jugendpsychiaterin in Bayern und am Zentrum für Psychische Gesundheit in Bruchsal.

Außerdem machte sie am Heidelberger Helm-Stierlin-Institut eine systemische Ausbildung. Zu ihren neuen Aufgaben bei der Awo gehört die Diagnostik der Kinder anhand von IQ- und Leistungstests. Sie beruhigt: "Den meisten Kindern machen sie Spaß." Viele Eltern sind nach den Tests und der Beratung erleichtert.

Die Fachleute wissen, dass die meisten Eltern aus Hilflosigkeit oder Überforderung unangemessen reagieren. Schatanek de Rendón betont: "Uns ist wichtig, dass die Kinder ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen. Wir achten darauf, dass Kinder ihre Stärken entdecken, auch wenn diese Stärken vielleicht in der Schule weder gesehen noch bewertet werden."

So müssen die Fachleute manchmal Eltern klarmachen, dass ihr Kind mit dem Besuch des Gymnasiums überfordert ist. Burke-Hähner: "Für manche Eltern ist es eine Schande, wenn das Kind kein Abitur macht – aber vielleicht wird das Kind ein guter Feuerwehrmann, der in der Not Menschen das Leben rettet."

Das Zentrum wurde 1974 gegründet. Heike Rolli ist seit rund 30 Jahren dabei. Sie hat in Heidelberg Psychologie studiert und sagt: "Die Hilfe für Kinder ergibt immer Sinn." Im Moment ist die Nachfrage allerdings so hoch, dass es Wartezeiten von mehreren Monaten gibt. Burke-Hähner sagt: "Doch wir wollen, dass alle Kinder die Chance haben, an der Gesellschaft teilzuhaben. Dafür sind Lesen, Schreiben und Rechnen entscheidend und wichtig."

Infos zu dem Psychologischen Zentrum gibt es unter Telefon 06221/7392124 oder unter www.pzs-heidelberg.de.

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