Gute Platzierung bringt "Verantwortung mit sich"
Beim "Global Health Ranking" schneidet die Uni Heidelberg am besten ab - Kein Grund zum Zurücklehnen, findet Mailin Waldecker

Mailin Waldecker.
Foto: privat
Von Denis Schnur
Heidelberg. Mal wieder ein Uni-Ranking und mal wieder steht Heidelberg ganz oben. Und doch unterscheidet sich die Rangliste bei "Global Health" (Globaler Gesundheit) von ihren Vorgängern: Hier zählen nicht Exzellenz in Forschung oder Lehre, sondern soziale Aspekte und ein globaler Blick (siehe "Hintergrund"). Was in Heidelberg gut läuft und was besser laufen sollte, erklärt Mailin Waldecker im Interview. Die 27-Jährige studiert Medizin und engagiert sich bei "Universities Allied for Essential Medicines" (UAEM) Heidelberg.
Hintergrund
Das Global Health Ranking soll anhand von drei Kriterien herausarbeiten, welchen Stellenwert Medizinfakultäten der globalen Gesundheit zugestehen: Es misst, ob die Fakultäten an armutsbasierten und vernachlässigten Krankheiten forschen (Forschung), ob sie den
Das Global Health Ranking soll anhand von drei Kriterien herausarbeiten, welchen Stellenwert Medizinfakultäten der globalen Gesundheit zugestehen: Es misst, ob die Fakultäten an armutsbasierten und vernachlässigten Krankheiten forschen (Forschung), ob sie den nationalen und weltweiten Wissenstransfer und eine sozial angemessene Verwertung ihrer Ergebnisse befördern (Zugang) und ob sie Studenten globale Gesundheitszusammenhänge nahebringen (Ausbildung). Dabei schnitt die medizinische Fakultät der Uni Heidelberg unter 36 überprüften Fakultäten mit der Note "B" am besten ab. Vor allem im Bereich "Ausbildung" ist Heidelberg besonders gut.
Die Hochschulgruppe UAEM (Universities Allied for Essential Medicines) hat das Ranking gemeinsam mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschland (BVMD) erstellt. Die Gruppe gründete sich 2001 an der Yale University (USA) aus Protest dagegen, dass ein HIV-Medikament, das an der Hochschule entwickelt wurde, überteuert auf den Markt kommen sollte - und setzte im Endeffekt eine drastische Preissenkung durch. Seitdem engagieren sich Medizinstudenten an über 100 Universitäten weltweit für einen günstigen Zugang zu Medikamenten. In Deutschland ist die Gruppe an acht verschiedenen medizinischen Fakultäten aktiv. dns
Frau Waldecker, die Uni Heidelberg schneidet im Ranking Globale Gesundheit am besten ab. Was sagt das konkret aus?
Zunächst einmal, dass wir hier an der medizinischen Fakultät über Strukturen verfügen, die es anderswo nicht gibt. Hier existiert ein eigenständiges Institut für Public Health, das sich explizit mit globalen Gesundheitsproblemen befasst. Zudem wird im Bereich armutsassoziierter Krankheitserreger geforscht. Studenten haben hier die Möglichkeit, Global Health als Wahlfach zu nehmen - und das bereits seit einiger Zeit. Auch mit einem Master-Studiengang kann man sich auf internationale Gesundheit spezialisieren.
Wie kommt Heidelberg zu dieser Vorreiterrolle?
Schon vor Jahrzehnten wurde hier das Institut für Tropenhygiene gegründet, das später zum Institut für Public Health wurde. In diesem Bereich gibt es in Heidelberg viele sehr motivierte Menschen und Initiativen. Hier muss man unter anderem Prof. Thomas Junghanss nennen. Er ist ein gutes Beispiel, da er nicht nur an armutsassoziierten Krankheiten forschte, sondern seine Forschungsergebnisse auch "open access" publizierte und auf eine Patentierung seiner Erfindung verzichtet hat.
Für die Bestnote reichte es Heidelberg jedoch nicht. Warum?
Vor allem, weil auch unsere Fakultät nicht frei ist von äußeren Faktoren - etwa, wenn es darum geht, Gelder für die Forschung zu erhalten. Bei dem dritten Punkt der Studie, dem Zugang zu Forschungsergebnissen, gibt es ebenfalls viel Luft nach oben: "Open access" spielt noch eine viel zu geringe Rolle.
Das habe ich auch am eigenen Leib erfahren, als ich meine Doktorarbeit frei verfügbar publizieren wollte und dafür sogar Geld zahlen musste. Das hat zwar mein Doktorvater glücklicherweise übernommen, aber alleine, dass es etwas kostet, wenn ich meine öffentlich finanzierten Forschungsergebnisse anderen öffentlich finanzierten Wissenschaftlern zur Verfügung stellen möchte, ist doch absurd.
Der erste Platz ist also kein Grund, sich zurückzulehnen?
Absolut nicht! Im Gegenteil: Die Platzierung bringt auch eine gewisse Verantwortung mit sich, Heidelberg sollte vielleicht öfter mal vorangehen. Die vorhandene Lehre ist zwar gut, aber man könnte auch das Fach Global Health schon zu Beginn des Studiums anbieten, sodass man von Anfang an einen Blick über den deutschen Tellerrand hinaus werfen kann. Bei Forschung und dem Zugang zu den Ergebnissen ist es schade, dass auch unsere Fakultät von externen Zwängen abhängig ist.
Da würde ich mir aber wünschen, dass Heidelberg selbstbewusster auftritt im Umgang mit der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Die National Institutes of Health (NIH) fahren in den USA beispielsweise schon eine Politik, bei der alle Veröffentlichungen nach einer gewissen Zeit kostenfrei allen zur Verfügung stehen. Das würde ich mir hier auch wünschen. Auch die Verwertung von Forschungsergebnissen ist noch nicht so weit, wie wir das gerne hätten.
Inwiefern?
In Heidelberg gibt es eine Technologie-Transfer-Agentur, die von der Uni bezahlt wird, um Patente zu verkaufen. Wir finden es jedoch falsch, wenn die Ergebnisse staatlich finanzierter Forschung exklusiv und kommerziell vermarktet werden. Patente sind nicht der richtige Weg. Sie führen häufig dazu, dass nicht weitergeforscht wird oder aber völlig überteuerte Medikamente auf den Markt kommen.
Info: UAEM Heidelberg veranstaltet in diesem Semester eine Vortragsreihe zu globalmedizinischen Themen. Sie wird am morgigen Donnerstag von Till Bärnighausen, Professor für Public Health in Heidelberg, eröffnet. Sein Thema ist die HIV-Behandlung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Hörsaalgebäude, Im Neuenheimer Feld 306. Der Eintritt ist frei.