Neckarwiesen-Gänse werden in Heidelberg nicht gejagt
Heidelberger Jäger halten es für unmöglich, Gänse auf der Neckarwiese zu schießen - In Darmstadt wurde eine Sondergenehmigung erteilt

Die Populationen steigen und steigen: Auf der Neckarwiese finden es längst nicht mehr nur Nilgänse, sondern auch Höcker- und Kanadagänse schön. Für Unmut sorgen insbesondere deren Hinterlassenschaften. Foto: Philipp Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. Die ersten Jungen sind schon geschlüpft. Und mit ihnen kommen auch wieder die Probleme: Zahlreiche Leserbriefschreiber echauffierten sich in den letzten Wochen über Hunderte Gänse - ob Kanada-, Nil-, Schwanen- oder Höckergans - auf dem Neckarvorland. Eines der Hauptprobleme: die Hinterlassenschaften der Tiere auf der Wiese. Ein Heidelberger berichtete, es sei beim Spaziergang auf der Wiese "kaum möglich, einen geraden Schritt zu tun, weil nahezu jeden Meter ein Kothaufen der Gänse liegt".
Was die RNZ-Leser dabei besonders aufregt: die vermeintliche Untätigkeit der Stadt. "Ich frage mich, ob die Stadt dem Problem nicht mehr gewachsen ist", schrieb einer. Und ein anderer: "Seit Jahrzehnten (!) ist das Problem bekannt, seit Jahrzehnten wird es von der Bevölkerung immer wieder angesprochen, seit Jahrzehnten tut die Stadtverwaltung nichts dagegen." In Darmstadt dagegen sei man längst aktiv geworden - und jage die Gänse in betroffenen Gebieten.
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Tatsächlich kämpft auch Darmstadt mit einer großen Population hauptsächlich an Nil- und Kanadagänsen - und tatsächlich greifen die Jäger dort zu den Waffen. Genauer: Die Stadt Darmstadt beschäftigt einen Berufsjäger, der der einzige ist, der die Tiere an den beiden innerstädtischen Naturbadeseen "Großer Woog" und "Arheilger Mühlchen" schießen darf. "Und wir haben damit gute Erfahrungen gemacht", sagt Daniel Klose, stellvertretender Pressesprecher der Stadt. Zahlen könne er zwar nicht nennen, dennoch sei die Jagd als Erfolg zu verbuchen.
Warum nicht also auch in Heidelberg die Jäger auf die Neckarwiese schicken? "Das können Sie vergessen", sagt der Heidelberger Kreisjägermeister Heinz Kaltschmidt. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass das Schießen im innerstädtischen Bereich verboten ist. "Das ist ein sogenannter befriedeter Bezirk", erklärt Kaltschmidt. Geregelt ist das in Paragraf 6 des Bundesjagdgesetzes.
Aber: In eben jenem Paragrafen ist auch schon festgeschrieben, dass eine beschränkte Jagdausübung auch auf befriedeten Bezirken unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werden kann. Wie genau, steht dann wiederum im jeweiligen Landesjagdgesetz. In Darmstadt hat man davon Gebrauch gemacht. "Das Sportamt als Nutzungsberechtigter dieser Flächen stellte bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag auf Vergrämung mit jagdlichen Mitteln - also eine Bejagung der Gänse - und begründete dies vornehmlich mit der Erfüllung hygienerechtlicher Vorgaben", heißt es auf RNZ-Anfrage aus dem Darmstädter Rathaus. Zumal diverse Maßnahmen zur Vergrämung zuvor nicht die gewünschten Effekte erbracht hatten.
Natürlich hielte man sich in Darmstadt bei alldem auch an die jagdlichen Auflagen. Dazu zählt unter anderem die Jagdzeit. Diese dauert für Nil- und Kanadagänse vom 1. September bis zum 15. Januar. Überhaupt dürfe man laut Jagdrecht neben Graugänsen nur die Kanada- und Nilgänse jagen - die Schwanengans, deren Population auch an der Neckarwiese stetig zunimmt, ist ausgenommen.
Doch selbst wenn die Stadt ebenfalls eine solche Sondergenehmigung erwirken würde: "Ich würde nicht schießen", so Kaltschmidt. Schließlich wäre das Umfeld auch während einer groß angelegten Aktion immer gefährdet. Denn im Gegensatz zu den Darmstädter Badeseen wird die Neckarwiese nicht durch einen Zaun begrenzt. Zudem sei bei einer Jagdaktion mit erheblichen Protesten zu rechnen.
Das sieht auch Jäger Heiner Stocker so, dessen Jagdgebiet vom Handschuhsheimer Feld bis zur Ernst-Walz-Brücke reicht. "Gänse werden im tiefen Flug mit Schrot geschossen", erklärt er, "und das ist nach 300 bis 400 Metern immer noch gefährlich." Trotzdem: Auch in Heidelberg werden Nil- und Kanadagänse gejagt. Im vergangenen Jahr erklärte Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamtes, in der RNZ, die Jäger seien aufgefordert worden, in ihren Revieren gezielt Gänse zu schießen. Kaltschmidt hat so in der letzten Saison circa 30 Kanada- und Nilgänse erlegt. Auch Stocker konnte in seinem Jagdgebiet gut sechs Tiere schießen. Die jungen seien dabei durchaus auch genießbar, "bei den alten wird die Gabel krumm, bevor Sie ins Fleisch stechen", lacht Kaltschmidt.
Keine städtischen Gänse kommen dagegen in Frankfurt auf den Tisch. Denn dort geht man das Problem waffenfrei an. Mit einer Sichtschutzhecke am Weiher des Ostparks sollen dort künftig Gänse weitgehend von der Spiel- und Liegewiese vertrieben und auf andere Bereiche des Parks gelenkt werden.