Die Vorzeige-Fachwerkstadt
Zum 250. Todestag von Königin Caroline Mathilde gibt es in Celle viel Programm und kulinarische Genussmomente.

Von Kurt Sohnemann
Voll besetzt sind die 300 Plätze im Schlosstheater Celle, als der Vorhang zum Stück "Die Königin und der Besuch des Leibarztes" fällt. Das Ensemble entführt die Gäste in die Zeit, als sich die dänisch-norwegische Königin Caroline Mathilde von ihrem geistig erkrankten Mann und König Christian VII. entfernte. Die Nähe zu ihrem Arzt führte zu einem unehelichen Kind und letztlich dazu, dass sie auf das Celler Schloss verbannt wurde.
Als Sitz der Welfen war es den Königshäusern in England und Dänemark 1772 für die Unterbringung der jetzt geschiedenen Monarchin gerade recht. Die Geschichte festigte nicht nur die Bedeutung des Schlosses Celle vor jetzt 250 Jahren, als Caroline Mathilde im Alter von nur 24 Jahren dort an Scharlach starb. Die Königin hatte in ihrem Exil auch dafür gesorgt, dass das vernachlässigte Schlosstheater umgestaltet in eine neue Ära ging. Auch das Theater feiert in diesem Jahr sein 350. Jubiläum. Selbstverständlich bleibt das Stück um Königin Caroline Mathilde und Leibarzt Johann Friedrich Struensee im Spielplan. Eine umfassende Ausstellung wird vom 10. Mai bis zum 12. Oktober mit bedeutenden Gegenständen und Bildern auf die Zeit des englischen Königshauses und der Welfen in Celle hinweisen.
Hintergrund
Infos:
Anreise: Celle ist gut per Bahn zu erreichen (ICE-Haltestelle an der Strecke Hannover-Hamburg). Wer Celle mit dem Auto besucht, kann ab der A 7 die B 214 oder die B 3 ab Hannover befahren.
Unterkunft:
Infos:
Anreise: Celle ist gut per Bahn zu erreichen (ICE-Haltestelle an der Strecke Hannover-Hamburg). Wer Celle mit dem Auto besucht, kann ab der A 7 die B 214 oder die B 3 ab Hannover befahren.
Unterkunft: Als Hotels bietet sich eine breite Palette an, die vom Fürstenhof über das Caroline-Mathilde bis hin zum IntercityHotel reichen. Auch kann ein breites Airbnb-Angebot genutzt werden.
Essen und Trinken: Thaers Wirtshaus (Thaerplatz), Bierakademie (Weißer Wall), dif-fe-rent (moderne Bar am Brandplatz).
Besonderheiten: Außer der Feierlichkeiten zum Schlosstheater und dem Sterbetag der Königin Caroline Mathilde wird die Stadt Celle zur Heideblüte (August bis Oktober) von Tausenden Menschen besucht.
Weitere Infos: www.celle.de/tourismus
Protagonistin Caroline Mathilde, die zu ihrer Zeit des skandalösen Verhaltens bezichtigt wurde, spielt darin natürlich die Hauptrolle. Bis 1960 wurde ihre Affäre zu Struensee übrigens vom dänischen Königshaus geheim gehalten. Für die Ausstellung konnte das Residenzmuseum um Juliane Schmieglitz-Otten viele Relikte aus Kopenhagen ausleihen. Zum großen Teil aus einer privaten Sammlung.
Erst im Laufe der vergangenen 300 Jahre wurde das Schloss in der niedersächsischen Fachwerkstadt zu dem geschlossenen Ensemble ausgebaut, in der es heute als eine Einheit im Zentrum der Stadt die Blicke auf sich zieht. Nicht unwesentlichen Anteil an der Wahl Celles zur grünsten Stadt Niedersachsens im Jahre 2024 hat der großzügige Schlosspark, der das Bauwerk samt Graben umgibt. Gemeinsam mit anderen Parks wie dem Französischen Garten bietet die 70.000-Einwohner-Kreisstadt ein Ensemble aus historischer Baukunst und landschaftlicher Schönheit.
Den Stadtplanern ist es zudem gelungen, die Innenstadt weitgehend autofrei zu halten, sodass die Besucher ungestörte Eindrücke vom dichtesten Fachwerkensemble der Welt sammeln können. Da Celle nicht von den beiden Weltkriegen in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist ein historisches Baukunsterbe aus mehr als 700 Jahren erhalten geblieben. Die Mischung aus Gotik, Barock und Renaissance ist durch zweckmäßigen Pragmatismus ergänzt worden. Dabei hat die Stadt an der Aller ihren einzigartigen Charme bewahrt. Um einen Blick in das mittelalterliche Treiben in den Straßenzügen zu erhalten, hat die Stadt Celle kürzlich Shutterbrillen angeschafft, die bei realistischen Dimensionen lediglich auf den Transport des Gestanks in die Gegenwart verzichten. Sie kommen bei den Stadtführungen zum Einsatz.
Weltweite Bedeutung hat Celle aber nicht nur durch seine Architektur erhalten, die Celler haben sich auch einen Namen in der Pferdezucht geschaffen. Mittlerweile gibt es keinen namhaften Dressurstall auf dem Planeten, der nicht das Blut der Celler Hengste eingekreuzt hat. Die Hannoveraner Pferdezucht hat mit dem Landgestüt ihren Stützpunkt in der Residenzstadt, die einst als "Siedlung am Fluss" um 993 (urkundliche Ersterwähnung) geschaffen wurde.
Während die Fachwerkbebauung der Innenstadt bis heute eine Fülle von kleinen Geschäften zulässt, die ihre Anziehungskraft landesweit haben, besteht eine wesentliche Aufgabe der Stadtplanung darin, einen leer stehenden Gebäudekomplex eines ehemaligen Großkaufhauses mit neuem Leben zu füllen. "Hier liegen bereits einige Pläne vor, deren Umsetzung aber guter Abwägung bedürfen und sicher nicht Hals über Kopf realisiert werden können", erläutert mit Stadtführerin Anke Maecker eine kundige Cellerin.

Das Geheimnis der Einkaufsfreude in Celle erstreckt sich aber nicht nur auf die Schönheit der idyllischen Geschäfte mit ihren teilweise historisch belassenen Aufteilungen. Es ist auch die Auswahl der Einzigartigkeiten, die hier getroffen werden kann. Auf der Straße "Stechbahn" ist neben einer großen Freifläche für Außenbestuhlung auch das Bomann-Museum zu finden. Mit seinen Ausstellungen komplettiert das Haus oftmals die Wissbegier der Gäste Celles. Daneben im Stile einer alten Apotheke (es war auch einmal eine Apotheke) lädt das Museumscafé in das ungewöhnliche Ambiente ein.
Die Celler scheinen ohnehin eine besondere Vorliebe dafür zu haben. "Fr. Huth Nachf." prangt in goldenen Lettern von einem historisch anmutenden Schild. Als Gründungsjahr ist 1851 darauf geschrieben, und wer das Ladengeschäft betritt, glaubt auch gern, dass die Einrichtung nicht jünger ist. Die kleine Kaffeerösterei strotzt nur so vor Charme, und das fachkundige Personal verwöhnt die Gäste mit 24 Kaffeespezialitäten aus 16 Rohsorten. Neben Kaffee werden auch zahlreiche andere Produkte mit Regionsbezug und in einzigartiger Auswahl angeboten und notfalls auch in Form von Präsentkörben zu einer Einheit zusammengefügt. Mit viel Liebe zum Detail hat sich Gerd Pommerien dem Traditionsgeschäft verschrieben. Ihm ist es zu verdanken, dass "Huths Kaffee" weiterhin in fünf Celler Cafés ausgeschenkt und in der gesamten Bundesrepublik per Warenpost ab Rösterei in der Straße "Großer Plan" verkauft wird.
"Ich bin die Einzige, die das Getränk nach dem Originalrezept der Rats-Apotheke herstellt", beteuert Dörte Hirschfeld und ist mit Leidenschaft dabei, ihren Kunden mit dem 50-prozentigen Likör "Alter Provisor" ein besonderes Geschmackserlebnis zu bereiten. Die Inhaberin des kleinen Geschäfts in einem der malerischen Fachwerkgebäude hat das Vermächtnis des ehemaligen Apothekers übernommen, nachdem sie diese Spezialität bereits 28 Jahre lang in seinem Namen produzierte. "Das Geheimnis des einzigartigen Geschmacks liegt in der behutsamen Herstellung, die ein halbes Jahr dauert. Obwohl mir bereits vielfach die industrielle Produktion angeboten wurde, bleibe ich bei meiner Art", schwört Dörte Hirschfeld auf ihre Herstellungsart mit den hoch konzentrierten Bitterstoffen.
Auf der Suche nach weiteren Einzigartigkeiten der Kulinarik in Celle werden die Menschen in den Gasthäusern mit deutscher Küche fündig. "Hier wird ihnen die Roulade roh serviert", schwärmt die Kellnerin eines Traditionshauses und bringt spontan die "Löwenmahlzeit", wie sie auch genannt wird, an den Tisch. Die Roulade wird aus Roastbeef gedreht. Gefüllt ist sie mit Speck, Zwiebeln und Senf. Dazu wird dann Weißkraut und Kümmelbrot serviert. Wer eine warme Komponente dazu bevorzugt, sollte sich Bratkartoffeln bringen lassen, um das Originalrezept nicht zu verlassen.
Mehr für die Leckereien jenseits der Mahlzeiten ist Sebastian Hopf tätig. Der Celler hat sich in seinem "Genusskontor" auf Lakritz und Süßigkeiten besonderer Herkunft und Herstellung konzentriert. "Vielfach kaufe ich Varianten in Skandinavien oder auch vielen anderen Regionen dieser Welt ein, um die Besonderheiten im Regal zu haben", erzählt er von seinem Geschäftsmodell. Die Celler und Gäste der Innenstadt wissen sein Engagement zu schätzen, wenn sie nach Genuss suchen, der nicht "von der Stange" geliefert wird.