Wein und Architektur erleben
Unter dem Namen Via mosel’ wollen französische, luxemburgische und deutsche Winzer und Gemeinden, die Themen Wein und Architektur zusammenbringen.

Von Thomas Veigel
Architektur ist wieder ein Thema geworden im Weinbau. An der Mosel gibt es viele alte Weingüter mit prächtigen Gutsgebäuden, seit einigen Jahren kommen zahlreiche neue hinzu. Und weil nicht nur an der deutschen Mosel Wein angebaut wird, sondern auch in Luxemburg und in Frankreich, haben die drei Länder das gemeinsame Weinarchitektur-Projekt "Via mosel’" ins Leben gerufen. Für weinliebende Architekturfans gibt es viel zu sehen: 62 Weingüter wurden als architektonisch beachtenswert ausgewählt, 40 davon an der Saar und an der deutschen Mosel.
Über 1700 Jahre Kellergeschichte reicht die Spanne: Vom Stiftungsweingut Vereinigte Hospitien im Trier mit einem Keller der Römer aus dem frühen 4. Jahrhundert bis zum vor drei Jahren eröffneten, wuchtig modernistischen Gebäudeensemble des Weinguts Van Volxem in Wiltingen. Das großformatige, kubisch-modernistische Ensemble aus Vinotheks-Turm und Kellereigebäude hoch über der Saar zitiert ebenfalls die Vergangenheit: Es soll an die großen preußischen Staatsdomänen erinnern, die vor mehr als 100 Jahren an Saar, Mosel, Rhein und Nahe den Weinbau nach der Reblaus-Katastrophe nicht nur retteten, sondern zusammen mit einigen privaten Weingütern für einen enormen Aufschwung des deutschen Weins sorgten.
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Via mosel’ ist ein gemeinsames Weinarchitektur-Projekt von Deutschland, Luxemburg und Frankreich, den drei Mosel-Anrainern. Rund 60 Weingüter und 36 Weinorte aus Lothringen, Luxemburg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz wurden von
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Via mosel’ ist ein gemeinsames Weinarchitektur-Projekt von Deutschland, Luxemburg und Frankreich, den drei Mosel-Anrainern. Rund 60 Weingüter und 36 Weinorte aus Lothringen, Luxemburg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz wurden von einer Jury ausgewählt, als "herausragende Beispiele moderner und historischer Weinarchitektur ebenso wie vom Weinbau geprägte Ortsbilder." Im Internet bietet www.viamosel.com neben vielen anderen Informationen eine interaktive Karte der Mosel an, auf der man sich von Weingut zu Weingut und von Ort zu Ort klicken kann und dabei viel Wissenswertes erfahrt. Entlang der Mosel gibt es zahlreiche Möglichkeiten für Radfahrer und Wanderer. Eigens ausgebildete Via mosel’-Guides bieten geführte Wanderungen an. Empfehlenswert ist beispielsweise eine Tour mit Jutta Kannstein auf den Palmberg in Ahn mit anschließender Einkehr im Weingut von Jeff Konsbrück. Oder eine Führung durch Wintrange mit John Schlank mit einem Besuch in der guten Stube im Weingut Schumacher-Knepper.
Anreise: Am besten zu erreichen sind Koblenz, Trier, Luxemburg und Metz, so kann mit dem Startpunkt auch einen Schwerpunkt setzen. In einer Woche kann man sich einen guten Überblick verschaffen.
Essen & Trinken:Neben den Gourmet-Tempeln gibt es zahlreiche gute Bistros und Gasthäuser mit regionaler Küche. Genannt seien das Restaurant Bistro Quai in Grevenmacher, das Bistro Gourmand in Remerchen und die Domaine des Templiers in den Feldern vor dem Weinort Bruley, eine Auberge, die Produkte aus der Region sehr gut verarbeitet und zubereitet. Das Angebot an guten Gasthäusern und Hotels ist in allen drei Lindern groß.
Die Winzer hören es immer wieder gerne: Vor mehr als 100 Jahren kosteten die besten deutschen Rieslinge ein Mehrfaches der heute für Normalverdiener unerschwinglichen Top-Gewächse aus Bordeaux und dem Burgund. Mit der Qualität der Weine steigen heute auch die Preise für trockenen deutschen Riesling. Wer ausreichend Fläche in guten Lagen besitzt und eine entsprechende Menge Flaschen teuer verkauft, kann viel Geld verdienen. Das lockt auch finanzkräftige Investoren, die altehrwürdige Betriebe kaufen, renovieren oder neu bauen. Nicht nur heute wird von Weingutsbesitzern in Architektur investiert, schon vor mehr als 100 Jahren zeigten die reichen Winzer und Händler ihren Wohlstand auch durch anspruchsvolle Architektur. Ein Beispiel an der Mittelmosel ist die Villa Huesgen in Traben-Trarbach. Die Familie betreibt Weinbau und Weinhandel seit 1735, heute leitet Adolph Huesgen VIII. den Betrieb. Sein Urgroßvater ließ 1904 nach Entwürfen des Berliner Architekten Bruno Mähring eine Villa mit Park bauen. Das Gesamtkunstwerk – Möhring gestaltet auch die Innenräume der Villa – gilt als Juwel des Jugendstils.
Ein paar Kilometer flussaufwärts gelangt man zum Haus Klosterberg, dem Weingut von Markus Molitor. Für viele Experten ist er der beste Winzer der Mosel. Weinbau wurde zwar schon seit Generationen in seiner Familie betrieben, allerdings im kleinen Maßstab. Als 20-Jähriger hat er 1984 Haus Klosterberg gekauft und mit drei Hektar seine Winzerkarriere begonnen. Heute bewirtschaftet er über 100 Hektar in besten Lagen an Mosel und Saar.
Vor zehn Jahren hat Markus Molitor Haus Klosterberg kernsaniert. 2013 wurden Architekt und Bauherr mit dem Architekturpreis Wein ausgezeichnet. Eleganz zeichnet die saalartige Vinothek aus: Nur ein langer Tisch und Stühle stehen in dem Raum, Wände, Decken und Fenster sind weiß, der Boden belegt mit großformatigen hellen Steinplatten. Markus Molitor wollte diese gestalterische Reduktion - es hängt kein Bild an der Wand, nicht einmal eine Fußbodenleiste gibt es. "Hier geht es nur um Wein." Das Weingut, Restaurant und Hotel Longen-Schlöder aus Longuich wurde ebenfalls 2013 für die vom italienischen Architekten Matteo Thun geplanten, alten Weinbergshäuschen nachempfundenen Gebäude ausgezeichnet. Jedes der 20 Einzimmer-Gästehäuser aus Schiefer hat einen eigenen kleinen Garten.

Einen Architekturpreis Wein erhielt im vergangenen Jahr das Weingut Cantzheim in Kanzem an der Saar. Der Schweizer Architekt Max Dudler hat das barocke Gutsgebäude von 1740 umgebaut. Architektonischer Höhepunkt ist ein Neubau neben dem Gutsgebäude. Das Remise genannte Gebäude aus Stampfbeton beherbergt im Erdgeschoss die Kellerei und darüber zwei Gästewohnungen. Nicht nur das Material, mit dem schon die Römer bauten, auch die Form erinnert in ihrer schlichten Schönheit an archaische Grundformen des Bauens.
Bald nach der Mündung der Saar in die Mosel liegt am westlichen Flussufer Luxemburg. Landschaft und Geologie ändern sich, das Schiefergebirge endet und das Tal weitet sich, hier wachsen die Reben auf Muschelkalk und Keuper. Riesling ist nicht mehr die dominierende Rebsorte, auf nur 1300 Hektar bauen die Winzer mehr Müller-Thurgau, Auxerrois und Grauburgunder an. Bekannt ist Luxemburg bei Insidern für Crémant, der im Verfahren der Flaschengärung produziert wird.
Neben dem Schaumwein-Hersteller Bernard-Massard und der Genossenschaft Domaines Vinsmoselles gibt es in Luxemburg vor allem kleine, private Weingüter, die mit sehr guten Weinen, aber auch mit überraschender, charmanter oder besonderer Architektur aufwarten. Zum Beispiel Jeff Konsbrück in Ahn. Er hat sein Weingut mit Kellerei, Bar und Vinothek in die Landschaft des Palmbergs eingefügt. Durch die Lattenfassade des lang gestreckten Gebäudes schimmern grüne Wände - das passt zu den benachbarten Weinbergen.

Eine völlig andere Stilistik zeigt die Domaine Claude Bentz in Remich. Dort liegt ein kronenartig aufgebautes Blechdach auf einem Betonbau, der neben kleinen Büros und Wirtschaftsräumen großformatige Verkostungs- und Veranstaltungsräume bietet, die sich zum großen Garten hin öffnen. Die Domaine Schumacher-Knepper in Wintrange ist bekannt für Riesling. Martine Schumacher, die das Weingut mit ihrem Bruder Frank leitet, erzählt, wie sie mit einem modernen Kubusanbau der großen und der kleinen Stube ihrer Kindheit eine neue Form gegeben haben. Hier können Kunden Weine verkosten und kaufen.
Bevor sie in Luxemburg ankommt, hat die Mosel schon eine weite Strecke durch Frankreich zurückgelegt, sie kommt aus den Vogesen. Auch Lothringen hat eine lange Weintradition, vor 100 Jahren war die Rebfläche um ein Vielfaches höher als heute. Es tut sich aber wieder einiges im früheren Lieferanten von Grundweinen für die Sektherstellung in Deutschland. Das von Deutschen nach der Besetzung Lothringens 1875 gegründete Château de Vaux im gleichnamigen Ort gehört seit gut 20 Jahren einem ehemaligen freischaffenden Weinmacher und ist mit Kellerei und Vinothek in ein preußisches Kasernen-Kellereigebäude in Scy-Chazelles umgezogen. Eine Reise wert ist in Lothringen nicht nur Metz, auch kleinere Städte wie Toul oder die Ortschaft Bruley haben in Sachen Architektur, Wein und Gastronomie für Besucher viel zu bieten.
