37-jährige Heidelbergerin infizierte sich in einer Stunde bei betreutem Kind
Vanessa Wagner fühlte sich zeitweise so schwach, dass sie "nicht mal mehr einen Löffel halten" konnte. Bis heute wird sie vom Virus verfolgt und sagt: "Man sollte großen Respekt vor dieser Krankheit haben."

Von Anica Edinger
Heidelberg. Es war der 3. November. "Zwischen 16 und 17 Uhr", erinnert sich Vanessa Wagner. Nur eine Stunde reichte aus, um sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Die 37-jährige Mutter einer fünfjährigen Tochter wird das so schnell nicht vergessen. Fast acht Wochen warf sie die Krankheit aus der Bahn. Bis heute wird sie vom Virus verfolgt.
"Völlige Entkräftung", so beschreibt die Heidelbergerin den Zustand, in dem sie sich während ihrer Covid-19-Erkrankung befand. Wie sie sich angesteckt hat, bei wem und warum, kann sie genau zurückverfolgen: "Ein Erzieher in unserem Kindergarten wurde positiv getestet." Leider erfuhr sie das genau eine Stunde zu spät. Gegen 16 Uhr holte sie ihre Tochter vom Kindergarten ab, ebenso wie die beiden Kinder ihrer damaligen "Kontakt-Familie", mit der sie sich die Betreuung aufteilte. Eines dieser beiden Kinder war in eben jener Gruppe, in welcher der positiv getestete Erzieher arbeitete.
Die Eltern versuchten noch Wagner zu warnen, doch sie verpasste die Anrufe. "Meine Tochter war vom Fahrrad gefallen", erinnert sie sich. "Das war eine Verkettung von Kleinigkeiten, die dazu führte, dass ich nicht ans Handy gehen konnte." Als sie schließlich die Nachricht gegen 17 Uhr bekam, war es zu spät. Sie hatte die drei Kinder schon eine Stunde betreut und sich infiziert.
Die ersten Symptome kamen dann etwa drei Tage später. Es begann mit Müdigkeit. "Ich fühlte mich einfach unfit", berichtet Wagner. Sie stieg in die Badewanne. Ein Erkältungsbad sollte die Symptome lindern. In dieser Zeit bekamen mehrere Kinder aus dem Kindergarten ihre positiven Testergebnisse auf das Coronavirus. Bei Wagner wurden die Symptome mit jedem Tag, der folgte, schlimmer. "Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen, Fieber – das volle Programm", sagt Wagner.
Auch interessant
Schließlich rief sie beim Gesundheitsamt an und wurde für den Test ins Testzentrum nach Reilingen geschickt. "Da ging es mir schon so schlecht, dass mein Partner mich fahren musste", erzählt sie. Beide wurden schließlich positiv getestet, doch nur bei Vanessa Wagner brach die Krankheit richtig aus. "Mit jedem Tag spitzte sich die Situation zu", erzählt sie.
Ihr Kopf tat so weh, dass sie nicht mehr aus dem Bett kam. Ebenso ihre Augen – "ein ekelhafter Schmerz", sagt die 37-Jährige. Auch ihren Geruchs- und Geschmackssinn habe sie verloren, glücklicherweise aber nur für wenige Tage. Das schlimmste aber sei die völlige Kraftlosigkeit gewesen: "Ich konnte nicht mal mehr einen Löffel halten." Drei Wochen ging das so. So lange dauerte auch die Quarantäne.
An ihrem ersten Tag in "Freiheit", als sie keine Symptome mehr hatte, wagte sie sich für einen Spaziergang nach draußen. Lange hielt sie es aber nicht aus. "Der Kreislauf machte noch nicht mit", erzählt sie. In der darauffolgenden Woche ging Wagner wieder arbeiten. Für vier Tage. "Dann hat mich eine Erkältung umgehauen." Das Immunsystem sei noch zu geschwächt gewesen, meint Wagner. Ihr Körper streikte gegen zu viel Aktivität.
Heute ist Wagner genesen und geht wieder regulär arbeiten. Die Covid-19-Erkrankung verfolgt sie aber weiter. Denn noch immer schmerzt ihr Brustkorb beim Einatmen, beim Spazierengehen, manchmal einfach so. Ein klassisches "Post Covid"-Symptom. Ein Inhalationsspray sollte Abhilfe schaffen. Doch die Nebenwirkungen des Sprays waren unerträglich: Sie bekam Herzrasen und hatte Unruhezustände. Wagner musste es absetzen. Der Schmerz bleibt unbehandelt. Auch Treppensteigen, lange Wege, zu viel Anstrengung bereiten ihr nach wie vor Probleme. Ihre Kraft ist noch nicht vollständig zurück.
Vanessa Wagner lag auf keiner Intensivstation. Sie musste auch nicht beatmet werden. Sie hat nur leichte Nachwehen von der Erkrankung. Dennoch sagt sie: "Das ist definitiv keine Krankheit, die man bekommen möchte. Auch nicht, wenn man vergleichsweise jung ist." Die Angst vor dem Virus schwand zwar irgendwann im Laufe ihrer Erkrankung. "Wenn die Symptome mal vier, fünf Tage gleich bleiben, dann beruhigt das", sagt Wagner. Doch: "Psychisch macht es was mit dir." Die Quarantäne, die Schmerzen, die Kraftlosigkeit, dass die ganze Familie mitgefangen ist. "Meine Tochter hat abends geweint und gefragt: ,Wann darf ich meine Freunde wiedersehen?‘"
Dabei hatten die Wagners noch Glück im Unglück: Denn der Vater der Tochter war zwar ebenfalls krank – aber mit nur sehr milden Symptomen. "Was wäre gewesen, wenn wir beide ausgeknockt gewesen wären? Wer hätte sich dann ums Kind gekümmert?" Das fragt sich Vanessa Wagner heute noch manchmal – im Bewusstsein, dass es manchen Betroffenen mit Kindern eben genauso ergeht.
Auch deshalb fühlt sie derzeit auch Dankbarkeit – dafür, dass nicht alles noch viel schlimmer kam. Sie selbst ist nun wohl erst einmal geschützt vor Corona. Das belegte jüngst ein Antikörpertest, der bei ihr einen hohen Wert von 44 anzeigte. Bei ihrem Freund allerdings, der nur leicht erkrankte, ist der Wert viel niedriger: "Er liegt unter dem Wert, ab dem man offenbar von einem temporären Schutz vor dem Virus ausgehen kann." Auch deshalb gilt für die Familie weiterhin: Kontakte gering halten, Masken tragen, umsichtig sein. Denn Vanessa Wagner findet: "Man sollte großen Respekt vor dieser Krankheit haben."