Sehnsucht Vietnam

In Ho-Chi-Minh-Stadt erinnert vieles an den Kalten Krieg

Eine Ausstellung im Kriegsmuseum erinnert an die Zeit des furchtbaren Krieges mit über einer Million Toten.

26.02.2024 UPDATE: 26.02.2024 06:00 Uhr 3 Minuten, 46 Sekunden
Der lotusblütenförmige Bitexco Financial Tower ist ein Wahrzeichen von Ho-Chi-Minh-Stadt und beispielhaft für das Wetteifern der Metropolen Südostasiens. Foto: Getty

Von Christine Friedrich 

Binh Van zeigt lachend auf die Plattform des Bitexco Financial Towers: "Das wäre doch ein spektakulärer Hubschrauberlandeplatz im James-Bond-Film." Eine architektonische Meisterleistung in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon. Das Hochhaus ähnelt einer Lotosblume, dem Wahrzeichen Vietnams. Wenn man die Plattform, das Saigon Skydeck, im neunundvierzigsten Stock erreicht hat, genießt man einen einzigartigen Panoramablick über die Stadt am Fluss Song Sai Gon.

Die Auffahrt mit dem Fahrstuhl lohnt sich, auch wenn man dafür 200.000 vietnamesische Dong (umgerechnet 7,20 Euro) hinlegen muss. Obwohl die Handlung im Bond-Film "Der Morgen stirbt nie" von 1997 in Ho-Chi-Minh-Stadt spielt, durfte das Filmteam nicht dort drehen.

Kanufahren unter Palmen in einem Seitenarm des Flusses Song Sai Gon. Foto: Christine Friedrich

Die Metropolen Südostasiens wetteifern förmlich um das höchste Gebäude, das feinste Shoppingcenter, das beste Restaurant mit dem spektakulärsten Ausblick auf Häfen und Flüsse. In Ho-Chi-Minh-Stadt trifft spektakuläre Moderne auf den Flair der französischen Kolonialzeit. Das 1908 erbaute Rathaus ist auch unter dem Namen Hotel de Ville bekannt und erinnert mit seinen Arkaden an ein Kurhotel aus der Belle Epoche, wenn nicht die rote Fahne mit dem gelben Stern auf ihm wehen würde. Auf dem großen blumenumsäumten Platz vor dem Rathaus grüßt der Namensgeber der Stadt, Ho-Chi-Minh, die Bürger und Touristen.

Die Dong Khoi Straße, früher Rue Catinet, ist die Haupteinkaufsstraße und bietet heute viel Kunsthandwerk. Vor der Kathedrale Notre Dame, die in neoromanischen Stil erbaut wurden, steht eine Statue der Jungfrau Maria. Bevor wir zum Binh Tay Markt, dem chinesischen Medizinmarkt (ein unbedingtes Muss) schlendern, führt uns Gästeführer Binh Van zu den besten Suppenköchen der Stadt. Die Pho Ga sei hier die leckerste. Als wir ankommen, sind alle Tische am Straßenrand besetzt. Binh Van verhandelt und prompt haben wir einen Tisch.

Von meinem Platz aus kann ich in ein offenes Fenster in die Küche schauen und sehe wieder Koch das Hühnchen geschickt und schnell zerteilt. Es sind schmale gelbe Hühner, die der berühmten Hühnersuppe ihr Aroma geben. Hinzu kommen Kräuter wie Koriander, Ingwer und Chili. Man isst diese Delikatesse auch schon zum Frühstück, wahlweise mit Karotten oder anderem Gemüse, aber immer mit langen Nudeln.

Gut gestärkt geht es weiter zum Wiedervereinigungspalast. Auf dem Weg dorthin frage ich Binh Van, wo er so gut deutsch sprechen gelernt hat. Er erzählt von seiner Zeit in der DDR, als er Anfang der 80er-Jahre seine Lehre zum Facharbeiter in einem DDR-Kombinat für Kühlschränke absolviert hat. Vietnam war zerbombt, seine Eltern gestorben und wo sollte er hin? Dass er jetzt deutsche Touristen durch seine friedliche Heimat führen kann, das sieht er mit großer Dankbarkeit. Er zeigt uns den Palast der Wiedervereinigung, den früheren Regierungspalast und den Panzer aus Nordvietnam, der den Zaun überwand und bewies, dass Nord- und Südvietnam zusammen gehören.

Hintergrund

Infos: 

Anreise: Flüge gibt es ab Frankfurt mit Lufthansa über Singapur, weiter mit Vietnam Airlines in 16 Stunden ab 567 Euro für Hin- und Rückflug. Der Flughafen Ho-Chi-Minh-Stadt ist nur 8 Km von der City entfernt.

Unterkunft: Im zentral

[+] Lesen Sie mehr

Infos: 

Anreise: Flüge gibt es ab Frankfurt mit Lufthansa über Singapur, weiter mit Vietnam Airlines in 16 Stunden ab 567 Euro für Hin- und Rückflug. Der Flughafen Ho-Chi-Minh-Stadt ist nur 8 Km von der City entfernt.

Unterkunft: Im zentral gelegenen Liberty Hotel Saigon Park View zahlt man 38 Euro für ein Doppelzimmer inklusive Frühstück auf der Dachterrasse mit Blick über den Park und die Stadt.

Essen & Trinken: Überall in der Stadt gibt es Restaurants und auch in den Garküchen kann man für wenig Geld leckere Speisen essen, unbedingt probieren sollte man die Hühnersuppe: Pho Ga und den Igelfisch, eine Delikatesse. Zu empfehlen ist auch das schmackhafte Saigon-Bier.

Ausflugstipps: Ins Mekong-Delta mit einem kleinen Boot auf einem der Nebenarme durch tropische Palmenhaine zu den Bauerngärten, den Bienenzüchtern und zur Kokosnussfarm mit Kostproben tropischer Früchte, Honig und Kokoskonfekt.

[-] Weniger anzeigen

Ich kann mich an die Bilder des Krieges gut erinnern, sie prägten mich sehr. Als Kind, aufgewachsen in der DDR, stand ich in der Vorweihnachtszeit zum Benefizkonzert auf der Bühne unserer großen Aula der Jugendstil-Schule in Havelberg und wir sangen "Tung ring ring" das vietnamesische Laternenlied. Wir sammelten Spenden für das vom Bombenhagel und Leid geplagte Land. Seither habe ich ein Fernweh, eine Sehnsucht, Land und Leute kennenzulernen. Und endlich bin ich in Vietnam.

Ho-Chi-Minh-Stadt umgibt uns mit großer Gastfreundlichkeit und geradezu überquellender Lebendigkeit. Ob Ho-Chi-Minh-Stadt oder Saigon, das ist den Menschen hier egal, man liest beide Namen. Binh Van erzählt mit Stolz vom Frieden und von der rasanten Entwicklung seiner Stadt. Eine Ausstellung im Kriegsmuseum erinnert mit berührenden Fotos, Statistiken und Originalen an die Zeit des furchtbaren Krieges mit über einer Million Toten. Ich finde Plakate mit dem Aufruf zur Solidarität mit Vietnam wieder, die ich aus meiner Kindheit kannte. Die ehemaligen Verhandlungsräume bieten mit den Original-Telefonen und Fotos von John F. Kennedy und Henry Kissinger einen beeindruckenden Einblick in die Zeit. Die Ausstellung versteht sich auch als Hommage an die Soldaten, Männer, Frauen, Kinder und Fotografen aus aller Welt, welche im Vietnamkrieg ihr Leben ließen. Unterstützt wurde das Museum unter anderem von amerikanischen Stiftungen und United Airlines.

Ein halbes Jahrhundert nach dem Krieg pulsiert das Leben im ehemaligen Saigon. Tausende Motorroller, meist elektrobetrieben, ringen auf den Straßen um jede Lücke im Verkehr. Es scheint, als ob alles hier mit dem Roller transportiert wird. Waren aller Art hängen am Lenker, Kleinkinder ohne Helm sitzen vorne bei den Eltern. Diese sind oft mit Flipflops auf ihren fahrbaren Untersätzen unterwegs. Unglaublich, wie einige wenige Fußgänger einzeln die sechsspurige, dicht befahrene Straße überqueren. Ein Mann geht einfach schnurstracks durch die fahrenden Motorroller hindurch, die wie riesige Fischschwärme um ihn herum fahren.

"Man muss nur das Schritttempo halten, darf nicht stehen bleiben und nicht rennen, dann funktioniert das auch", sagt Binh Van. Die Rollerfahrer sind das gewöhnt. Stolz erzählt Binh Van vom Bau der neuen Metro, deren erste Linie 2024 fertiggestellt werden soll. Bisher gibt es in Ho-Chi-Minh-Stadt nur wenig öffentlichen Nahverkehr durch Busse. Die sechs Linien der U-Bahn sollen jedoch den Verkehr entlasten. Vietnam hat sich auch mit dem raschen Ausbau erneuerbarer Energien bis 2050 ambitionierte Ziele gesteckt und wird dabei auch von Deutschland unterstützt.

Wer sich auf den Weg zum Mekong-Delta macht, um in eines der Boote zu steigen, wird auf dem riesigen Hauptarm des Flusses die Ocean-Cleanup entdecken, ein Schiff, welches den Fluss säubert. Mit seinen neun Seitenarmen fliest der mächtige Strom in das Südchinesische Meer. Eine Bootstour auf einem der kleinen Nebenarme des Mekong gehört zu den Highlights einer Vietnamreise. Im Zauber des tropischen Vietnams schaukelt man durch üppige Palmenhaine.

Den Touristen bietet die Stadt ein buntes Treiben mit nach Räucherkerzen duftenden Tempeln, quirligen Märkten, atemberaubenden Wolkenkratzern und lebensfrohen Menschen, die ihren Tag mit Pho Ga und Joga im Freien beginnen und den Abend am Saigon-River oder mit den Leckereien aus einer der kleinen Garküchen ausklingen lassen. Es macht den Eindruck, das ganze Leben spiele sich hier draußen ab.

Auch wenn James Bond niemals hier war, so ist ein Besuch in Ho-Chi-Minh-Stadt eine Bereicherung mit unvergesslichen Momenten.