100 Jahre Grand Canyon Nationalpark

Die Hitze der Schlucht

Wer die wohl berühmteste Schlucht der Welt abseitsder Touristenmassen erleben will, wandert einmal hindurch - Das ist hart – und großartig

13.12.2018 UPDATE: 16.12.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Atemberaubend: Der Blick von einem Aussichtspunkt am Grand Canyon. Foto: Joel Grimes/ Arizona Office of Tourism/ dpa-tmn​

Von Steffi Machnik

Grand Canyon. Kaum ein Reisender im Westen der USA lässt den Grand Canyon links liegen. Der Nationalpark feiert 2019 sein 100-jähriges Bestehen, was die Besucherzahlen noch einmal erhöhen dürfte. Wer das Naturwunder in Arizona in seiner ganzen Erhabenheit erleben möchte, sollte sich nicht mit einem Fotostopp begnügen. Sondern die Wanderschuhe anziehen.

Hintergrund

INFORMATIONEN

Reisezeit: Die beste Zeit für eine Wanderung durch den Grand Canyon sind die Monate Mai oder Oktober. Im Sommer steigen die Temperaturen auf mehr als 40 Grad, dann besteht ein Shuttleservice zwischen North und South

[+] Lesen Sie mehr

INFORMATIONEN

Reisezeit: Die beste Zeit für eine Wanderung durch den Grand Canyon sind die Monate Mai oder Oktober. Im Sommer steigen die Temperaturen auf mehr als 40 Grad, dann besteht ein Shuttleservice zwischen North und South Rim. Die "Phantom Ranch" ist ganzjährig geöffnet. Die Einrichtungen am North Rim schließen zwischen Oktober und Mai.

Einreise: Deutsche USA-Urlauber müssen sich unter https://esta.cbp.dhs.gov eine elektronische Einreiseerlaubnis besorgen (14 US-Dollar).

Übernachtung: Wer im Canyon übernachten will, braucht eine Erlaubnis fürs Camping oder eine Reservierung für die "Phantom Ranch". Die Ranch-Plätze werden seit 2018 allerdings nur noch verlost (https://www.grandcanyonlodges.com/).

Informationen: Arizona Office of Tourism c/o Kaus Media Services, Sophienstraße 6, 30159 Hannover (Tel.: 0511/899890-0, E-Mail: info@kaus.net).

[-] Weniger anzeigen

Mehr als sechs Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die gewaltige Schlucht, die der Colorado River geschliffen hat. Die Südkante mit dem touristischen Grand Canyon Village ist in der Sommerzeit besonders überlaufen. Um dem Trubel zu entgehen, steigt man hinab - und wandert in zwei Tagen einmal quer durch den Canyon.

Vom South Rim, der Südkante auf 2200 Metern Höhe, gibt es zwei Routen. Der Bright Angel Trail ist im oberen Teil viel begangen. Weniger bevölkert ist der South Kaibab Trail, elf Kilometer sind es bis zum Fluss - ohne Wasserstelle zwischendurch. Daher müssen Wanderer auf jeden Fall genug Flüssigkeit mitnehmen. Und Wanderstöcke. Die Knie werden es danken.

Wer die längere und somit nicht ganz so steile Variante über den Bright Angel Trail wählt und sehr früh startet, entgeht den Strömen der Tageswanderer. Denn die meisten legen nur die sieben Kilometer bis Indian Garden zurück, eine kleine Oase am Garden Creek. Sie wandern dann vielleicht noch drei Kilometer bis zum Plateau Point, dem Aussichtspunkt auf den 400 Meter tiefer fließenden Colorado - und wieder zurück.

Der Garten ist eine echte Oase - Bachlauf, Bäume, Zikaden - und eignet sich für eine längere Pause. Denn die Feigenkakteen am Wegesrand zeigen, dass hier Wüstenklima herrscht. Nach der Strecke durch den kleinen Canyon des Garden Creek geht es die letzten Höhenmeter bis zum Colorado in Serpentinen steil abwärts.

Die Wegstrecke heißt Devil’s Corkscrew, Korkenzieher des Teufels. Keine Schatten kühlen, die Sonne brennt gnadenlos herab auf die ältesten Gesteinsschichten des Grand Canyon. Der weiße Sand gibt die Hitze von unten zurück. In der Mittagszeit sind es 40 Grad.

Karg ist es am Ufer des Colorado, dessen braunes Wasser mit hoher Geschwindigkeit durch die Schlucht fließt. Rechts und links des etwa 100 Meter breiten Flusses steigt das Ufer mit wenigen Büschen flach an. Die typischen terrassenförmigen Felsformationen des Canyons aus rot gefärbtem Kalkstein türmen sich in einiger Entfernung auf.

Mutige Touristen zieht es zum Rafting auf den Colorado River. Foto: Geoff Gourley/Arizona Office of Tourism/dpa-tmn

Ab und zu tanzen Gummiboote über das Wasser. Dann taucht endlich die Silberne Brücke auf, die 160 Meter lange Hängebrücke über den Fluss. Eigentlich ist die "Phantom Ranch", das Gasthaus am Grund des Grand Canyons, nicht mehr weit. Aber in der Mittagshitze zieht sich der letzte Kilometer auf der anderen Flussseite. Es geht entlang des Bright Angel Creek, wo auch ein Campingplatz mit 32 Plätzen liegt.

Etwas abseits der eigentlichen Ranch stehen vier Holzhütten. Sie haben Klimaanlage und je zehn Schlafplätze. Etwas komfortabler sind die Häuschen für Gruppen von zwei bis zehn Gästen, die beschattet von Pappeln und Platanen in einem Halbkreis zusammenstehen. Das Hüttendorf aus dem rot gefärbten Kalkstein wurde bereits in den 1920er Jahren angelegt.

Die Bewirtung am Abend ist rustikal. Es gibt Steak, Eintopf oder ein vegetarisches Gericht. Alles muss vorab reserviert werden, da Maultiere sämtliche Lebensmittel zur "Phantom Ranch" transportieren. Frühstück wird um 5 Uhr serviert. Ganz schön früh für salzige Erdnüsse, Energieriegel und einen Apfel. Doch an Schlaf ist in der Zehn-Personen-Hütte ohnehin nicht mehr zu denken. Als es gegen 5.30 Uhr langsam heller wird, liegt die Temperatur immer noch oder schon wieder bei 30 Grad. Aber mit jedem Höhenmeter auf dem North Kaibab Trail wird die Luft kühler, auch der Wind bringt Erfrischung.

Der 22 Kilometer lange Wanderweg führt zum North Rim. Er ist weniger begangen als die Strecken auf der Südseite. Doch statt 1400 Höhenmeter sind hier fast 1800 Höhenmeter zu erklimmen, um die Nordkante des Grand Canyons auf 2515 Metern Höhe zu erreichen.

Die ersten elf Kilometer bis zum "Cottonwood Campground" sind ein Wandergenuss. Der gut befestigte Weg führt schattig und sanft aufwärts, immer dicht am grünen Band des Bright Angel Creek entlang. Nach und nach weitet sich die enge Schlucht, und der rot gefärbte Kalkstein verdrängt den grauschwarzen Schiefer. Höhepunkt kurz vor dem Campingplatz sind die Ribbons Falls, Wasserfälle, die wie ein Vorhang vor einer bemoosten Felswand herabstürzen.

Auf dem Campingplatz lässt sich gut rasten, hier können Wanderer auch ihre Wasservorräte auffüllen. Das ist nötig. Denn der zweite Teil der Strecke fühlt sich an wie elf Kilometer Treppen steigen.

Von hier sind es noch 1300 Höhenmeter zum Ziel. Allein auf den letzten beiden Meilen vom Supai Tunnel aus, der letzten kleinen Oase mit Wasserstelle zum Rasten, müssen 450 Höhenmeter bewältigt werden. Jede der gefühlt 100 Kehren bis zum sogenannten Trailhead ganz oben sieht gleich aus. Das Laufen auf dem sandigen Weg ist beschwerlich. Frust und Freude. Doch nach mehr als zehn Stunden ist es geschafft.

Unspektakulär taucht der Wanderweg zwischen Birken und Kiefern aus dem Wald auf und endet auf einem kleinen Sandsteinplateau. Wer hier von Familie oder Freunden mit einem eisgekühlten Softdrink und einer Tüte Chips empfangen wird, genießt den persönlichen Triumph sofort - und schmiedet schon Pläne für die nächste Wanderung in den Canyon.