Wenn Flieger "schwitzen"

Was Fluggäste wissen sollten

Bei großer Hitze haben Flugzeuge Schwierigkeiten abzuheben

23.09.2023 UPDATE: 23.09.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Foto: Getty

Von Tinga Horny

Keiner kann es mehr hören, aber der lang angekündigte Klimawandel ist dieses Jahr deutlich zu spüren. In diesem Sommer sorgen Hitzewellen im Süden der USA, in China, aber auch rund ums Mittelmeer mit Temperaturen von über 40 Grad für immer neue Rekorde. Der Juli 2023 geht als global wärmster Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichtsbücher ein.

Die große Hitze wirkt sich auch im Luftverkehr aus. Ende Juli wurden drei Passagiere des Air-Malta-Flugs KM 614 von Valletta nach Rom ohnmächtig, nachdem kurz vor dem Abflug die Klimaanlage versagte hatte. Fast 45 Grad erreichte in Las Vegas das Innere einer Boeing 757 nach dem Ausfall der Kühlung. Die Delta-Maschine musste ihren Start nach Atlanta abbrechen, um kollabierende Fluggäste ärztlich zu versorgen.

Doch nicht nur Passagiere geraten bei hohen Temperaturen an ihre (physischen) Grenzen. Die Hitze beeinträchtigt das gesamte Prozedere eines Flugvorgangs, einschließlich der Sicherheit. Die asphaltierten Rollfelder heizen sich in Windeseile auf, weil sie der Sonne schutzlos ausgesetzt sind. Flughäfen sind bekanntlich baum- und somit schattenfrei, der Flieger muss schließlich ohne Hindernis landen und abheben können. Temperaturen von 50 bis 60 Grad sind in heißen Sommern möglich, wenn die Bahnen nicht mit Wasser gekühlt werden.

Für Mitarbeiter – etwa beim Verladen des Gepäcks – ist unter solchen Umständen das Arbeiten eine Tortur. Denn die Sicherheitsvorschriften verlangen lange Hosen, geschlossene Schuhe und Handschuhe. Zugleich beschädigen extrem hohe Temperaturen die Rollbahnen. So schmolz im vergangenen Jahr während der Hitzewelle in Großbritannien auf dem Flughafen Luton der Belag. Es kam zu Hitzeaufbrüchen und in Folge zu Verspätungen.

Die Frage, warum an Bord die Klimaanlage nicht kontinuierlich läuft, hat in den meisten Fällen weniger mit einem Ausfall zu tun als vielmehr mit der kontinuierlichen Stromzufuhr. Laufen die Triebwerke eines Flugzeugs, geht auch die Klimaanlage. Stehen Maschine und Triebwerke, dann wird’s schnell heiß an Bord. In so einem Fall springt das Hilfstriebwerk, Auxiliary Power Unit (APU), ein. Doch dem Flugportal Aerotelegraph zufolge darf die APU wegen des Geräuschpegels nicht ständig laufen. Die Lärmschutzbestimmungen unterscheiden sich jedoch abhängig vom Standort. Alternativ können Flughäfen auch Strom oder klimatisierte Luft bereitstellen. Aber das ist natürlich kein gebührenfreier Service.

Das Vorfeld schmilzt, an Bord herrscht Bruthitze, einzelnen Crew-Mitgliedern ist schwindlig und der Start wegen der kurzen Rollbahn besonders schwierig? In brenzligen Fällen darf der Kapitän den Flug absagen. Das ist der Pilotengewerkschaft Cockpit zufolge immer dann der Fall, wenn die Gesundheit von Crew und Passagieren in Gefahr ist. Zudem kann der Flugzeugführer dem Bordpersonal erlauben, Sakkos und Krawatten abzulegen. Das nennt sich im Fachjargon "Uniformerleichterung".

Flugverspätungen oder gar Flugstreichungen sind bei hohen Temperaturen aber nicht nur wegen ohnmächtiger Passagiere oder lädierter Flugpisten möglich. Je heißer es wird, desto geringer wird die Dichte der Luft. Dadurch sinkt der Auftrieb an den Tragflächen. Mit jedem Temperaturanstieg um drei Grad sinkt der Auftrieb um ein Prozent.

Weil die Hitze die Triebwerksleistung reduziert, brauchen die Flugzeuge mehr Anlauf, um abzuheben. Das bedeutet entweder eine längere Rollbahn oder mehr Schub. Da in den wenigsten Fällen diese beiden Faktoren ad hoc geändert werden können, bietet sich alternativ nur an, mit weniger Gewicht abzuheben.

Airlines versuchen bei Hitze, mit weniger Treibstoff, Gepäck, aber auch Passagieren als ursprünglich geplant, zu fliegen. Eine Möglichkeit wäre, den Flug auf kühlere Tageszeiten zu verlegen. Das ist jedoch oft nicht möglich. Im Notfall müssen daher ein paar Reisende wieder aussteigen.