Studien belegen

Einsamkeit kann krank machen - was kann dagegen helfen?

Viele Studien belegen, dass Menschen mit starkem sozialem Netz im Schnitt psychisch und körperlich gesünder sind. Weitere zeigen, dass Einsamkeit gefährlich sein kann. Was lässt sich daraus lernen?

27.10.2025 UPDATE: 27.10.2025 07:56 Uhr 3 Minuten, 59 Sekunden
Die Silhouette einer Frau zeichnet sich vor einer hellen Fensterfront ab. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Marco Rauch

Ein starkes soziales Netz ist gesund, Einsamkeit kann hingegen schädlich sein - und zwar nicht nur für die Psyche, sondern auch für den Körper. Diesbezüglich ist sich die Wissenschaft größtenteils einig.

Die positive Wirkung der wahrgenommenen Unterstützung zeigte beispielsweise erst kürzlich eine großangelegte Metaanalyse mit 604 Studien aus über 30 Ländern, die im Fachjournal "Psychological Bulletin" der American Psychological Association veröffentlicht wurde. Menschen, die sich von Familie, Freunden oder Kollegen unterstützt fühlen, haben demnach im Durchschnitt eine bessere psychische und körperliche Gesundheit als andere. Sie sind zudem zufriedener und erfolgreicher.

Was macht Einsamkeit mit dem Körper?

Leider funktioniert dieses Phänomen auch umgekehrt. Elnaz Pourzare, Mitglied beim Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), erklärt mögliche Wirkungen im Körper: "Einsamkeit ist kein bloßes Gefühl, sondern ein komplexer psychobiologischer Stresszustand. Wenn Menschen über längere Zeit soziale Isolation oder einen Mangel an Zugehörigkeit empfinden, reagiert der Körper ähnlich wie bei chronischem Stress: Das Stresshormon Cortisol bleibt dauerhaft erhöht, das Immunsystem wird geschwächt, und entzündliche Prozesse im Körper werden begünstigt." 

Studien zeigen nach Angaben der Bonner Psychologin, dass Einsamkeit mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Schlafstörungen und sogar einer verkürzten Lebenserwartung verbunden ist. Schließlich sei der Mensch ein soziales Wesen, werde dieses Bedürfnis nicht erfüllt, habe das negative Konsequenzen.

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"Auch neurobiologisch hinterlässt Einsamkeit Spuren: Im Gehirn wird das sogenannte "soziale Schmerzsystem" aktiviert – dieselben Areale, die auch bei körperlichem Schmerz reagieren", erklärt Pourzare. "Dieser dauerhafte Aktivierungszustand führt dazu, dass Betroffene empfindlicher auf soziale Zurückweisungen reagieren und sich noch stärker zurückziehen – ein Kreislauf, der sowohl psychisch als auch körperlich belastet."

Thema Einsamkeit bekam zuletzt mehr Aufmerksamkeit

Generell ist das Thema Einsamkeit in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus gerückt. So hat etwa die nordrhein-westfälische Landesregierung Ende vergangenen Jahres einen ersten Aktionsplan gegen Einsamkeit verabschiedet. Unter dem Titel "Du+Wir=Eins – Nordrhein-Westfalen gegen Einsamkeit" bündelt der Plan 100 Maßnahmen gegen Einsamkeit aller Ministerien der Landesregierung.

Der Plan soll Beteiligten und Betroffenen dabei helfen, sich besser über Einsamkeit zu informieren und zu vernetzten. Er sieht unter anderem vor, Unterstützungsangebote rund um das Thema auszubauen. Zudem soll etwa in Jobcentern, Schulen, Universitäten oder bei der Polizei für das Thema Einsamkeit sensibilisiert werden.

Promis machen in der ARD auf Einsamkeit aufmerksam

Unter dem Motto #melddichmalwieder hatte die ARD kürzlich während der Halbzeitpause eines Fußball-Länderspiels auf das Thema Einsamkeit aufmerksam gemacht. Für wenige Minuten wurde Fußball zur Nebensache, als Comedienne Carolin Kebekus gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern Jasmin Wagner, Peter Maffay, Mark Forster sowie Ex-Nationalspieler Lukas Podolski auftrat. 

Kebekus sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Einsamkeit betrifft viele Menschen. Wir leben in Zeiten voller Krisen, die spalten – die Pandemie hat das noch verstärkt. Trotzdem sprechen kaum Menschen offen darüber." Einsamkeit sei unsichtbar und oft mit Scham verbunden. Bereits darüber zu reden, sei ein wichtiger Schritt.

Sie betonte, Einsamkeit bedeute nicht zwangsläufig allein zu sein. "Man kann sich auch mitten unter Menschen isoliert fühlen. Das kann Jugendliche treffen, die in der Klasse gemobbt werden, oder Menschen nach einer Trennung", sagte Kebekus. Es gebe Wege, sich Hilfe zu holen und jeder könne im Alltag etwas tun. "Lächeln, Nachbarn ansprechen, auf einen Kaffee einladen."

Sechs von zehn Erwachsenen mit Einsamkeitserfahrung

Nach Angaben des WDR haben sechs von zehn Erwachsenen in Deutschland bereits Erfahrungen mit Einsamkeit gemacht. Besonders unter jüngeren Menschen sei die Tendenz steigend. Die Pandemie, digitale Kommunikation und gesellschaftlicher Druck hätten das Problem verstärkt – und es bleibe oft unsichtbar.

Im Vereinigten Königreich wird dem Thema Einsamkeit schon etwas länger größere Bedeutung zugeschrieben. So bekam schon 2018 erstmals ein Ministerium die Zuständigkeit für die Bekämpfung von Einsamkeit. In Deutschland setzt das Bundesfamilienministerium mit mehreren Projekten für die Belange einsamer Menschen ein. Das Kompetenznetz Einsamkeit hat untere anderem eine digitale Deutschlandkarte mit Hilfsprojekten gegen Einsamkeit erstellt.

Was sind mögliche Lösungsansätze?

"Einsamkeit zu überwinden beginnt damit, sie anzuerkennen, statt sie zu verdrängen. Viele Menschen empfinden Scham, wenn sie sich einsam fühlen", so Psychologin Pourzare.

Eine nachhaltige Lösung liegt ihr zufolge nicht allein darin, mehr Kontakte zu haben, sondern im Aufbau von qualitativen, emotional tragfähigen Beziehungen. "Entscheidend ist das Gefühl, gesehen, verstanden und angenommen zu werden. Psychologische Interventionen, die soziale Kompetenzen fördern, den Selbstwert stärken und emotionale Offenheit unterstützen, haben sich hier als besonders wirksam erwiesen." Auch Programme zur Förderung von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl könnten helfen, das Gefühl der Verbundenheit mit sich selbst und anderen wiederherzustellen.

Welche konkreten Schritte kann man als Betroffener einleiten?

Hilfreich ist es Pourzare zufolge, wieder aktiv in soziale Kontexte einzutreten – auch wenn der erste Schritt oft Überwindung kostet. "Dazu gehören regelmäßige Routinen, wie etwa feste Verabredungen, Gruppenaktivitäten (Sport, Musik, Ehrenamt) aber auch digitale Wege, um in Kontakt zu bleiben." Ein weiterer wichtiger Faktor sei die Selbstwahrnehmung und Selbstakzeptanz. "Wer sich selbst als "nicht liebenswert" erlebt, zieht sich häufig unbewusst zurück."

Wie kann man Betroffenen helfen?

Einsamkeit zeigt sich Pourzare zufolge selten offen, denn Betroffene würden selten darüber sprechen. "Umso wichtiger ist es, sensibel auf subtile Signale zu achten: Rückzug, Antriebslosigkeit oder das Abbrechen von Kontakten können erste Hinweise sein." Hier würden kleine, aber konstante Gesten der Verbundenheit helfen: eine Nachricht, ein Anruf, gemeinsames Kochen, ein Spaziergang. "Entscheidend ist, dass echtes Interesse spürbar wird. Auch das aktive Zuhören – ohne direkt Ratschläge zu geben – kann bereits sehr entlastend wirken."

Gerade bei älteren Menschen oder Personen mit gesundheitlichen Belastungen spiele die soziale Einbettung im Alltag eine große Rolle. "Kommunale oder ehrenamtliche Netzwerke, Nachbarschaftshilfen oder Gruppentreffen können hier wertvolle Unterstützung bieten." In der psychologischen Praxis zeige sich: Schon kleine, regelmäßige soziale Interaktionen – verbunden mit emotionaler Offenheit – können den inneren Rückzug aufbrechen und wieder Zuversicht fördern.

So könne schon kurzfristig Stress vermindert und damit das Wohlbefinden gesteigert werden, erklärt Pourzare. "Langfristig gesehen stabilisiert regelmäßige soziale Interaktion das Nervensystem, stärkt das Immunsystem und wirkt wie ein psychologischer Schutzpuffer gegen Belastungen."'