Airfield als spontane Alternative für die Wolfsgärten?
Vor dem Bürgerentscheid zum Ankunftszentrum: Gemeinderäte und Experten diskutierten online. Zwei alternative Ideen wurden präsentiert.

Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Nach der Wahl ist vor der Wahl: Am 11. April entscheidet die Heidelberger Bürgerschaft über die Frage, wo das Ankunftszentrum für Geflüchtete künftig seinen Platz haben wird. Auf Einladung des Vereins Urban Innovation beleuchteten Stadträte und Experten am Dienstagabend verschiedene Perspektiven auf diese Frage. Zudem diskutierten sie darüber, wer eigentlich über diese Standortfrage entscheiden sollte – und bekamen, für manch einen überraschend, spontan zwei alternative Ideen präsentiert. In der Spitze rund 50 Menschen waren bei der knapp zweistündigen Online-Veranstaltung auf Zoom und Youtube dabei. Die RNZ hat die wichtigsten Perspektiven und Aussagen zusammengefasst:
> Die Perspektive der Gemeinderatsfraktionen: Der Bürgerentscheid komme zu früh, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Derek Cofie-Nunoo. Um über einen Standort entscheiden zu können, müssten zunächst wichtige Fakten geklärt werden – etwa die Frage nach einem Flächenausgleich. "Die Frage Wolfsgärten Ja oder Nein können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös beantworten."
SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster wünschte sich für den 11. April eine eindeutige Entscheidung, was bedeutet: Das Quorum werde erreicht – und "ein klarer Auftrag" an den Gemeinderat übermittelt. Die Position der SPD sei stets gewesen: keine Verlagerung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten, stattdessen ein Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village (PHV), stellte Schuster klar.
Sollte der Standort Wolfsgärten abgelehnt werden, habe man keinen möglichen Standort mehr, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Gradel. Er erinnerte daran, dass der Gemeinderat bereits eindeutig entschieden habe – sowohl, dass das Ankunftszentrum auf die Wolfsgärten zieht, als auch in der Frage, was mit PHV passieren soll. Aktuell verfalle man in eine Politik, mit der man sage, wo man etwas nicht haben wolle, aber nicht, wo man etwas haben wolle, kritisierte Gradel.
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> Die Perspektive des Bürgerbegehrens: Die Wolfsgärten seien "absolut ungeeignet", sagte Dorothee Hildebrandt, eine von drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens. In ihrer "isolierten Randlage" seien sie kein Wohnort für Menschen, aber auch klimaökologische und stadtentwicklungstechnische Gesichtspunkte sprächen gegen den Standort. Grundsätzlich sei das Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt Heidelberg offen für jeden guten Standort. In PHV könne man aber drei Aufgaben besonders gut zusammendenken: preisgünstiges Wohnen, Kampf gegen die Klimakrise – und die Aufnahme von Menschen auf der Flucht.
> Die Perspektive des Seelsorgers: Jochen Winter arbeitet seit fünf Jahren als Seelsorger für Geflüchtete in PHV. Er sagte: "Das Wichtigste, wenn Menschen hier ankommen, ist, dass sie Sicherheit finden." Ein Ankunftszentrum müsse diesen Menschen die Möglichkeit bieten, Ruhe zu finden, andere Leute zu treffen und sich auszutauschen. Gerade der Kontakt und die Unterstützung durch Menschen aus der Stadtgesellschaft sei es, der über die Zukunft von Geflüchteten entscheiden könne. Der Standort eines Ankunftszentrums, sagte Winter, zeige zudem die Haltung einer Gesellschaft, andere Menschen aufzunehmen.
> Alternative Standortideen: SPD-Stadtrat Sören Michelsburg stellte eine Idee vor, wie ein Ankunftszentrum in PHV gelingen könnte. Sie sieht vor, die Ankommenden auf einer bis zu sechs Hektar großen Fläche im Nordosten des Areals unterzubringen. Den Entwurf wolle man nach dem Bürgerentscheid der Verwaltung zur Prüfung vorlegen, sagte Michelsburg, "weil wir ihn für am sinnvollsten halten".
Architekt Nils Herbstrieth präsentierte das Airfield als möglichen Standort für ein Ankunftszentrum. Seinem Entwurf zufolge müssten keine neuen Flächen versiegelt werden. Stattdessen schlug er vor, mit Raummodulen zu arbeiten, die flexibel auf dem Areal aufgestellt werden könnten.
> Alternative Entscheidungsfindungen: Die Grünen sprachen sich im Dezember dafür aus, für die Entscheidungsfindung hinsichtlich eines Standorts einen Bürgerrat aus zufällig ausgewählten Heidelbergern einzusetzen. Ein Vorschlag, der für Derek Cofie-Nunoo nach wie vor Relevanz hat, könne er doch eine "höhere Akzeptanz in der Bevölkerung" schaffen. Unterstützung erhielt er von Fraktionskollege Manuel Steinbrenner, der aber betonte, in einem Bürgerrat nur "ein ergänzendes Werkzeug" zur repräsentativen Demokratie zu sehen.
Edgar Wunder, ebenfalls Vertrauensperson des Bürgerbegehrens, betonte, dass durch Beteiligungsformen wie einen Bürgerrat die repräsentative Demokratie "noch repräsentativer" und dadurch gestärkt werden könne. Er sagte, es sei wichtig, auch nach dem Bürgerentscheid "möglichst viele Menschen mitzunehmen".
CDU-Stadtrat Alexander Föhr hingegen wünschte sich, auf der Grundlage dessen zu arbeiten, "was die gewählten Vertreter diskutieren und beschließen". Bürgerbeteiligung könne diesen Prozess ergänzen. Ob man bestehende Widerstände mittels eines Bürgerrats lösen könne – dahinter wolle er "ein kleines Fragezeichen setzen".