Zum Kuckuck!

Seit fast 300 Jahren werden im Schwarzwald Uhren gefertigt

Inzwischen auch im revolutionären Design. Einige Exemplare kann man sogar auf dem U(h)rwaldpfad bestaunen.

01.12.2021 UPDATE: 04.12.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 59 Sekunden
In Schonach steht die für erste weltgrößte Kuckucksuhr.  Fotos: Dagmar Krappe

Von Dagmar Krappe

Wann haben Sie zuletzt den Kuckuck gehört? In diesem Jahr gar nicht? Dann waren Sie nicht im Schwarzwald. Dort ruft er nicht nur im Frühling und Frühsommer, sondern das ganze Jahr hindurch. Zumindest in der Kuckucksuhr. Vor fast 300 Jahren soll der erste hölzerne Vogel gerufen haben.

Hintergrund

Informationen:
Anreise: Mit dem Auto von Heidelberg nach Schonach in knapp zweieinhalb Stunden. Mit der Bahn bis Karlsruhe oder Baden-Baden. Umstieg in die "Schwarzwaldbahn" bis Triberg oder St. Georgen

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Informationen:
Anreise: Mit dem Auto von Heidelberg nach Schonach in knapp zweieinhalb Stunden. Mit der Bahn bis Karlsruhe oder Baden-Baden. Umstieg in die "Schwarzwaldbahn" bis Triberg oder St. Georgen (www.bahn.de) Erbaut wurde die Trasse der "Schwarzwaldbahn" zwischen 1863 und 73 nach Plänen von Robert Gerwig. Es ist die einzige zweigleisige Gebirgsbahn in Deutschland. Zu bestimmten Zeiten werden auch Sonderfahrten mit Nostalgiezügen angeboten.
Unbedingt machen: Die vier Gemeinden Furtwangen, Schönwald, Schonach und St. Georgen liegen an der 1992 eröffneten, 320 km langen Ferienstraße "Deutsche Uhrenstraße": www.deutscheuhrenstrasse.de; der Genießerpfad "U(h)rwaldpfad Rohrhardsberg" bei Schonach, knapp 9 Kilometer langer Rundwanderweg mit 380 Höhenmetern, der etwas Kondition erfordert; Die erste weltgrößte Kuckucksuhr in Schonach (Öffnungszeiten Di-So, 10-12 und 13-17 Uhr, Eintrittspreis 2 Euro/Person); Das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen (Öffnungszeiten: November bis März, Di.-So., 10-17 Uhr, 7 Euro, täglich Führungen,
www.deutsches-uhrenmuseum.de); Heimatmuseum "Schwarzes Tor", St. Georgen: In einem 1803 errichteten Schwarzwälder "Rauchhaus" werden alte Einrichtungsgegenstände, Trachten und Gewerke gezeigt: Uhrenschildermalerei, Strohflechten, Schuhmacherwerkstatt, Schlosserei, Schindelherstellung, Hafnerkeramik, www.st-georgen.de
Übernachten: Das 3-Sterne-Hotel
Höhengasthaus Kolmenhof in Furtwangen hat 10 DZ und Familienzimmer, Gartenterrasse, Kinderspielplatz und Spielzimmer. Preise: DZ/F ab 95 Euro. Das Haus liegt auf 1100 Metern Höhe. Auf dem Gelände entspringt einer der Hauptquellflüsse der Donau, die Breg. Zum Hof gehört auch die Martinskapelle, deren Ursprünge bis ins Jahr 800 zurückreichen, www.kolmenhof.de; auch schön ist der Hirzbauernhof in St. Georgen mit 4 Ferienwohnungen für zwei bis vier Personen. Preise für 2 Personen ab 44 Euro pro Tag. Der Hof liegt 5 Kilometer von St. Georgen entfernt auf 930 Metern Höhe. Direkt an der Brigachquelle. Die Brigach der zweite Donau-Quellfluss, www.hirzbauernhof.de

Weitere Infos: www.hochschwarzwald.de

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In der Werkstatt eines Franz Anton Ketterer. Jedenfalls setzte man ihm am einstigen Standort seines Hofes in Schönwald ein bescheidenes Denkmal. Eindeutig geklärt ist es allerdings nicht. Chronisten handeln noch weitere Namen. "Die ersten Holzuhren, die im 18. Jahrhundert im Schwarzwald entstanden, waren Schilderuhren", berichtet Eva Renz vom Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen im Naturpark Südschwarzwald: "Sie wurden in kleinen Werkstätten, überwiegend auf Bauernhöfen, hergestellt. Das Gehöft erbte meist der jüngste Sohn, der am längsten zu Hause blieb und sich um die Eltern kümmerte. Die älteren Geschwister mussten sich eine andere Aufgabe suchen. Viele richteten sich auf dem Grundstück einen Arbeitsraum ein und brachten sich das Uhrenhandwerk selbst bei." Wie die Glasmacher zogen Uhrenträger mit Kiepen auf dem Rücken durchs Land und boten ihre Waren an.

Die Zifferblätter waren vorwiegend mit floralen Motiven koloriert. Später grundierte man sie vor der Bemalung mit einem weißen Lack. "Diese hellen Lackschilduhren wurden zum Markenzeichen der Schwarzwalduhr und zunächst ohne, später mit Kuckuck in ganz Europa verkauft", sagt Eva Renz und deutet auf die große Schauvitrine, in der zahlreiche alte Exemplare hängen: "Schon damals wurden die Motive den landestypischen Vorlieben angepasst: In England liebte man Blumen, in Frankreich die Nationalfarben, in Spanien Stierkampfszenen statt Natur. 1827 gab es in Paris große Aufregung um eine Giraffe. Bald zierte sie Tapeten, Teller und sogar Schwarzwälder Holzzifferblätter." Das Museum verfügt über einen Bestand von 8000 Zeitmessern. Rund 1200 davon sind ausgestellt. Ungewöhnliche Exponate wie Stechuhren, eine astronomische Weltuhr, "Männleuhren" mit automatischen Figuren oder Pendeluhren werden bei Führungen in Funktion gezeigt.

Uhrmacher Eric Hoos fertigt eine schlichte Kuckucksuhr.

Mitte des 19. Jahrhunderts verdrängten preisgünstige amerikanische Modelle die Schwarzwälder Schilderuhren von vielen Märkten. Um angehende Uhrmacher besser auszubilden und sie mit neuen Techniken vertraut zu machen, entstand 1850 in Furtwangen die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule. Robert Gerwig war der erste Direktor. Im Hauptberuf war er Bauingenieur für Eisenbahnentrassen und Straßen. Sein umfangreichstes Projekt war ab 1863 die Konstruktion der 150 Kilometer langen "Schwarzwaldbahn" von Offenburg nach Singen. Er startete einen Aufruf, Ideen für ein neues Gehäuse einzureichen, um den Absatz der Uhren wieder zu steigern. Als fortschrittlichstes Design wurde der Entwurf des Architekten Friedrich Eisenlohr ausgewählt. Auch er war für den Ausbau der Eisenbahn zuständig, indem er Bahnwärterhäuschen konzipierte. "Genauso eine Fassade eines ’Bahnhäusle’ in Kleinformat versah er mit einem Zifferblatt und einer Tür für den Kuckuck", informiert Eva Renz: "Später kamen plastische Schnitzereien wie Buchen- und Eichenlaub, Tiere, Figuren und Gewichte in Form von Tannenzapfen hinzu." Bis heute ist diese Art der Kuckucksuhr besonders bei ausländischen Gästen ein beliebtes Souvenir.

Nach und nach eröffneten Fabriken. Nur vom Kuckuck allein konnte man nicht leben. Ende des 19. Jahrhunderts kamen preisgünstige Wecker aus dem Schwarzwald in die Haushalte. Bald gab es Uhren für jeden Raum von der Küche bis zum Wohnzimmer und billige Taschenuhren. Zahlreiche Firmen der Region gehörten zu den führenden auf dem Weltmarkt. Bis Ende der 1970er Jahre die "Quarzkrise" begann. Präzisere Quarzuhren verdrängten die mechanischen Uhrwerke. Preislich konnten die Schwarzwälder Produzenten bald nicht mehr mit der asiatischen Konkurrenz mithalten. Sie mussten auf andere Produkte umsteigen oder schließen.

Doch der Kuckuck ruft weiterhin. Ein gutes Dutzend Manufakturen gibt es immer noch. Eine von ihnen ist die Firma Rombach & Haas in Schonach. Inzwischen werden in fünfter Generation Kuckucksuhren konzipiert und gebaut. "Wir fertigen immer noch traditionelle Kollektionen mit aufwendigen Schnitzereien auf Basis der ’Bahnhäusleuhr’ sowie Schilderuhren nach alten Mustern", erzählt Designerin Selina Kreyer: "Aber wir wollten das Unternehmen für die Zukunft rüsten. Seit 2005 kreieren wir moderne, dezente und poppige Kuckucksuhren in unterschiedlichsten Formen und Farben – weiß über pink, hellblau bis schwarz oder mit transparenter Front." In der geräumigen Werkstatt bearbeitet Uhrmacher Eric Hoos ein topmodisches Modell an einer uralten Werkbank. Einen schlichten, weiß lackierter Uhrenkasten versieht er mit roten Zeigern und einer ebenso roten Tür, aus der später der Kuckuck hervorlugen wird. Als Zusatzdeko ist ein geschnitzter Hirschkopf mit rötlichem Geweih möglich.

"Ausgediente Uhren spenden wir dem Schwarzwaldverein", sagt Selina Kreyer. Dieser ist unter anderem für die Pflege des knapp neun Kilometer langen "U(h)rwaldpfads" zwischen Schonach und Schönwald zuständig. Hier hängen von Frühjahr bis Herbst unterschiedliche Uhrenkästen an den Bäumen. Dort ruft natürlich kein Kuckuck mehr, sondern sie leisten manch kleineren Waldbewohnern gute Dienste als Brut- und Nistplatz. Unterhalb der Gehäuse sind Tafeln mit Sprüchen von Schriftstellern wie Fontane, Schiller, Tolstoi und anderen bekannten Persönlichkeiten angebracht, die sich auf das Thema Zeit beziehen.

Drei bis vier Stunden benötigt man für den Rundweg, auf dem einige Höhenmeter zu bewältigen sind. Gleich am Anfang oberhalb der Elz geht es auf schmalem Pfad steil aufwärts durch dichten Nadelwald. Wild plätschert das Flüsschen zwischen moosbedeckten Felsblöcken. Stetig bergan verläuft die Route Richtung Rohrhardsberg mit 1163 Metern Höhe. Die Aussicht bis zum Rheintal und zu den Vogesen endet heute leider an einer Nebelwand. Doch während des Abstiegs präsentiert sich hinter dem "Gasthaus zur Schwedenschanze" Schwarzwaldpanorama wie im Bilderbuch: saftig grüne Weiden, auf denen braun-weiß gefleckte Kühe grasen, Teiche, der Schänzle- und der Ochsenhof mit tief heruntergezogenen Schieferdächern, Tannenbäume bis zum Horizont.

Auch wenn die Uhren auf dieser Wandertour verstummt sind, stellt sich die Frage, wie entsteht überhaupt der Kuckuckston? Zurück in Schonach kann man das besonders gut in der "ersten weltgrößten Kuckucksuhr" sehen und hören. "Vor über 40 Jahren hatte mein Schwiegervater, Uhrmacher Josef Dold, die Idee, eine begehbare Riesenkuckucksuhr neben seinem Wohnhaus zu errichten. Als Vorlage diente ein kleines Uhrwerk, dass er 50-mal vergrößerte", erklärt Gabriele Dold: "Nach drei Jahren war das Werk vollbracht und schaffte den Einzug ins Guinness Buch der Rekorde." 16 Zahnräder aus Buchenholz greifen ineinander. Das größte Rad hat fast einen Durchmesser von zwei Metern. Selbst der Vogel misst 80 Zentimeter. Sein Ruf wird durch zwei unterschiedlich lange Pfeifen erzeugt, die wie bei einer Orgel Luft aus einem Blasebalg bekommen. Und zu jeder halben und vollen Stunde tönt es: Kuckuck!