"Bezahlbares Wohnen" in Heidelberg: Im Land der Dichter und Dämmer

Ausstellung in der Chapel des Mark Twain Village - Zur Eröffnung wurde über Urbanität geredet

15.06.2016 UPDATE: 16.06.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Die Ausstellung "Bezahlbares Wohnen" in der Chapel des Mark Twain Village ist noch bis 25. Juni zu sehen. Fotos: Joe

Von Arndt Krödel

Erschwinglichen Wohnraum zu schaffen, rückt mit der Entwicklung stetig ansteigender Mieten in den Ballungszentren immer mehr in den Brennpunkt moderner Stadtplanung. Was diese hier leisten kann, ist zurzeit in der Ausstellung "Bezahlbares Wohnen" in der Chapel des Mark Twain Village in der Heidelberger Südstadt zu besichtigen: Ausgeliehen vom AIT Architektursalon Hamburg ist sie die erste große Architekturausstellung des Vereins "formAD", der sich als Interessenvertretung der Kreativwirtschaft in Heidelberg und der Metropolregion Rhein-Neckar versteht und sich zur Aufgabe gemacht hat, Architektur und Design zu fördern und zu vermitteln. Gezeigt werden internationale Beispiele konzeptioneller Wohnungsbauten, wobei sich der Bogen von europäischen Ländern wie Dänemark, Niederlande oder Deutschland über China bis nach Japan spannt.

Anlässlich der Eröffnung wurde zum vierten "Heidelberger Stadtgespräch - Reden über Urbanität, die Stadt als Ganzes denken" eingeladen, bei dem es diesmal um das Thema "Bewohnen" ging - was eben mehr als nur Wohnen ist. Wie gebrauchen oder bewohnen wir unsere Stadt, unser Quartier und unsere Häuser? Und wie wollen wir das in Zukunft tun? Es ist "höchste Zeit, neue Wohnungsangebote zu erfinden und das Wohnungsthema wieder zusammen mit Stadt, Quartier und Nachbarschaft zu denken", wie Thorsten Erl vom formAD-Beirat in seiner Einführung sagte. In der Südstadt, findet der Architekt, wurde schon ein ganz guter Anfang gemacht. Mit der Ausstellung komme man mit dem Thema zur richtigen Zeit an den richtigen Ort.

Grundsätzliche Gedanken zum Wohnungsbau in der Stadt stellte Robert Kaltenbrunner, Abteilungsleiter im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), in seinem Vortrag "Urbanes Wohnen - weiter wie gewohnt?" vor. In seiner Sicht hat sich das Wohnen eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Architektur und deren in Entwürfen gezeigten Kreativität und Intensität bewahrt. Seine pointierte These: "Mit Sicherheit hat Ikea das zeitgenössische Wohnen stärker beeinflusst als die Werke und Konzepte irgendeines Baumeisters". Heutiges Wohnen sei, überspitzt formuliert, "altes Gehäuse plus Ikea".

Von entscheidender Bedeutung sei der Quartiersgedanke. Wie Kaltenbrunner erläuterte, müsse das Quartier als ein Zwischenglied von Wohnung und Stadt begriffen und gestärkt werden. Denn: "Im Alltag sind Stadtteil und Kiez die wohl wichtigste Ebene, um das urbane Miteinander zu organisieren". Allerdings sei urbanes Wohnen "eine ganz komplizierte Angelegenheit mit vielen Wechselwirkungen". Es gebe hier nicht nur eine Sichtweise und nicht nur eine richtige Entwicklung: "Nicht alles, was möglich ist, ist auch realistisch, nicht alles, was man wahrnimmt, ist unhinterfragbar, und nicht alles, was machbar ist, ist auch wünschenswert." Im Podiumsgespräch benannte der Heidelberger Sozialunternehmer Nicolas Albrecht-Bindseil die Metapher vom "Dorf in der Stadt" als Leitbild funktionierender Quartiersentwicklung im urbanen Raum: "Stadtquartiere müssen einen Raum darstellen, der ganz unterschiedlichen Lebensbedürfnissen entspricht." Michael Braum, Leiter der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Heidelberg, will nicht den Architekten die Schuld daran geben, "dass unsere Siedlungen und Wohnungen so aussehen, wie sie aussehen". Er kritisierte vielmehr die "Effizienz-Hysteriker" und sprach im Zusammenhang mit der Verschärfung des energiesparenden Bauens vom "Land der Dichter und Dämmer".

Bevor am Ende der sehr langen und verbal etwas überfrachteten Veranstaltung das Publikum selbst mit einigen wenigen Fragen zu Wort kam, stellte die Stuttgarter Architekturkritikerin Ursula Baus einige Ideen zum Wohnen in Heidelberg vor. Die Stadt, so findet sie, verträgt durchaus Experimente. Technisch sei heute eigentlich alles machbar. Das Problem: Vorschriften, Gesetze und Verantwortlichkeiten sowie zu wenig Freiraum und Zeit für die geistige Arbeit und für die Fantasie.

Info: "Affordable Living | Bezahlbares Wohnen" - Ausstellung in der Chapel des Mark Twain Village, Südstadt, Römerstr./Rheinstr. Di - Do 14 bis 18 Uhr, Fr - So 17 bis 20 Uhr, Mo geschlossen. Finissage am 25. Juni, 19 Uhr, mit einer Führung der Kuratoren und einem Gespräch über die Zukunft bezahlbarer Wohnarchitektur.

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