Kleine Flussradwege zwischen Nordsee und Zugspitze
Radrouten an der Elbe, Rhein, Donau, Weser & Co. sind beliebt. Aber wer kennt schon Lenne oder Oste, Innerste oder Nidda?

Von Armin Herb
Die aktuelle Radreise-Analyse des ADFC hat es bestätigt: Deutschland ist ein Radreiseland. 38 Millionen Deutsche haben 2022 mindestens einen Tagesausflug mit dem Rad unternommen. Die meisten tummelten sich jedoch auf den komfortablen Routen an den großen Flüssen wie Weser, Elbe, Rhein und Main. Da Deutschland jedoch ein schier endloses Wegenetz bietet, gibt es für die meisten Radler noch einige Routen an weniger bekannten Flüssen zu entdecken.
Von der Zugspitze bis zur Isar
Am idyllischen Weißensee direkt an der alten Römerstraße Via Claudia Augusta geht’s los. Rundherum erheben sich die Felsmassive der Zweitausender, wie Grubigstein und Wannig. Richtung Norden stemmen sich Daniel und das wuchtige Zugspitzmassiv in den Horizont. Eine großartige Alpen-Szenerie, nicht nur für Insta-Fans. Tirol und Oberbayern, wie man es sich wünscht. Und der Clou: Der Loisach-Radweg hat keine schweißtreibenden Steigungen, höchstens mal ein paar vom Regen ausgewaschene Wegabschnitte am Flussufer. Zuerst geht es durch den Bergwald nach Garmisch-Partenkirchen. Dann weitet sich das Flusstal bis man bei Ohlstadt das Alpenvorland erreicht. Am Kochelsee lohnt sich ein Besuch des Franz-Marc-Museums mit den Werken des Blauen Reiters. Wenige Kilometer weiter stoppen viele Radler gerne im Klosterhof von Benediktbeuern. Nach etwas mehr als hundert Kilometer durch Wiesen, Weiden und schöne Bauerndörfer mündet in Wolfratshausen die Loisach in die Isar – und der Loisach-Radweg in den Isarradweg, wer dann noch weiter will.
Vom Oberharz ins Leinetal
Das Flüsschen Innerste entspringt im Oberharz unweit der Bergwerkstadt Clausthal-Zellerfeld, wo auch Deutschlands größte Holzkirche steht. Neben prächtigen Gotteshäusern und Schlössern führt die kleine Flussroute (Innerste-Radweg) auf den gut 100 Kilometern gleich zu vier Welterbe-Stätten: zur Oberharzer Wasserwirtschaft mit seinen unzähligen Teichen und Wasserläufen, zum Bergwerk Rammelsberg und zur Altstadt von Goslar sowie zum Dom in Hildesheim. Rund die Hälfte der Strecke verläuft idyllisch in oder an Naturschutzgebieten mit reicher Flora und Fauna, von Eisvogel bis Graureiher. Zwischen Wildemann und Langelsheim rollt man gemütlich auf einem ehemaligen Bahndamm.
Von der Vils an den Inn
Das Rottal gilt als das Herz des niederbayerischen Hügellandes. Der Fluss Rott ist jedoch nicht sonderlich lang, nur rund 100 Kilometer. Der begleitende Rottal Radweg (115 km) von Velden an der Vils bis Neuhaus am Inn erweist sich als genau richtig für eine sportliche E-Bike-Tour oder eine genüssliche Zwei-Tage-Reise. Wer nicht im Bäderdreieck losradeln möchte, der nimmt zuerst die Rottalbahn (kostenfreie Rad-Mitnahme) von Bad Birnbach oder Karpfham nach Neumarkt St. Veit, dem "Tor zum Rottal". Eifrige fahren von hier mit dem Rad weiter zum Ausgangspunkt in Velden beziehungsweise zur Rottquelle, andere kürzen etwas ab und beginnen gleich in Neumarkt St. Veit ihre Tour Richtung Osten. Die Landwirtschaft prägt bis heute das liebliche Flusstal. Besonders ins Auge fallen die großen Rottaler Vierseithöfe. Schön zu entdecken ist diese bäuerliche Architektur und Kultur im Massinger Bauernhofmuseum. Zu den weiteren Highlights zählen die Städte mit historischer Inn-Salzach-Bauweise. Gemeint sind damit vor allem die schmucken Fassaden der Bürgerhäuser an den Stadtplätzen zum Beispiel in Eggenfelden und Pfarrkirchen. Einen Besuch wert sind zudem das Wasserschloss Schönau und am Radweg-Ende das Schloss Neuhaus am Inn.

Zwischen den Meeren
Der Wind ist an der Küste, wie auch im Binnenland Schleswig-Holsteins allgegenwärtig, also auch an den drei Flüssen Eider, Treene und Sorge. Weil man auf dieser Rundtour mit reichlich Gegenwind rechnen muss, ist ein E-Bike die komfortablere Alternative. Über Tönning und in St. Peter-Ording gleitet man entspannt Richtung Westerhever. Über Eiderstedt – eine norddeutsche Bilderbuchlandschaft – sagt man, hier würden mehr Schafe und Kühe leben als Menschen. Nur ein paar Pedalumdrehungen von der Touristenattraktion Leuchtturm Westerheversand entfernt, geht es wieder durch sattgrüne Wiesen und Weideflächen in Richtung Husum. Von Husum aus zeigt man der Nordsee das Hinterrad und fährt hinein ins grüne Binnenland. Ein Tipp: noch einen Cappuccino oder Pharisäer trinken im pittoresken, aber überlaufenen Friedrichstadt, ehe es endgültig hinein geht in die ländliche Idylle Schleswig-Holsteins. Man kurbelt durch verschlafene Dörfer mit den typischen reetgedeckten Häusern, vorbei an Storchennestern hinüber ins Naturschutzgebiet Hohner See. Nach dem Übersetzen über die Eider ist man in Dithmarschen. Zwischen den schier endlosen Weideflächen schimmert ab und zu ein Kohlfeld hervor. Und weil sie so stolz auf ihr Gemüse sind, haben sie in Dithmarschen sogar die Deutsche Kohlstraße eingerichtet. Die gut ausgeschilderte Eider-Treene-Sorge-Radroute im grünen Binnenland zwischen Nord- und Ostsee führt 240 Kilometer lang überwiegend über kleine Landstraßen, asphaltierte Feldwege und streckenweise rumpelige Plattenwege. Steigungen gibt es so gut wie keine.
Von der Nordheide bis zur Elbe
Der "Erfinder" des Oste-Radweges Klaus Feldmann nannte seine Strecke die Seelenbaumelroute. In der Tat geht es von der Quelle des längsten Nebenflusses der Niederelbe recht ruhig und beschaulich Richtung Norden. Die meist flache, 145 Kilometer lange Radroute auf Deich- und Feldwegen durchquert Moor-, Geest- und Marschgebiete, die durch Eiszeiten geprägt wurden, führt vorbei an kleinen niedersächsischen Dörfern. Ein Highlight sind die Fähren aller Art, die den Fluss überqueren, vor allem die nicht alltägliche Schwebefähre von Hemmoor-Osten. Ein Tipp für kulinarische Entdeckungen: Unbedingt mal den Oste-Aal probieren und an einem Stinteessen teilnehmen. Die Stinte ist ein kleiner, lachsartiger Fisch, der vor allem an der Niederelbe vorkommt.
Von Winterberg bis zur Ruhr
Am Kahlen Asten bei Winterberg beginnt unsere Mittelgebirgstour quer durchs Sauerland. Tiefgrüne Wälder, romantische Wiesentäler und kleine Fachwerkdörfer bilden zu Beginn die Kulisse. Ab und zu thront eine Burg oder ein Schloss am Berg. Historische Fabrikanlagen und Museen, wie in Maste-Barendorf und Holthausen, geben Einblick in die Industriegeschichte und den Bergbau der Region. Gegen Ende der 144 Kilometer langen Route führt der Lenne-Radweg vermehrt durch Städte und der Tourenradler bekommt einen Eindruck vom Leben im Ruhrgebiet. Für Erholung sorgt dann schließlich wieder das letzte Stück der Route. Auf ruhigen gut beschilderten Wegen, abseits vom städtischen Treiben, erreicht man die Mündung der Lenne in die Ruhr. Der Großteil der Lenneroute ist asphaltiert. Die wenigen Abschnitte auf unbefestigten Wald-, Feld- und Uferwegen lassen sich gut meistern. Allerdings muss man auf kurzen Teilstrecken auf die Landstraße ausweichen.
Vom Vogelsberg bis zum Main
Mal wird die knapp 100 Kilometer lange Strecke als Niddaroute, dann als Niddaradweg oder auch Nidda-Uferweg bezeichnet. Es ist aber immer dieselbe Route gemeint, die gut ausgeschildert in Flussnähe von Schotten nach Höchst führt. Der Radweg führt durch so unterschiedliche Landschaftsräume wie den wald- und wasserreichen Hohen Vogelsberg, den Unteren Vogelsberg mit Hecken und Streuobstweisen, die Wetterau mit Äckern und Auen und schließlich in die Rhein-Main-Ebene, heute einer der dicht besiedeltsten Kulturräume Mitteleuropas. Viel Charme besitzen die Orte am Radweg, wie Staden und Bad Salzhausen, das kleinste Staatsbad Hessens. Typische Fachwerkarchitektur schmückt die Zentren von Nidda und Schotten. Und an der Wörthspitze, wo die Nidda in den Main mündet, überspannt eine Bogenbrücke den Fluss, dümpeln Hausboote im Wasser, und es lädt die Höchster Altstadt zu einer Besichtigung, nicht zu vergessen eine Einkehr bei typischem Äppelwoi und Handkäs.