Von Christian Schreiber
Seefeld. Von der Seefelder Langlauf-Loipe hat der Wintersportler einen guten Blick auf die Schanzen. Es ist der Moment, in dem die Beine trotz der heftigen Anstiege plötzlich nicht mehr schmerzen. Man ist einfach nur froh, Eric Frenzel und Co. ausschließlich in der Loipe zu folgen - und auf jegliche Sprungversuche im Schatten der deutschen Kombinierer zu verzichten. Von 19. Februar bis 3. März steigt in Seefeld (Tirol) die Nordische Ski-WM, und dies ist ein Versuch, dem deutschen Team ganz nahe zu kommen. Wie sieht ein Wettkampftag aus? Wo und wie wohnt die Mannschaft? Wie fühlen sich die Loipen an?
Das Hotel
Natürlich bucht der Deutsche Skiverband (DSV) für seine Sportler nicht blind irgendein Hotel im Internet. Jeder weiß, wie wichtig die Unterkunft ist. Die Athleten müssen sich wohlfühlen, Zimmer, Essen, Infrastruktur und Umgebung sollten zu ihren Bedürfnissen passen. Und das gilt ganz gewiss für das "Aktivhotel Zum Gourmet". Seit gut 30 Jahren ziehen dort regelmäßig deutsche Wintersportler ein, wenn in Seefeld Wettkampf oder Trainingslager ist.
"Als Seefeld den Zuschlag für die WM bekam, hat sich das deutsche Team sofort gemeldet und das komplette Haus reserviert", erzählt Inhaber Mario Saurer. Einer der ersten sportlichen Gäste im heutigen Aktivhotel war Mitte der 1980er-Jahre Hermann Weinbuch, damals selbst Weltmeister der Kombinierer, heute Bundestrainer. "Als Hermann kam, waren wir noch kein richtiges Hotel, hatten nur ein paar Gästezimmer." Saurer erinnert sich, wie Weinbuch und seine Mannschaftskollegen eigenhändig die Skier wachsen mussten. Mittlerweile rückt der DSV mit einem großen Betreuerstab samt Sicherheitspersonal an.
Die Sportler sind heute Stars. Nach Eric Frenzel ist sogar eine eigene Suite benannt, die er während der WM wieder beziehen wird. "Eric hat so viele Wettbewerbe in Seefeld gewonnen, dass wir gar nicht mehr wussten, was wir ihm schenken sollen. Also haben wir ihm die Suite gewidmet", sagt Saurer, der selbst auch in der Küche steht und sogar schon Kochkurse mit den DSV-Skispringern gemacht hat, damit die Leichtgewichte nicht zunehmen.
Erfolge feiert Saurer mit den deutschen Athleten jeweils im Sommer nach, wenn sie Urlaub in Seefeld machen oder dort ein Trainingslager stattfindet. Davon zeugen viele Fotos, die an der Promiwand im Hotel hängen und die signierten, leer getrunkenen Champagner-Flaschen. Saurer freut sich schon auf die Sommerfeste nach der Seefeld-WM. Und die deutschen Sportler bestimmt auch.
Der Wettkampftag
Unser Wettkampftag im Selbstversuch startet logischerweise mit einem ordentlichen Frühstück. Wir laden den Teller voll und können sicher sein, dass wir an diesem Punkt noch mit den Profis mithalten können. Kai Bracht, Sprungtrainer der Deutschen Kombinierer, hat uns vorab erklärt, dass seine Jungs gerne deftig mit Käse, Marmelade, Ei und Brot in den Tag starten. Zwei Stunden später beginnen wir unsere Aufwärmrunde am romantischen Seekirchl in Seefeld in Richtung Stadion. Alles flach, wir fühlen uns locker und beschwingt - bis die Zehn-Kilometer-Wettkampf-Loipe der Kombinierer ansteht.
Der einzige Gegner ist die Uhr, und das Ziel lautet: ohne Pausenstopps durchkommen und eine halbwegs ordentliche Zeit hinlegen. Bald merkt man, dass es nur ums Durchhalten geht und die Uhr wurscht ist. Trotz Schneckentempo an den Anstiegen steigt der Pulsmesser in den roten Bereich. Die Energiespeicher sind schnell leer. Am Ende kann von einem Sprint, wie er im Fernsehen stets zu sehen ist, nicht die Rede sein. Man schleppt sich Richtung Ziel und plumpst hinter der Linie wie ein nasser Sack in den Schnee. Obwohl es sofort einen Regenerationsshake gibt, fehlen Kraft und Motivation fürs Auslaufen. Wir beherzigen den Rat von Trainer Bracht, sogleich in trockene Kleidung zu schlüpfen und fahren ins Hotel zurück.
Belebt: Der Dorfplatz in Seefeld. Foto: Christian Schreiber
Dort startet der angenehme Teil des Wettkampftages. Die deutschen Profis haben ihre eigenen Physiotherapeuten dabei, wir sind mit einer normalen Sportmassage und einer Runde Saunadorf im Hotel vollauf zufrieden. Zum Thema Abendessen erklärte Bracht, dass Sportler darauf achten müssen, ausgewogen zu Essen. Suppe, Salate, Eiweiße und Kohlenhydrate stehen im Mittelpunkt. Energiespeicher auffüllen und ab ins Bett.
Die Loipen
Seefeld wirbt mit einem Langlauf-Netz von 260 Kilometern. Es gibt Loipen für Nachtschwärmer und Hundehalter und ein weltweit einzigartiges Rettungssystem für Verletzte. Die beiden Schleifen, auf denen die WM-Läufe stattfinden, sind so breit wie Autobahnen und kommen teils auf 25 Meter. Die längere, blaue Runde misst fünf Kilometer, führt gen Süden Richtung Seewaldalm. Auf der gegenüberliegenden Seite spuren die Langläufer auf 3,75 Kilometern durch den rot ausgeschilderten Kirchwald.
Man darf sich von den Farben nicht irritieren lassen, sie sagen nichts über die Schwierigkeit aus. Es handelt sich um international gültige WM-Vorgaben, in denen auch Streckenlängen und Anspruch definiert sind. So müssen zum Beispiel zwingend Anstiege der Kategorie A mit mindestens 30 Höhenmeter am Stück angelegt sein.
Die Alternative zum Langlauf: Schlittschuhfahren. Foto: Christian Schreiber
"Auf den WM-Loipen gibt es keine flachen Abschnitte. Es geht nur rauf oder runter", erklärt Peter Schwandl, der die WM mitorganisiert hat. Er und seine Mitstreiter haben Trassen verlegt, ungünstige Loipen dichtgemacht und neue Spuren durch den Wald gezogen. Eine breite Brücke über die Bundesstraße ersetzt die alten, engen Unterführungen. Einige schwierige Anstiege lassen sich umfahren. "Touristen-Varianten", nennt Schwandl die Alternativen und verspricht: "Von der WM profitieren am meisten unsere ganz normalen Gäste."
Noch wichtiger als die Loipen-Optimierung ist in seinen Augen das neu installierte Beschneiungssystem. Im Herzen der Langlauf-Arena können die Seefelder alle 60 bis 100 Meter Schneekanonen anschmeißen, die ihren Durst über einen extra angelegten Speichersee stillen.