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Pneumokokken haben im Herbst Hochsaison - Impfung ab 60 Jahren sinnvoll

16.10.2023 UPDATE: 16.10.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Wer sich gerade gegen Grippe impfen lassen will, braucht mitunter Geduld. Foto: dpa

RNZ. Mit zunehmend kühleren Temperaturen steigt die Zahl der Atemwegserkrankungen. Doch wer dabei nur an eine Erkältung oder die Grippe denkt, greift zu kurz. Auch bakterielle Infektionen der Atemwege durch Pneumokokken haben ab Herbst Hochsaison. Fachärztinnen und -ärzte beantworteten bei einer Telefonaktion Fragen zum Thema. Hier das Wichtigste zum Nachlesen:

Wie ist der Ansteckungsweg bei einer Pneumokokken-Infektion? Wie viele andere Erreger, die den Menschen krank machen, werden Pneumokokken-Bakterien durch Tröpfcheninfektion übertragen, zum Beispiel beim Sprechen, Husten, Niesen oder Singen. "Pneumokokken sind jedoch besonders gefährliche Bakterien: Sie haben sich im Laufe ihrer Entwicklung eine raffiniert konstruierte Kapsel zugelegt, die es unserer Abwehr erschwert, sie zu erkennen und zu vernichten", erklärt Dr. Ulrich Enzel. "Daher tragen auch viele Gesunde, am stärksten nicht korrekt geimpfte Kinder während der ersten fünf Lebensjahre, Pneumokokken im Nasen-Rachenraum", so der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Sie sind damit – ohne selbst Symptome zu haben – eine potenzielle Ansteckungsquelle für andere Menschen.

Was macht eine Pneumokokken-Infektion so gefährlich? "Sie kann vor allem dann gefährlich werden, wenn sie auf ein geschwächtes Immunsystem oder vorgeschädigte Atemwege trifft", erklärt Dr. Franziska Wiesent, Fachärztin für Innere Medizin. Dann können sich die Pneumokokken-Bakterien ungehindert über den Nasen-Rachenraum hinaus ausbreiten und verschiedene schwere Erkrankungen verursachen, darunter Lungenentzündungen, Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen. "Ein geschwächtes Immunsystem kann Folge des Alters, einer Erkrankung oder einer Therapie mit Medikamenten sein, die in das Immunsystem eingreifen", so die Ärztin mit Schwerpunkt Rheumatologie.

Wie kann eine Pneumokokken-Infektion behandelt werden? Als eine durch Bakterien verursachte Erkrankung wird sie in der Regel mittels Antibiotika behandelt. "Bei der ambulant erworbenen Lungenentzündung durch Pneumokokken ist meist eine Therapie mit einem Standardantibiotikum ausreichend", sagt Prof. Roland Hardt und ergänzt: "Bei schwereren Verläufen oder im Krankenhaus erworbenen Infektionen handelt es sich in der Regel um eine komplizierte Infektion, die teilweise durch Erreger verursacht wird, die bereits Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika ausgebildet haben."

Entscheidend sei die möglichst frühzeitige mikrobiologische Diagnostik, um den Erreger genau zu identifizieren und ein wirksames Antibiotikum für eine gezielte Behandlung auszutesten. "Da gerade alte Menschen häufig von schwereren Verläufen oder komplizierten Infektionen betroffen sind, ist gerade für diese Personengruppe die Vorsorge durch die empfohlene Pneumokokken-Impfung von herausragender Bedeutung", so der Kardiologe.

Über 60 Jahre und kerngesund – sollte man sich trotzdem impfen lassen? Auch das Immunsystem altert. "Dieser Immunoseneszenz genannte, fortschreitende Prozess führt zu einer verminderten Funktion der verschiedenen Komponenten des Immunsystems", erklärt Dr. Franziska Wiesent. Eine verminderte Immunabwehr führe auch bei gesunden älteren Menschen zu einer vermehrten Anfälligkeit für Infektionen, die oft auch schwerer verlaufen. "Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gilt daher für alle Menschen ab 60 Jahren."

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung? "Es tritt zwar eine Häufung von Pneumokokken-Erkrankungen im Herbst und Winter auf, aber grundsätzlich haben Pneumokokken-Bakterien – anders als Grippeviren – immer Saison", so Dr. Bettina Schraut, Fachärztin für Innere Medizin, Notfallmedizin und Diabetologin. Die Impfung gegen Pneumokokken ist jederzeit während des gesamten Jahres möglich. "Ausnahme: Während eines schweren Infekts oder einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt, sollte nicht geimpft werden."

Muss die Impfung nach einiger Zeit aufgefrischt werden? "Bisher wurden gesunde Menschen einmal geimpft, Menschen mit Vorerkrankungen erhielten zwei verschiedene Impfstoffe gegen Pneumokokken", so Wiesent. Inzwischen sei ein gut wirksamer Impfstoff verfügbar, der 20 Pneumokokken-Typen abdeckt und einen langfristigen Schutz bietet. "Dieser muss nach der neuesten Empfehlung der Ständigen Impfkommission deshalb nur einmalig gegeben werden."