Mediziner: Psychische Erkrankungen durch Job wachsendes Problem

Ständige Gereiztheit, Wutausbrüche oder plötzlicher Rückzug sind oft Anzeichen für Burnout und psychische Erkrankungen.

31.03.2014 UPDATE: 31.03.2014 09:39 Uhr 1 Minute, 25 Sekunden
Die undatierte Aufnahme zeigt den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Hans Drexler. Foto: DGAUM/Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
Interview: Simona Block, dpa

Dresden/Erlangen (dpa) - Psychische Erkrankungen sind in Deutschland der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung. Die Zahl der entsprechenden Diagnosen wächst nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM). Deren Präsident Professor Hans Drexler sprach vor der Jahrestagung in Dresden über Ursachen und Rezepte:

Frage: Lärm, Staub, Stress - ist arbeiten gefährlicher als früher?

Antwort: Das nicht, aber die Gefahren wandeln sich permanent. Dabei sind weniger Menschen den klassischen Gefährdungen ausgesetzt. Lärm, Staub oder chemische Gefahrstoffen gibt es zwar im 21. Jahrhundert auch, aber die Zahl der Betroffenen dürfte deutlich geringer sein als vor 50 Jahren. Dafür ist Neues dazu gekommen wie die E-Mail-Flut. Es wird erwartet, dass man sofort reagiert und in der globalisierten Welt 24 Stunden, also permanent, erreichbar ist. Das ist eine neues arbeitsmedizinisches Problem, das wir noch in den Griff kriegen müssen.

Frage: Wird das Problem von Betroffenen und Arbeitgebern übersehen?

Antwort: Es ist lange unterschätzt worden, aber in den vergangenen drei, vier Jahren hat ein massives Umdenken eingesetzt. Burnout oder Frühverrentung und Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Erkrankungen haben es auf die Titelseiten der Magazine geschafft - das zeugt von einer Bewusstseinsänderung. Das Problem ist erkannt, und man versucht schon, gegenzusteuern. Was aber nicht heißt, dass es gelöst ist.

Frage: Wie kann die Zunahme gestoppt werden?

Antwort: Betriebsärzte müssen auf derartig belastete Beschäftigte achten. In der klinischen Behandlung ist der Arbeitsmediziner zu spät. Er muss Symptome wie Überforderung frühzeitig erkennen und intervenieren, damit die Erkrankung erst gar nicht ausbricht. Da hilft ein Seminar für autogenes Training, eine betriebsinterne Umsetzung des Betroffenen oder optimiertes Zeitmanagment.

Frage: Was ist das beste Konzept?

Antwort: Wir können Geld sparen, wenn Patienten behandelt werden, die noch nicht merken, dass sie ein Problem haben, damit sie gar nicht erst krank werden. Betriebsärzte können dabei Beschäftige erreichen, die nie zur Vorsorge gehen würden. Diese Leute müssen angesprochen werden, weil sie in aller Regel erst zum Arzt gehen, wenn es zu spät ist. Und wenn man Symptome hat, ist man schon krank.

ZUR PERSON: Professor Hans Drexler ist Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen. Die DGAUM wurde 1962 gegründet und hat rund 1000 Mitglieder.