Schöne neue Arbeitswelt

Das Büro verändert sich im Turbo-Modus

Büroklammern, Tacker oder Karteikästen - für junge Arbeitsforscherinnen ist das "alles so 80er". Die Digitalisierung der Bürowelten startet in vielen Branchen jetzt richtig durch.

24.05.2023 UPDATE: 24.05.2023 09:39 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden
Büroklammern liegen auf einem Tisch in einem Büro. Büroklammern, Tacker oder Karteikästen - für junge Arbeitsforscherinnen ist das «alles so 80er». Die Digitalisierung der Bürowelten startet in vielen Branchen jetzt richtig durch. Foto: dpa​

Von Ulrike von Leszczynski

Allein dieses Wort: Büroklammer. Arbeitssoziologin Setareh Radmanesch wird ganz warm ums Herz. "Es hat so was Nostalgisches", sagt sie. "Da hängt so viel Arbeitskultur dran." Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts kam die Büroklammer in Mode. Mehr als ein Jahrhundert lang fehlte sie auf kaum einem Schreibtisch. Sie bekam sogar ihren eigenen Ehrentag: den 29. Mai. Der ist allerdings inzwischen vielmehr ein Gedenktag. Denn wofür die Büroklammer einmal stand, heißt für Arbeitsforscher heute Cloud: Die digitale Wolke nimmt im übertragenen Sinn Vieles auf, was früher eine kleine Klammer zusammengehalten hat.

Wer heute in ein Büro kommt, sieht oft keine Schreibtische mehr, auf denen sich Papier stapelt, Locher und Stiftebox nebeneinander stehen und das Familienfoto neben dem Telefon ein privates Revier markiert. Viele Tischplatten sind nun leer. Wer hier arbeiten möchte, bucht sich online einen Platz und bringt den Laptop mit. Steckdose und WLAN sind der Anschluss zur Arbeitswelt, Nachbarn wechseln.

Dieser Wandel ist für Arbeitsforschende rasanter als beim schleichenden Umbruch vor rund 30 Jahren. Damals ersetzte der Computer die Schreibmaschine, und das Internet eröffnete eine neue Handlungsebene. Die neue Bürowelt kann viele betreffen: Nach Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft gab es Mitte 2022 rund 12,8 Millionen Menschen, die fest angestellt in Büros arbeiteten, rund ein Drittel mehr als vor zehn Jahren.

Gemischtes Arbeiten - teils im Büro, teils im Homeoffice - war 2022 oft schon selbstverständlich. Für Arbeitswissenschaftler kommt es auf Branche und Standort an, wie schnell weitere Veränderungen nun in Bürowelten einziehen. Die Pandemie war für sie nur Beschleuniger einer Entwicklung, die in der IT-Branche und bei großen Industrieunternehmen schon vor rund zehn Jahren begonnen hat.

Für Soziologin Radmanesch vom Tübinger Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur geht es dabei um das Aufbrechen angestammter Arbeitsstrukturen - weg vom Herrschaftswissen Einzelner, hin zu Teams. Hinzu kommen ihren Worten zufolge klare und kleinteiligere Arbeitsaufteilung, Transparenz, viel dichter getaktete Effizienz-Nachweise und eine laufende Fehleranalyse. Das Tempo bestimme vor allem der ökonomische Druck, der auf Unternehmen laste: Optimierung, Rationalisierung, Wettbewerb.

Nicht alle Beschäftigten kommen bei der Vielzahl der technischen und sozialen Neuerungen in immer kürzeren Abständen mit, wie die Wissenschaftlerin sagt. Radmanesch promoviert gerade zum Thema Ingenieure in der neuen ...