Digitalisierung

Wie lief das Fernlernen während der Corona-Krise?

Einige Schüler liehen sich Geräte - "Es gab Engpässe an den Schulen" - Schul-IT-Team braucht mehr Personal

01.07.2020 UPDATE: 02.07.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden
Circa 2500 Tablets, Laptops und Co. will die Stadt mit den Mitteln aus dem Sofortausstattungsprogramm von Bund und Land anschaffen. Im Rahmen des Projekts hd#school@home werden diese dann an Schülerinnen und Schüler, die Bedarf haben, verliehen. Foto: Stadt

Von Anica Edinger

Heidelberg. Das Coronavirus legte im März den Schulbetrieb lahm und machte eines deutlich: Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden. Der Bund stellte deshalb in den vergangenen Wochen finanzielle Mittel in Millionenhöhe bereit.

Denn alle Schülerinnen und Schüler sollen auch beim Fernlernen gleiche Chancen haben. Wie in der Stadt das Lehren und Lernen inmitten der Pandemie läuft und was künftig geplant ist, erklären Stephan Brühl, Leiter des Amtes für Schule und Bildung, und Andre Arnold, Sachgebietsleiter Schul-IT beim Amt für Digitales der Stadt.

Hintergrund

> Der Digitalpakt Schule: Fünf Milliarden Euro sind für die Laufzeit von fünf Jahren (2019 bis 2023) im Digitalpakt Schule eingestellt. Bund und Länder wollen damit für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik sorgen. Erste Gelder (rund 1,6 Millionen

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> Der Digitalpakt Schule: Fünf Milliarden Euro sind für die Laufzeit von fünf Jahren (2019 bis 2023) im Digitalpakt Schule eingestellt. Bund und Länder wollen damit für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik sorgen. Erste Gelder (rund 1,6 Millionen Euro) davon sind jetzt in Heidelberg angekommen – und werden zunächst in den digitalen Ausbau des Helmholtz-Gymnasiums gesteckt.

> Das Sofortausstattungsprogramm: 500 Millionen Euro stecken im aufgrund der Corona-Krise erst kürzlich beschlossenen Sofortprogramm zur digitalen Ausstattung von Schulen. Für die öffentlichen Schulen kommen davon rund 1,4 Millionen Euro nach Heidelberg. Sobald der Gemeinderat zustimmt und die endgültige Zusage des Landes vorliegt, werden Geräte bestellt.

> Das Projekt hd#school@home: Über das ganz neu aufgelegte Projekt "hd#school@home" des Amtes für Digitales und Informationsverarbeitung sowie des Regionalen Bildungsbüros der Stadt wird es künftig weitere Unterstützung bei der der Ausstattung von Schulen geben. ani

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Die Stadt sprach in den vergangenen Jahren immer von der tollen Ausstattung der Schulen mit Endgeräten – also Laptops, Tablets und Co. Hat die Corona-Krise gezeigt, dass das trotz aller Anstrengungen doch nicht ausreicht?

Brühl: Ich bleibe bei meiner Aussage, dass Heidelberg in diesem Bereich im interkommunalen Vergleich schon sehr gut da steht. Wir haben vor Corona eine gute Basis geschaffen. Die Krise hat uns gezeigt, wo wir uns noch weiterentwickeln müssen.

Arnold: Wir haben rund 4600 mobile Endgeräte an den 35 öffentlichen Schulen für rund 17.000 Schüler – also 3,69 Schüler pro Gerät. Mit dem Sofortausstattungsprogramm von Bund und Land kommen nun noch einmal circa 2500 Endgeräte dazu – dann haben wir ein Gerät für zwei Schüler. Das ist schon eine Wahnsinnszahl. Bis Ende der Sommerferien sollen diese Geräte an den Schulen sein, sofern die endgültige Förderzusage des Landes in den nächsten Tagen bei uns vorliegt.

Ideal wäre ein Gerät pro Schüler.

Arnold: Klar: Je mehr, desto besser. Aber im Baden-Württemberg-Durchschnitt teilen sich fünf Schüler ein Gerät. Da sind wir schon jetzt viel besser. Diese Geräteschar muss auch betreut werden. Dafür braucht es zukunftsfähige Konzepte. Es darf nicht bei dieser Einmalzuweisung bleiben. Bund und Land müssen dauerhaft in die Digitalisierung an Schulen investieren – nicht nur in Geräte, auch in den Support.

Für die Betreuung der Geräte braucht es Personal. Wie sieht es da im Amt für Digitalisierung aus?

Arnold: Aktuell betreuen wir zu viert die Schul-IT.

Das ist wenig.

Brühl: Auf jeden Fall. Schon vor Corona war das Team der Schul-IT im Amt für Digitalisierung gut ausgelastet. Das nun ermöglichte deutliche Plus bei der Ausstattung mit Endgeräten muss sich auch in einer entsprechenden Personalausstattung widerspiegeln.

Sie waren während des Shutdowns in engem Kontakt mit den Schulen. Was waren dort die größten Probleme?

Brühl: Schulisches Lernen lebt von der Kommunikation, vom Austausch und Miteinanderreden – Corona hat da zu einem Bruch geführt. Die zentrale Bildungsplattform "Ella" des Landes scheiterte ja bedauerlicherweise vor zwei Jahren. Es gibt noch keinen tragfähigen Ersatz. Deshalb musste jede Schule ihren eigenen Weg der Kommunikation finden.

Arnold: Gerade während der Anfangsphase waren die Plattformen das größte Problem. Denn genauso eine Plattform wie "Ella" hätte man gebraucht – damit jeder am Fernlernen teilhaben kann.

Hat man in Heidelberg für die Schulen schnell eine Lösung gefunden?

Arnold: Wir haben das Glück, in einer Region zu leben, in der wir engagierte Mäzene haben. Die Hopp-Foundation hat hier die Videokonferenz-Plattform "Jitsi" kurzfristig finanziert, die toll funktioniert und die viele Schulen nutzen.

Bei vielen anderen Plattformen berichteten Lehrerinnen und Lehrer immer wieder von Verbindungsproblemen.

Arnold: Am Anfang, als der große Ansturm auf die Landes-Plattformen "Moodle" begonnen hat, reichten die Serverkapazitäten nicht aus. Das Land hat dann nachjustiert. Auch "Jitsi" hat die Hopp-Foundation dem steigenden Bedarf entsprechend hochskaliert.

Wie wurden Schülerinnen und Schüler versorgt, die keine entsprechenden Endgeräte zu Hause haben?

Brühl: Es gab diese Engpässe tatsächlich. Manche Schülerinnen und Schüler hatten keinen direkten Zugang zu mobilen Endgeräten, außer zu einem Smartphone. Wir haben dafür dann kurzfristig Leihverträge aufgesetzt, sodass nach meiner Einschätzung der Großteil letztlich versorgt war.

Arnold: Wir hatten 1450 Tablets zum Verleihen zur Verfügung. Das ist schon einmal eine gute Zahl.

Herr Arnold, im Jugendgemeinderat vergangene Woche haben Sie auch die Lehrerfortbildung im Bereich Digitalisierung angesprochen. Gibt es da Nachholbedarf?

Arnold: Während der Corona-Krise waren alle gezwungen, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen – das hat zu einem großen Know-how-Schub geführt. Das technische Verständnis ist natürlich bei manchen mehr, bei manchen weniger ausgereift.

Brühl: Corona hat das Land dabei in einer Phase der Umstrukturierung getroffen. Die Aus- und Fortbildung von Lehrpersonal wurde komplett neu organisiert mit dem neuen Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung. Natürlich dauert das eine Weile, bis das dann in der Fläche ankommt.

Dass es in diesem Bereich Nachholbedarf gibt, ist seit vielen Jahren bekannt. Hätte die Stadt nicht in Vorleistung für das Land gehen können?

Brühl: Gemeinsam mit dem Regionalen Bildungsbüro und der Hopp-Foundation haben wir das in Heidelberg bereits getan und für ganze Lehrergruppen Fortbildungen angeboten. Dabei sind anregende Netzwerke entstanden, bei denen man sich austauscht.

Bringt die Corona-Krise jetzt endlich den Durchbruch bei der Digitalisierung an Schulen?

Arnold: Schon was in den letzten Wochen in einem schnellen Tempo entstanden ist, ist bemerkenswert. Dass man so viele Schulen in so einer kurzen Zeit in diese Richtung bewegen kann, das hätten wir uns nie erträumt.

Brühl: Die Krise hat dem Thema so viel Aufmerksamkeit zuteil werden lassen – ich bin zuversichtlich, dass jetzt viele verstanden haben, welche Chancen die Digitalisierung bietet.

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