Gagat aus Gilleleje
Das waldreiche Gebiet nördlich von Kopenhagen punktet mit Strand, Geschichte und Nähe zur Hauptstadt. Mancher findet sogar schwarzen Bernstein

Von Geraldine Friedrich
Wo ist er denn nun, der Strand? Vom Ferienhaus am Fischerort Gilleleje ist es zunächst gar nicht so einfach, das 250 Meter entfernte Meer zu finden. Bis zur Küste reichen die Wälder. Beim Radeln durch bewaldetes Gebiet finden sich dann aber doch die Pfade und Treppen, die von der etwa zehn Meter hohen Küste zum ersehnten Meeressaum führen.
Bei der Reiseplanung mit Familie müssen allerlei Interessen berücksichtigt und erfüllt werden: Erholung und Kultur für die Eltern, dem Sohn würde – natürlich – ein funktionierendes W-Lan genügen, aber am Meer findet er es dann doch auch nicht so schlecht. Steine hüpfen lassen, Überreste von Schalentieren sammeln, am Meer radeln und Stand-up-Paddling – das geht auch für Dreizehnjährige. Gilleleje, ausgesprochen "Gillelaaaije", ist so ein Ort. Er liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Kopenhagen und ist der nördlichste Punkt der dänischen Insel Seeland. Der 68 Kilometer lange Nordkystruten, also Nordküsten-Radweg, führt direkt durch Gilleleje, teilweise am Meer entlang. Das Fischerdorf mit rund 7000 Einwohnern liegt bereits am Kattegatt und nur wenige Kilometer Luftlinie von Südschweden entfernt. Die schwedischen Ortschaften wie Höganäs und Viken sind gut erkennbar.

Die erste Lektion beim Stand-up-Paddling lautet daher: zu viel Wind landauswärts ist schlecht oder wie Vicky Nielsen, Inhaberin des Fahrrad- und Paddle-Verleihs in Gilleleje, es formuliert: "Ich möchte nicht, dass ihr in Schweden landet." Das Wasser ist Anfang September frisch, doch Tim und sein Vater stellen sich gut an. Erst auf Knien, später aufrecht, paddelt die gesamte Familie parallel zum Ufer – bis dann alle letzten Endes doch im Wasser landen.
Die Nähe zu Südschweden ist auch der Grund, warum Gilleleje während des Zweiten Weltkriegs als einer der wichtigsten Fluchtpunkte für dänische Juden nach Schweden fungierte: In den ersten Oktobertagen 1943 schmuggelten Fischer auf ihren Kuttern und Schiffen rund 7000 Menschen aus dem von Deutschland besetzten Dänemark über den Öresund in das freie Nachbarland. Das Gilleleje-Museum zeigt die Fluchtrouten und ein nachgebautes Fluchtschiff. Eine Skulptur mit Blick auf den Kattegatt, direkt am Radweg gelegen, erinnert an die spektakuläre Fluchthilfe, die die lokale Bevölkerung leistete, und an diejenigen, denen die Flucht nicht gelungen ist.

Nur fünfzehn bis dreißig Autominuten landeinwärts findet sich das waldreiche, königliche Hinterland Kopenhagens. Als da wären die Schlösser Fredensborg und Frederiksborg. Die Namen klingen ähnlich, die Bauten sind es aber nicht. Frederiksborg liegt in Hillerød, einer Gemeinde im Speckgürtel Kopenhagens. Es beheimatet die geballte Historie Dänemarks und liegt idyllisch an einem kleinen See. Mit Kind schippert man am besten mit der kleinen Fähre ab Hillerøds Fußgängerzone in wenigen Minuten zum Schloss.
Hintergrund
Museum Louisiana Erw. ca. 20 Euro, Kinder bis unter 18 frei; www.louisiana.dk
Virtuelle Reise per VR-Brille durch die Geschichte des Klosters Esrum; www.esrum.dk
> Tipp: Die Copenhagen-Card Discover enthält neben den öffentlichen Nahverkehrsmitteln in Kopenhagen auch die Zugfahrt ab Gilleleje (hin und zurück etwa 25 Euro), das Auto kann man vor dem Bahnhof kostenlos parken. Allein das Experimentarium kostet für Erwachsene und ab Zwölfjährige bereits 29 Euro Eintritt. Zugfahrt plus Eintritt ins Experimentarium liegen also schon bei 54 Euro, sodass Erwachsene die Kosten für die Card von 62 Euro schon fast abgedeckt haben, für einen Dreizehnjährigen lohnt die Junior Card für 34 Euro also umso mehr. > Weitere Infos: www.visitdenmark.de; www.visitnordseeland.deFredensborg ist heute noch die Residenz der dänischen Königsfamilie und liegt samt weitläufigem Park am Esrum-See. "Jeden Tag um 12 Uhr erscheint die Königin, um ihrem Volk zu winken", erklärt ein vorbeigehender Däne. Und tatsächlich versammeln sich einige Dutzend Menschen vor dem Schloss, um dann einer weit entfernt stehenden gelb gekleideten Frau mit Hund zu huldigen. Damit können Mann und Sohn so gar nichts anfangen. Das Museum Lousiana samt Moderner Kunst kommt deutlich besser an. Es liegt direkt am Öresund. Viel Glas geben im Gebäude die Sicht auf das Meer frei. Ein großer Park verbindet die verschiedenen Gebäude, sodass sich Kinder zwischen den einzelnen Ausstellungen im Garten austoben können. Eine begehbare Kunstinstallation mit Lichteffekten von Yakoi Kusama, bei der man aufpassen muss, wo man hintritt. Sonst wird’s feucht in den Schuhen.
Auch Kopenhagen lässt sich ab Gilleleje in eineinhalb Stunden per Zug erreichen. Der Hit ist das Experimentarium im Ortsteil Hellerup, das ausschließlich auf Mitmachen und Ausprobieren angelegt ist: Wasserstoff per Handkurbel erzeugen und dann mit lautem Knall verpuffen lassen oder sich selbst in eine Ganzkörper-Seifenblase verpacken, heißt es hier. Danach steht ein Besuch der unterirdischen Zisternen mit Kunstinstallationen an. In dem ehemaligen Wasser-Reservoir geht man auf schmalen Betonwegen, rechts und links steht immer noch das Wasser, wenn auch nicht tief. Die Zisternen liegen inmitten des Parks Søndermarken, nur wenige Gehminuten entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich der Zoo.
Beim letzten Meeresspaziergang entdeckt der Vater dann einen pflaumengroßen Gagat – auch schwarzer Bernstein genannt. Viele halten die Steine für Kohle und lassen sie liegen. Dieses Erinnerungsstück wandert jedoch in den Familienschatz. Zu klassischen Bernsteinen aus einem anderen Dänemark-Urlaub.