Schon im 19. Jahrhundert besuchten Gäste Korsika
Heute zieht es rund drei Millionen Touristen jährlich auf die französische Insel. Das Inland rückt dabei immer mehr in den Vordergrund.

Von Robin Höltzcke
Auf der Landkarte präsentiert sich Korsika mit erhobenem Finger, der in Richtung Alpen zeigt. Zufall oder nicht – die Berge der Insel haben eindeutig alpinen Charakter. Wer in den Genuss dieser einzigartigen Kulisse kommen möchte, sollte daher das Inland durchqueren. Das Auto ist oft die erste Wahl, denn viele Touristen kommen mit dem eigenen Wagen und setzen mit der Fähre über. Doch die korsische Reiseleiterin Delphine Coudronniere hat einen Geheimtipp für diejenigen, die ohne Auto das Inselinnere erleben wollen: "Es gibt eine direkte Zugverbindung zwischen Bastia im Nordosten und Ajaccio im Westen Korsikas." Die Fahrt auf den Schienen dauert rund vier Stunden und führt durch die idyllische sowie schroffe Landschaft der Mittelmeerinsel.
Von Bastia aus geht es für uns allerdings mit dem Auto weiter – entlang der Flusstäler, über Pässe und vorbei an zahlreichen Bergdörfern. Deren Abgeschiedenheit im Inland, verwundert zunächst. Grund dafür ist die turbulente Vergangenheit der Insel. "Bis zum 11. Jahrhundert wurde Korsika von maurischen Piraten, Vandalen und Ostgoten heimgesucht", erklärt Delphine. Doch die Korsen widersetzten sich den Angriffen und lebten mehr im Hinterland. Aus dieser Zeit soll auch die korsische Flagge stammen, die einen dunklen Kopf zeigt. Bei der Frage, wer auf der Flagge abgebildet sein soll, gehen jedoch die Meinungen auseinander. Die Flagge zählt zu den ältesten Europas und ist für die Korsen ein Symbol des Widerstands.
Die damaligen Einwohner schützten sich in den Bergen aber nicht nur vor Invasionen, sondern auch vor Mücken. "Die einstigen Sumpflandschaften an den flachen Küsten waren nämlich Hotspots für Malaria", sagt die Reiseleiterin. Viele dieser Gebiete wurden im 18. Jahrhundert unter Pascal Paoli, Korsikas Gründervater, trocken gelegt. Dafür pflanzte man unter anderem Pinienbäume, um den Boden allmählich auszutrocknen. Aus den Sümpfen wurden nach und nach landwirtschaftliche Flächen für die Bevölkerung.

In den höheren Lagen der Insel prägen Nadelbäume, Buchen und Esskastanien die Landschaft. Jahrtausendelang waren die Kastanienbäume für die Einheimischen ein lebensnotwendiger Energielieferant – besonders in den kalten Wintermonaten. Auch wenn für die Korsen inzwischen keine akute Lebensmittelknappheit besteht, bewahren sich die Menschen hier ihr aufwendig hergestelltes Kastanienmehl. In der Küche kommt dieses für Süßspeisen zum Einsatz, wie beim Korsischen Kastanienkuchen.
Der Herbst und das Frühjahr sind aus Sicht der Reiseleiterin die besten Jahreszeiten, um Korsika zu besuchen. "Es herrscht viel weniger Verkehr, es ist nicht so heiß und der Aufenthalt ist wesentlich günstiger", weiß die 45-Jährige. Außerdem ist es eine geeignete Zeit für Outdooraktivitäten wie Klettern, Wandern oder Fahrradfahren.
"Die Korsen freuen sich mittlerweile mehr über Gäste, die sich für die Natur und Kultur Korsikas interessieren", sagt Delphine. Vom Massentourismus möchte man Abstand gewinnen, auch wenn er rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Fünfmal mehr als im Rest von Frankreichs. "Jährlich kommen rund drei Millionen Besucher. Allein in Bastia sind es eine Million." Auf einen Korsen kommen somit etwa zehn Touristen. Den Anfang nahm der Massentourismus in den 60er-Jahren. Denn von da an setzten Fähren regelmäßig nach Korsika über.
Doch schon vor der Zeit der Pauschalreisen war Korsika ein geschätztes Ziel. Die Engländer gehörten zu den ersten Touristen der Insel. "Ab dem 19. Jahrhundert kamen reiche Briten wegen des milden Klimas und nutzten Städte wie Ajaccio als Winterquartier." Früher stand die Küste bei den Gästen sehr im Fokus. Heute treibt es dagegen viele ins Inland.
Wer schwindelfrei ist, hat ein tolles Naturerlebnis beim Tyro-Trekking – eine Mischung aus Klettern und Seilrutschen. Im Tal des Flusses Asco gibt es eine Anlage dafür. Erfahrene sowie unerfahrene Kletterer kommen hier auf ihre Kosten. Leichte und anspruchsvolle Pfade sind so angelegt, dass man stets mit einem Karabiner gesichert ist. Die Stahlseile zum Einklinken markieren die Wege.
Mit Kletterguide Téo Bastiani geht es zu einem Felsvorsprung, darunter liegt ein grünes Tal. Der Blick nach oben offenbart einen noch mit Schnee bedeckten Gipfel – obwohl in tieferen Lagen schon längst Sommer ist. Adler und Geier kreisen am blauen Himmel. Sogar Mufflons sollen hier durch die Gegend streifen. Die Hinterlassenschaften der wilden Schafe sind zumindest leicht zu entdecken. Téo erklärt, dass sich hier eher ältere Tiere aufhalten. "Dort unten, in der Senke, gibt es einen Baum, an dem alte Mufflons ihre letzten Stunden verbringen, bevor sie sterben."
Weiter geht es in Richtung Südwesten nach Corte zur größten Stadt im Herzen der Insel. "Zur Zeit der Unabhängigkeit unter Pascal Paoli war Corte die Hauptstadt", erklärt Delphine, die sich freut, wieder in ihrer Heimatstadt zu sein. Hier steht auch das Elternhaus von Napoleon Bonaparte. Das Gebäude ist jedoch in sehr schlechtem Zustand und unzugänglich. Das mag auch daran liegen, dass Napoleon bei der breiten Bevölkerung eher unbeliebt ist. "Er wandte sich als geborener Korse Frankreich zu und galt als Kontrahent des Unabhängigkeitskämpfers Pascal Paoli."
Die Frage der Unabhängigkeit ist bei den Korsen wieder stark im Gespräch. Viele wollen mehr Eigenständigkeit gegenüber Frankreich erwirken. Die Graffiti und Schmierereien zu dieser Diskussion sprechen für sich.
Bevor das Meer, das man schon längst vergessen hat, sich wieder zeigt, geht es über Ausläufer der Berge in die ehemalige Sumpflandschaft bei Ajaccio. Imkern ist in dieser Ecke ein ertragreiches Geschäft. Denn zu jeder Jahreszeit ist die Honigproduktion möglich. "Wir bewegen die Bienenstöcke von unten nach oben", erklärt Tiphaine Pietri, die den Betrieb des Vaters übernimmt. Zu jeder Jahreszeit haben wir blühende Pflanzen in verschiedenen Höhen. "Wir transportieren die Bienenkästen mit dem Verlauf der Blüte, doch durch den Klimawandel verschieben sich die Zeiten."
In Ajaccio fällt der Blick immer wieder zurück in die Berglandschaft. Die weißen Gipfel sind trotz der Entfernung immer noch gut zu erkennen. Delphine erinnert sich bei dem Anblick an ihre Jugend. "Wir haben als Kinder viel Zeit im Schnee verbracht. Doch mittlerweile haben die drei Skigebiete, wenn überhaupt, nur kurz im Jahr geöffnet." Weiße Berge wie in den Alpen zu sehen, ist daher auch für Korsen ein besonderer Moment.
>Infos:
> Anreise: Wer mit dem eigenen Auto nach Korsika möchte, kann z.B. mit der Fähre von Moby Lines aus Genua oder Livorno nach Bastia anreisen. Bei Moby Lines gibt es auch Kabinen, in denen Hunde erlaubt sind: www.mobylines.de
> Unterkunft: Wer gerne mit Seeblick aufwacht, dem ist das Hotel des Gouverneurs in Bastia zu empfehlen. Die Nacht kostet pro DZ inkl. Frühstück ab 200 Euro: www.hoteldesgouverneurs.fr/en
Wer gerne die Natur genießt, kann dies im Hotel "Dominique Colonna" in Corte. Es liegt direkt an einem rauschenden Fluss, die Nacht kostet pro DZ ab 230 Euro: www.dominique-colonna.com/hotel-2-fr.html
> Ausflugstipps: Das Unternehmen "In Terra Corsa" bietet seit mehr als 20 Jahren Outdooraktivitäten wie Klettern, Canyoning oder Rafting an. Mehr unter: www.interracorsa.com
Honig aus verschiedenen Jahreszeiten und Blüten gibt es im Le Jardin des Arbeilles: www.lejardindesabeilles.com
> Weitere Infos: www.visit-corsica.com/de.