Jugendherberge mit Wellnessbetrieb
Warum der Aufenthalt in einer Schweizer Jugendherberge gerade bei schlechtem Ski-Wetter Spaß macht

Von Geraldine Friedrich
Mama, lass mich mal", sagt der neunjährige Sohn und hält das Armband samt Mikrochip vor das Schloss. Ein kurzes Surren und die Tür zum Familienzimmer öffnet sich. Das Stockbett ist da, das Doppelbett für die Eltern auch, es gibt auch keinen Fernseher, aber damit hat es sich auch mit dem, was man sich unter Jugendherberge vorstellt. Das eigene Bad, bestehend aus einer komplett apfelgrünen Dusche und einer ebenso apfelgrünen Toilette, kommt modern daher, ebenso die schicken Lampen und Tapeten. Der Knaller folgt jedoch am nächsten Tag: Nachdem die Eltern den Nachwuchs ausreichend im Hallenbad mit Rutsche und 25-Meter-Becken bespaßt haben, locken nur zehn Sekunden entfernt Sauna und Dampfbad.
Hintergrund
Anreise: Mit dem Auto ab Heidelberg in etwa fünfeinhalb Stunden. Die Vignette für Schweizer Autobahnen kostet 40 CHF (etwa 36 Euro) und ist beim Grenzübergang am Zoll erhältlich.
Übernachten: Das Wellnesshostel 4000 liegt am Ortseingang. Da Saas-Fee autofrei ist,
Anreise: Mit dem Auto ab Heidelberg in etwa fünfeinhalb Stunden. Die Vignette für Schweizer Autobahnen kostet 40 CHF (etwa 36 Euro) und ist beim Grenzübergang am Zoll erhältlich.
Übernachten: Das Wellnesshostel 4000 liegt am Ortseingang. Da Saas-Fee autofrei ist, fallen 14 CHF (13 Euro) pro Tag für die Tiefgarage an. Familienzimmer/ HP für 2 Erwachsene und 1 Kind pro Nacht zwischen 6 und,12 Jahren ab etwa 255 CHF (236 Euro). Hallenbad und WLAN sind stets inklusive, Wellness und Sauna, sofern es sich um den Tarif Erlebnis4000plus handelt. Außerhalb der Ferien günstige Pauschalen mit Wellness und/oder Skipass. https://www.youthhostel.ch/de/hostels/saas-fee-wellness-hostel-4000/
Sehenswert: 1. Das Saaser Museum bietet einen Blick in das Leben der Bergbauern (Eintritt 6 CHF/5,50 Euro) https://www.saas-fee.ch/de/kultur-brauchtum/saaser-museum 2. Das Drehrestaurant Allalin bietet ein tolles Bergpanorama und ist auch für Nicht-Skifahrer interessant https://www.saas-fee.ch/de/kulinarik/bergrestaurants/drehrestaurant-allalin
Essen & Trinken: Familien fahren günstig mit der Halbpension. Neben kinderaffinen Essen wie Bolognese gibt es auch Raclette. Das Restaurant "Zur Schäferstube" bietet gutbürgerliche Schweizer Küche, darunter natürlich auch Rösti, Raclette und Fondue www.schaeferstube.ch/
Covid19-Lage: Im Moment sind in der Schweiz Restaurants, Wellnessbereiche und Skilifte geschlossen oder nur eingeschränkt verfügbar. Bitte checken Sie vor einer Reise die Lage auf www.myswitzerland.com/de-de/microsites/de/coronasituation/
Weitere Infos www.myswitzerland.com, www.saas-fee.ch
Den etwa sechs Millionen Euro teuren Wellnessbereich hat die Gemeinde Saas-Fee finanziert: Auf rund 600 Quadratmetern verteilen sich eine große Bio-Sauna und eine Finnensauna, beide mit Panoramafenstern auf die umliegenden 4000er und die Schlucht in die Saaservispa, dem Fluss. Dazwischen viel Raum mit einem beheizten Nabelstein und Fußbecken. In einer Nische befindet sich in einem Holzbottich ein Whirlpool. Dampfbad und verschiedene Duschen befinden sich im inneren, schummrigen Teil des Areals. Fazit: Hier hat sich jemand getraut nach dem Motto "weniger ist mehr" ein reduziertes Angebot an Saunen flächenmäßig geradezu verschwenderisch umzusetzen. Tipp: Nach der Sauna statt kalter Dusche sich vom Eisnebel besprühen lassen.
Die Jugendherberge ist nach eigenen Angaben weltweit die erste mit Wellnessbetrieb und zudem "der erste fünfgeschossige Holzbau der Schweiz". Das mit dem Holz erschließt sich Besuchern erst auf den zweiten Blick. Die Jugi steht neben mehreren denkmalgeschützten Stadel, in denen früher das berühmte Walliser Roggenbrot trocknete. Die Architektur der Herberge lehnt sich daher bewusst an die Bauweise dieser Holzstadel an. Doch nicht alle Einheimischen waren von der Idee begeistert, dass eine Jugendherberge nach Saas-Fee kommt.
Mittlerweile habe sich das laut Chantal Anthamatten, Betriebsleiterin des Wellnesshostel 4000, geändert: "Wir bringen Leute nach Saas-Fee, die vorher nicht hierher gefahren sind." Die 56-jährige stammt aus Saas-Fee, leitete dort lange Zeit mit ihrem Mann das Hotel Ferienart und kennt daher das lokale Tourismusgeschäft.

Natürlich fährt keiner wegen einer Jugendherberge in das enge Tal der Walliser Alpen. Saas-Fee gehört neben Zermatt zu den Ski-Gebieten, in denen man oft noch in den Osterferien die Gletscher der Viertausender hinausbrausen kann. Doch bei schlechtem Wetter macht sich das Hostel mit Bad und Saunen bezahlt. So bleiben aufgrund von Wind, Schneefall und der damit verbundenen Lawinengefahr die Gondeln und Lifte an zwei von drei Tagen gesperrt. Am einzigen Tag, an denen Skifahren möglich ist, herrscht an der Station Felskinn auf 3000 Metern dicker Nebel mit einer Sichtweite von unter fünf Metern. Die Markierungen sind zwar gesetzt, doch trotzdem bleiben die Pisten an dieser Stelle schmal. Als Skianfänger verzichtet man besser. Und so sieht Mama Geraldine auf 3000 Metern Mann und Sohn mit mulmigem Gefühl im Nebel entschwinden. Die Wetterbedingungen sollte man auf solchen Höhen nicht unterschätzen: Was im Tal noch okay scheint, wirkt auf den engen Pisten auf 4000 Metern Höhe ganz anders.

Noch heute sind die Einwohner von den Naturgewalten abhängig. Zwar schützen Gitter und eine Mauer den Ort vor Lawinen. Doch selbst im Ortszentrum finden sich Häuser, die vor langer Zeit von Schneemassen einst zerstört und wieder aufgebaut wurden. Eine Lawine erlebte Thomas Kalbermatten, 68, pensionierter Leiter des Saaser Museums, hautnah mit. Am 16. Dezember 1981 begrub eine Lawine das Elternhaus des damals 29-jährigen. Alle vier Familienmitglieder wurden gerettet, doch am längsten blieb die Mutter verschüttet. Sieben Stunden herrschte Ungewissheit, ein Stück Mauer, welches über ihr Bett gekippt war und einen Hohlraum schaffte, verhalf Rosa Kalbermatten zu überleben.
Thomas Kalbermatten zeigt in seinem Wohnzimmer Fotos des mit Schnee verschütteten Elternhauses und einen Dankesbrief, den die Familie an alle schrieb, die bei der Rettung halfen und die Überlebenden mit Kleidern und Unterkunft versorgten. Und wie um diese Geschichte zu belegen, fliegen genau an diesem Tag Helikopter über Saas-Fee. Am Vortag hat es heftig geschneit und gewindet, nun folgt Sonnenschein, und genau das ist eine gefährliche Kombination. Im Minutentakt knallt es, die Lawinen werden mit Sprengsätzen gelöst, die Schneezunge einer Lawine arbeitet sich so weit ins Tal hinab, dass sie vom Fenster der Jugendherberge gut zu erkennen ist.
Kalbermatten führt jeden Dienstag durch den Ort. Museum und Rundgang bieten eine Reise durch Zeiten, in denen auch Kinder hart arbeiten mussten, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Der neunjährige Sohn bleibt im Saaser Museum vor einem Foto stehen und zeigt auf das Bild: Zu sehen sind ein dünnes Mädchen und zwei Jungen mit Körben auf dem Rücken, deren Inhalt sie deutlich überragt: "Mama, was tragen die da in den Körben?" Es sind Eisblöcke vom Fee-Gletscher, die die vielleicht zehn, zwölf Jahre alten Kinder in das Dorf getragen haben. Kalbermatten: "Die Kinder hatten eine harte Jugend."
Heute ermöglicht der Gletscher fast ganzjährig Skisport, dessen Schweizer Wiege übrigens ebenfalls in Saas-Fee liegt. Ein Pfarrer namens Johann Josef Imseng schnallte sich am 20. Dezember 1849 in Saas-Fee mit Riemen und Schnüren zwei Bretter unter die Füße, um einem Sterbenden im tiefer gelegenen Saas-Grund die letzte Ölung zu erteilen. Während die Skandinavier Skier bereits nutzten, gilt diese schicksalsträchtige Abfahrt als erste Skiabfahrt der Schweiz – und als der Startschuss für den Skitourismus, der Dörfern wie Saas-Fee den Wohlstand brachte.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an