Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wird 70
Die Zeitungsbranche in Deutschland ist im digitalen Wandel. Wie geht damit die FAZ als eine der bekanntesten überregionalen Zeitungen des Landes bald 70 Jahre nach ihrer Gründung um?

Von Anna Ringle
Frankfurt (dpa) - FAZ-Herausgeber Berthold Kohler freut sich schon auf den geplanten Umzug 2021. Newsroom-Stockwerk, moderne Infrastruktur. "Und nicht nur die Politische Redaktion, die hier im zweiten Stock sitzt, freut sich auf den Skyline-Blick", sagte Kohler im bisherigen Gebäude in einem Gespräch mit dpa. Der Umzug einer der bekanntesten Zeitungen Deutschlands innerhalb Frankfurts bedeutet für die Redaktion Wandel. Wandel beschäftigt die gesamte Zeitungsbranche in Deutschland seit Jahren auf eine noch viel immensere Art - die Auflagen gehen zurück, das Anzeigengeschäft auch. Wie viele andere Blätter geht auch die bald 70 Jahre alte "Frankfurter Allgemeine Zeitung" neue Wege im Digitalen - und will dabei besser werden.
"Die FAZ braucht mehr Technologiekompetenz", betonte der Vorsitzende der FAZ-Geschäftsführung, Thomas Lindner, am Dienstag in einer Diskussionsrunde auf dem Zeitungskongress des Zeitungsverleger-Verbands BDZV in Berlin. Auch bei Preisen für digitale Angebote will er ansetzen. Diese seien im Vergleich zu denen anderer Zeitungen höher. "Wir wissen selber, dass wir mit dieser Preispolitik die Eintrittsbarriere für neue Kunden sehr hoch gehoben haben. Wir müssen von unten nachbauen. Wir müssen Brücken bauen, damit wir Leute perspektivisch auf das Premium-Produkt digitale Zeitung lenken können", betonte Lindner.
Auch äußerlich soll sich etwas ändern. Lindner kündigte am Donnerstag auf einem FAZ-Kongress ein moderneres und luftigeres Layout der Zeitung ab November an. Bereits jetzt gibt es einen neuen Markenauftritt mit dem Claim "Freiheit beginnt im Kopf". Dieser solle den Gründungsanspruch der Zeitung und die Leistung der Redakteure widerspiegeln, betonte Lindner.
Die Tageszeitung aus Frankfurt hat eine lange Geschichte, in der sie zu einem Qualitäts- und Leitmedium in Deutschland wurde, bedeutende Autoren hervorbrachte, Preise gewann und internationales Gewicht erlangte. Die Fazit-Stiftung hält seit 1959 die Mehrheit der Anteile an der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH. Die Erträge aus ihrer Beteiligung verwendet sie nach FAZ-Angaben ausschließlich für gemeinnützige Zwecke.
Dass die FAZ manchmal sogar ein Stück Geschichte geschrieben hat, wurde am Donnerstag auf dem Kongress der Zeitung zum 70-jährigen Bestehen deutlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach mit Herausgeber Kohler über einen Gastbeitrag, den sie Ende 1999 in der FAZ veröffentlichte und der hohe Wellen schlug. Damals war sie Generalsekretärin und forderte ihre Partei CDU auf, sich von Altbundeskanzler Helmut Kohl zu lösen und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Merkel erinnerte sich an die Umstände, wie der Beitrag ins Blatt kam: Sie kontaktierte einen Journalisten. Dieser habe ihr empfohlen, noch einmal darüber nachzudenken, ob das wirklich ein relevanter Beitrag sei. Kohler ergänzte, die damalige Info aus Berlin zu Merkels Stück sei gewesen: Ganz interessant, aber nichts Besonderes. Der Gastbeitrag landete dann doch in der Zeitung.
Der Historiker Peter Hoeres schreibt in seinem aktuellen Buch "Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ": "Spricht man vom Stil der FAZ, so assoziiert man umgehend das seriöse Äußere, Fraktur und lange Texte, das gehobene Deutsch und die abgewogene Argumentation."
Besonders ist an dem überregionalen Blatt die Struktur mit mehreren Herausgebern statt eines Chefredakteurs. Derzeit sind es neben Berthold Kohler noch Werner D'Inka, Jürgen Kaube und Gerald Braunberger. Erst im Frühjahr war dieser neu ins Gremium aufgenommen worden. Die genauen Gründe, warum sich das Blatt davor von Holger Steltzner trennte, wurden damals nicht mitgeteilt. Es hieß lediglich, dass die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern nicht mehr gegeben sei.
Auf der Titelseite der ersten Ausgabe am 1. November 1949 steht in einem Artikel mit der Überschrift "Zeitung für Deutschland": "Für die Denkfaulen möchten wir nicht schreiben. Aber sonst meinen wir, daß die Vereinigung von breiter Wirkung und geistigen Ansprüchen sehr wohl möglich sei." Die Anfangsauflage lag nach FAZ-Angaben bei 60 000 Exemplaren.
Die Auflage der Tageszeitung ist in den vergangenen Jahren wie in der gesamten Branche rückläufig gewesen. Im zweiten Quartal 2019 wurde nach Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) täglich (Montag bis Freitag) gut 227 500 Mal die FAZ verkauft - davon fast 50 000 als E-Paper. Fünf Jahre davor sah das Bild anders aus. Im zweiten Quartal 2014 waren es fast 303 000 Exemplare, die Zahl der E-Paper darunter lag mit fast
27 400 hingegen unter dem aktuellen Wert. Zum Vergleich: Anfang des Jahres 2000 wurden gut 392 000 FAZ-Exemplare verkauft.
Der Chefredakteur Digitale Produkte bei der FAZ, Carsten Knop, sieht im Digitalen auch positive Effekte für die gedruckte Zeitung: "Wir haben damit jetzt eine Art Wünschelrute in der Hand, womit wir erspüren können, für was sich der Leser begeistert", sagte er. Knop setzt auch auf neue Produkte, demnächst soll es einen täglichen Nachrichtenmagazin-Podcast geben. Auf dieses Format setzen bereits andere Medien.
Jochen Rädeker, der als Gründer der Designagentur Strichpunkt die Zeitung für den neuen Markenauftritt beriet, betonte auf dem Kongress: Es sei wichtig für den Erfolg der Marke FAZ, ihre Qualität nicht auszuhöhlen. Und konkret, dass sie sich auf ihre traditionellen Kernwerte wie Pluralismus und Fundiertheit weiterhin konzentriere.
Das neue Layout und der Markenauftritt seien daher in behutsamer Form verändert worden, sagte Rädeker. Harte Schnitte, die mit der Vergangenheit brechen, sind nicht vorgesehen. Die Frakturschrift des Zeitungsnamens bleibe und werde nur minimal verändert. Ein blaues F-Symbol im Fraktur-Look soll in den digitalen Angeboten häufiger vorkommen. So wolle man auch jüngere Leute anziehen. Der Vorteil der FAZ sei, dass jeder sie in Deutschland kenne, sagte Rädeker.
Historiker Hoeres konstatiert in seinem Buch als Ausblick: "Die Marke FAZ als Synonym für Qualitätsjournalismus wird freilich nicht so schnell verschwinden. Dafür ist sie zu stark, zu sehr eingeführt und nachgefragt."