Bundespräsident in Heidelberg

Wenn ihm etwas zu platt wird, gibt Steinmeier Kontra

Am MIttwoch diskutierten Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender mit Studenten über die Zukunft der Demokratie - "Das ist das Thema meiner Amtszeit"

28.08.2019 UPDATE: 29.08.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Universitätsrektor Bernhard Eitel (r.) erklärt Elke Büdenbender und Frank-Walter Steinmeier das Fresko in der Alten Aula. Foto: Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Es war nicht die munterste Diskussion, der sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch direkt nach dem Besuch bei der RNZ in der Alten Aula der Universität stellen sollte: Die Studenten, alles Stipendiaten der 13 deutschen Begabtenförderungswerke, waren so brav in ihren Beiträgen, da mussten Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender ran, damit etwas Leben in die saunaheiße Alte Aula kam.

Dass der Bundespräsident hier sprach, hatte drei gute Gründe: Erstens ist er Schirmherr der Sommerakademie der 13 Stipendienprogramme, die gerade in Heidelberg stattfindet. Zweitens sind Steinmeier und Büdenbender selbst einmal Stipendiaten gewesen - er bei der Friedrich-Ebert- und sie bei der Hans-Böckler-Stiftung: "Unser Weg wäre anders verlaufen, wenn wir nicht gefördert worden wären", sagte Steinmeier. Denn beide stammen aus einfachen Verhältnissen.

Und drittens diskutiert das Staatsoberhaupt gern mit jungen Leuten, zumal wenn es um die "Zukunft der Demokratie" geht. Das, so bekannte er zu Beginn, sei "das Thema meiner Amtszeit". Denn mittlerweile haben autoritäre und populistische Strömungen ganz Europa erfasst: "Wir haben in Deutschland zu lange geglaubt, das alles würde wie ein Wunder an uns vorbeiziehen." Insofern sei das Thema "die richtige Fragestellung der Sommerakademie".

Tatsächlich hatten die 13 jungen Leute - je ein Vertreter jedes Begabtenförderungswerkes war zu einem Podiumsgespräch mit Steinmeier und Büdenbender geladen - sich in den letzten Tagen Gedanken zu den Themen Europa, Rechtsstaat und Gemeinwohl gemacht, aber so richtig originell waren ihre Ideen kaum. 

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Eine Teilnehmerin forderte ein europäisches Medium und ein noch besseres Interrailticket, bis Elke Büdenbender dazwischenging: Denn sie forderte, dass sich nicht nur die Studenten europaweit kennenlernen, sondern auch die Lehrlinge: "Wichtig ist, Europa fassbar zu machen, auch außerhalb der Elite, Europa herunterzubrechen auf die Menschen, die nicht an der Universität studieren und herumreisen können."

Diese Anregung der Bundespräsidentengattin machte sich dann, kaum dass sie es gehört hatte, Isabella Mantel (Stiftung der Deutschen Wirtschaft) gleich zu eigen und forderte ein "Erasmus für Azubis". An diesem Nachmittag tauchte das Reizwort "Elite" mehrfach auf: Annabelle Fuchs (Hanns-Seidel-Stiftung) brachte es so auf den Punkt: "Wir sehen uns nicht als Elite, sondern als Verantwortungselite."

Die schreckte allerdings auch vor manchen Plattitüden nicht zurück. Als es um den Rechtsstaat ging, behaupteten manche Studenten, dass der Reiche meistens straffrei ausgehe: Da waren sie mit der einstigen Verwaltungsrichterin Büdenbender an die Falsche geraten: "Ich wäre vorsichtig mit dem Vorwurf, dass sich Leute mit Geld herauskaufen können. Ich bin der Meinung, dass bei uns der Rechtsstaat funktioniert." Und schon warf sich das Präsidentenpaar argumentativ die Bälle zu: "Reden wir darüber, dass die Prinzipien des Rechtsstaats bedroht sind, oder reden wir über Einzelfälle?", so Steinmeier. "Die Gerichte lassen sich nicht von Geld oder einer Vielzahl von Anwälten beeindrucken."

Es war schon erstaunlich, wie freundlich im Ton, aber entschieden in der Sache Steinmeier mit manchen Plattheiten umging. Da merkten die gut 200 Anwesenden: Dem Mann ist es ernst mit der Bewahrung der Demokratie, da gibt er schon mal Kontra, wenn ihm manche Aussagen zu einfach gestrickt sind. Als ein Teilnehmer das Kommunalwahlrecht für jeden forderte, erinnerte ihn Steinmeier daran, dass diese Frage das Bundesverfassungsgericht schon längst entschieden habe – wahlberechtigt sind EU-Bürger, die dort länger als sechs Monate ihren Wohnsitz haben – und kam dann auf etwas ganz anderes: "Man sollte eher fragen, ob sich nicht wieder mehr Leute an den Wahlen beteiligen."

Und als er die Angriffe auf Kommunalpolitiker verurteilte – "Wenn einer, der gegen einen Bebauungsplan ist, dem Bürgermeister einen Galgen in den Garten stellt, dann geht das gar nicht" -, da wurde der Applaus (auch der von Oberbürgermeister Eckart Würzner) heftig: "Wir müssen den Respekt vor Amtspersonen erhalten, sonst findet sich keiner, der das noch machen will."

Das Thema "Gemeinwohl" kam angesichts der vorgerückten Zeit etwas sehr kurz, und so konnte Universitätsrektor Bernhard Eitel zum Schluss ganz knapp etwas Werbung in eigener Sache machen: "Universitäten sind seit fast 1000 Jahren Einrichtungen, die Europa mitprägen, sie sind die Motoren der Gesellschaft. Man hat aber selten den Eindruck, dass die Politik das Potenzial der Universitäten nutzt." Steinmeier sagte zu diesem Schlusswort nichts, sondern schien still zu nicken.