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Protest gegen Polizeigewalt löst Polizeieinsatz aus (plus Fotogalerie)

Zu tumultartigen Szenen kam es bei einer Podiumsdiskussion im Friedrich-Ebert-Haus. Polizeibeamte setzten dabei Pfefferspray ein.

28.04.2023 UPDATE: 28.04.2023 20:00 Uhr 3 Minuten, 56 Sekunden
Foto: Rothe

Von Ludwig Spitaler

Heidelberg. In der Pfaffengasse und der Unteren Straße kam es am Donnerstagabend nach einer Diskussionsrunde zum Thema "Wer schützt die Demokratie? Wer schützt die Polizei?" zu tumultartigen Szenen.

Bereits nach wenigen Minuten der Diskussion, zu der Professor Bernd Braun, Geschäftsführer der Stiftung "Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte" eingeladen hatte, regte sich im Publikum lautstarker Protest. Die Veranstaltung sei eine Farce, man habe keine gegenüber der Polizei kritische Stimme zur Podiumsdiskussion eingeladen, monierte ein junger Mann.

Zu der Veranstaltung im ersten Stock des Stiftungsgebäudes waren die Heidelberger Sozialbürgermeisterin Stefanie Jansen (SPD) und Polizeioberrat Peter Oechsler, Leiter des Innenstadtreviers Mannheim, zu Gast, um mit Geschäftsführer Braun unter anderem das demokratische Selbstverständnis der Polizei und das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden zu analysieren.

Nach dem ersten Zwischenruf begannen rund zehn Personen, die sich im Publikum verteilt hatten, im Wechsel kurze Protestreden zu verlesen. Ein besonderes Augenmerk legten die Aktivisten dabei auf den Tod eines psychisch kranken Mannes während seiner Festnahme auf dem Mannheimer Marktplatz am 2. Mai 2022, an der auch Beamte der Mannheimer Polizeiwache H4 beteiligt waren.

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Seit Dezember müssen sich infolge des teilweise in Videos dokumentierten Vorgangs zwei Beamte wegen "Körperverletzung im Amt mit Todesfolge" vor Gericht verantworten.

Weiterhin attestierten die Aktivisten der Polizei ein strukturelles Problem mit Rechtsradikalen in den eigenen Reihen und bezeichneten die Behörde als "Sammelbecken für Menschen mit Gewaltneigung."

Während Polizeioberrat Oechsler bemüht war, die Kritik der jungen Leute anzuhören, versuchten einige Anwesende, die Protestaktion ihrerseits zu unterbinden und den Beteiligten ihre Redezettel zu entreißen.

Der Aufforderung durch Geschäftsführer Braun, die Veranstaltung zu verlassen, kam die Gruppe zunächst nicht nach. Stattdessen forderten die Protestierenden eine Schweigeminute für die Opfer von Polizeigewalt.

Im Anschluss erklärte ein Beteiligter die Veranstaltung für "aufgelöst", woraufhin sich eine etwa 30-köpfige Personengruppe von ihren Plätzen erhob und mit lauten Sprechchören das Gebäude verließ. Nach Aussage eines Beteiligten sei die Gruppe lose organisiert und ordne sich keiner bekannten Organisation zu.

Nur wenige Minuten danach war die Polizei mit fünf Streifenwagen und mehr als einem Dutzend Beamten vor Ort und riegelte gar einen Abschnitt der Unteren Straße an der Ecke zur Pfaffengasse ab.

Von mehreren Personen habe man die Personalien aufgenommen, so ein Sprecher der Polizei Mannheim. Wegen Widerstands gegen diese Maßnahme sei gegen eine Person Pfefferspray eingesetzt worden. Der Mann wurde dabei leicht verletzt. Die Polizei habe Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch eingeleitet.

Die Podiumsdiskussion konnte im Anschluss an den Protest zwar fortgesetzt werden, doch die Gemüter der verbliebenen rund 25 Besucher schienen erhitzt. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen aus dem Publikum, dabei war die offene Diskussionsrunde erst für das Ende der Veranstaltung angesetzt worden.

Die Anwesenden nahmen die Veranstaltung unter anderem zum Anlass, Themen wie die Folgen der vermehrten Zuwanderung in den Jahren 2015 und 2016, den Rechtsruck durch die Wahlerfolge der AfD, die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden im Zuge von "Stuttgart 21" oder die aktuellen Klima-Proteste junger Menschen, die sich auf die Straße kleben, zu diskutieren.

Einigkeit unter den Anwesenden, so schien es, herrschte in der Verurteilung der vorangehenden Protestaktion. "Die Rolle der Polizei in der Demokratie ist offenkundig ein hochemotionales Thema", so der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung, Florian Greiner, im Nachgang.

Man bedaure allerdings die fehlende Bereitschaft der Protestgruppe, in den Dialog zu treten, anstatt die Veranstaltung durch Störaktionen zu "sprengen".

Polizeioberrat Oechsler prangerte im Zuge der Diskussion noch die Anfeindungen gegen die Polizei an. Viele Unwahrheiten seien kurz nach dem Vorfall in Mannheim vor einem Jahr verbreitet worden, sagte er: "Eine Diskussion in den sozialen Medien ist zwar ein hochgradig demokratischer Vorgang, aber wenn es darum geht, Beamte in den Dreck zu ziehen, ist das nicht mehr in Ordnung."

Stiftungsvorsitzender Braun nannte im Zuge dessen die Gründung einer Chatgruppe mit dem Titel "Cop Hunter", in welcher ein Mann zur "Jagd auf Polizisten" aufgerufen habe.

Einen Schutz, wie der Titel der Veranstaltung suggerierte, benötige man als Polizei jedoch nicht, so Oechsler weiter. "Unsere Aufgabe ist gesetzlich klar geregelt." Man sei nicht fehlerfrei, aber man schaue sehr genau hin, wer sich bei der Polizei bewerbe. "Wir sieben rigoros aus, sobald es mit dem Dienst unvereinbare Auffälligkeiten gibt."


Harmlos oder überzogen?

Unterschiedliche Sichtweisen auf den Einsatz beim Ebert-Haus.

Heidelberg. (hob) Die Protestaktion und der Polizeieinsatz rund um eine Podiumsdiskussion im Ebert-Haus erhitzen die Gemüter. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) spricht von Polizeigewalt, RNZ-Fotograf Philipp Rothe von einem "unverhältnismäßigen Einsatz, den ich so in 30 Jahren noch nicht erlebt habe". Der Leiter des Polizeireviers Mitte, Uwe Schrötel, hingegen betont, seine Kollegen wollten nur das Hausrecht des Veranstalters durchsetzen.

"Es war ein harmloser Protest", meint Philipp Rothe, der bei der Diskussion für die RNZ fotografierte. Die meisten Aktivisten waren demnach Anfang 20 und hätten Texte vorgelesen, in denen es um Opfer von Polizeigewalt ging. Irgendwann seien sie aufgestanden und gegangen.

Die jungen Leute haben in Rothes Augen "absolut keinen gewaltbereiten Eindruck". Umso mehr wunderte er sich über den Polizeieinsatz vor der Tür. "Eine Polizistin brüllte mich an, ich solle verschwinden, ich befände mich in einer polizeilichen Absperrung."

Ein anderer Beamte habe ihn, obwohl er sich als Pressevertreter zu erkennen gab, nicht durch die Untere Straße Richtung Uniplatz gelassen – und ihn so an seiner Arbeit gehindert. "Das Vorgehen war aggressiv und eskalierend." Zwei Passanten berichteten ihm, dass die Polizei Pfefferspray eingesetzt habe.

"Ich habe ein paar Kollegen angefordert, damit sie das Hausrecht der Ebert-Gedenkstätte durchsetzen", berichtet Revierleiter Uwe Schrötel, der selbst im Publikum saß. In seinen Augen wollten die Aktivisten, von denen viele Mund-Nase-Bedeckungen trugen, die Veranstaltung stören. Einladungen, sich nach den Vorträgen an der Diskussion zu beteiligen, schlugen sie demnach aus.

Als Bernd Braun, Geschäftsführer des Ebert-Haues, die Störer des Saales verweisen wollte, seien diese der Aufforderung nicht nachgekommen. "Nach 10 bis 20 Minuten sprang die Gruppe auf und verließ fluchtartig den Saal. Sie brüllten: ,Die Veranstaltung ist beendet. Antifa. Antifa. Antifa.’"

In der Pfaffengasse seien in diesem Moment drei Streifenwagen angekommen. Die Beamten wollten die Personalien der Tatverdächtigen feststellen, doch diese hätten sich widersetzt. Als einer der Störer auf seinen Kollegen zugerannt sei, habe dieser einen Angriff nicht ausschließen können und Pfefferspray eingesetzt.

Am Ende waren sieben Streifenwagen und zusätzliche Kräfte der Bereitschaftspolizei vor Ort.

Ort des Geschehens

Update: Freitag, 28. April 2023, 20 Uhr