SAP will für ein Klima sorgen, in dem Vielfalt gelebt wird
Diskriminierung ist ein Problem, auch am Arbeitsplatz - Auch andere Unternehmen setzen sich ein

Von Barbara Klauß
Heidelberg. Tareq Alaows wollte Mitglied des Deutschen Bundestags werden. Als Direktkandidat plante er, bei der Wahl im September für die Grünen in Oberhausen und Dinslaken in Nordrhein-Westfalen anzutreten. Nun hat der 31-Jährige, der in Syrien Jura studierte und vor sechs Jahren als Asylsuchender nach Deutschland kam, seine Kandidatur zurückgezogen. Als Grund dafür nennt er persönliche Bedrohungen und Rassismus.
Tareq Alaows ist mit solchen Erfahrungen nicht allein. Im vergangenen Jahr, als sich die Wut über Rassismus nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA auch in Deutschland Bahn brach und überall auf der Welt Massen protestierten, wurden sehr viele solcher Geschichten erzählt.
Von einem jungen Mann aus Mali etwa, der von seinen Kollegen in einem Malerbetrieb als "Affe" beschimpft wurde, der stinke. Ein anderer berichtete von der Jobabsage eines bekannten Unternehmens, die er per Mail bekam – inklusive eines internen Schreiben des Unternehmens, in dem er als "zu dunkel" bezeichnet wurde.
Laut einer Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) bekommen etwa Bewerber mit äthiopischen Migrationshintergrund 17 Prozent weniger positive Rückmeldungen auf ihre Bewerbung als Bewerber ohne Migrationshintergrund – bei gleicher Qualifikation. Eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zeigte 2016, dass muslimische Frauen mit Kopftuch für eine Einladung zum Bewerbungsgespräch mehr als viermal so viele Bewerbungen verschicken müssen wie andere Bewerberinnen mit identischer Qualifikation.
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"Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft benachteiligt werden.
Dennoch sind rassistische Diskriminierungen keine Seltenheit, auch im Arbeitsleben nicht. Allein bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gingen 2019 mehr als 300 Beratungsanfragen zu Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der ethnischen Herkunft ein. Die Zahl der Anfragen steigt seit Jahren. Und nach Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle sucht nur ein Bruchteil der Betroffenen Hilfe; die Dunkelziffer dürfte also sehr viel höher liegen.
Auch innerhalb der Unternehmen bleibt wohl Vieles im Verborgenen: "Viele Diskriminierungen kommen erst gar nicht zum Vorschein, was aber durchaus auch daran liegen mag, dass dafür notwendige Strukturen nicht vorhanden sind", meint Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von "Gesicht Zeigen!", einem Verein mit Sitz in Berlin, der sich gegen Rechtsextremismus einsetzt. Bei einer repräsentativen Umfrage, die "Gesicht Zeigen!" im vergangenen Sommer gemeinsam mit EY Deutschland und Civey gemacht hat, sagte gut ein Viertel der Beschäftigten, in ihrem Unternehmen gebe es keine Person, an die man sich bei rassistischen Vorfällen wenden könne. Außerdem sah fast jeder fünfte die Gefahr, dass sich für ihn Nachteile am Arbeitsplatz ergeben könnten, wenn er sich gegen Rassismus einsetzt. "Es ist vor allem die Aufgabe des Unternehmensmanagements, Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass rassistische Vorfälle anerkannt und ernst genommen werden, und für ein Klima zu sorgen, in dem ethnische und kulturelle Vielfalt wirklich gelebt wird", erklärte Hubert Barth, damals Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, im vergangenen Sommer.
Bekenntnisse gegen Rassismus – auch von Unternehmen und von Managern – gibt es immer wieder. So auch vor fast einem Jahr, als der Afroamerikaner George Floyd in den USA starb, nachdem ihm ein Polizist laut Anklage mehr als 7 Minuten lang sein Knie in den Hals gedrückt hatte. Es folgte eine Welle des Protests, weltweit gingen Menschen gegen Polizeigewalt und Rassismus auf die Straße, der Hashtag #blacklivesmatter dominierte die sozialen Medien. Damals solidarisierten sich auch viele Unternehmen, unter anderem mit einer außergewöhnlichen Aktion: Nachdem sich die Diskussion über die Verantwortung sozialer Netzwerke für Hass und Hetze im Netz zugespitzt hatte, riefen US-Bürgerrechtler Firmen zum Werbeboykott bei Facebook auf. Viele folgten dem Aufruf, darunter Coca-Cola und Starbucks; in Deutschland stoppten nach Puma und Henkel auch Volkswagen, Beiersdorf und SAP ihre Werbung bei Facebook.
Der Walldorfer Softwarekonzern positioniert sich beim Thema Rassismus immer wieder sehr deutlich: "Es liegt an uns allen, jeden Tag die Veränderung zu leben, die wir sehen wollen", schrieb etwa Konzern-Chef Christian Klein vor wenigen Tagen auf Twitter. "Lasst uns das Wort ergreifen und uns gegen rassistische Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz wehren." Gerade erst hat das global agierende Unternehmen, das Mitarbeiter aus allen Teilen der Welt beschäftigt, eine Kampagne gestartet, die sich gegen die Benachteiligung am Arbeitsplatz aufgrund verschiedener kultureller Hintergründe richtet. Dabei sollen den Mitarbeitern weltweit unter anderem Fakten und Hintergründe zu Vorurteilen und Klischees bereitgestellt werden.
Es geht um die Frage: "Was können Unternehmen verstärkt tun, um präventiv gegen Rassismus vorzugehen?", fragte Cawa Younosi, Personalchef bei SAP in Deutschland, auf Twitter. "Wie kann jeder einzelne Mitarbeiter dazu beitragen?" Antworten auf diese Fragen suchten er und Nina Straßner, Diversitätschefin bei SAP in Deutschland, unter anderem in einem Live-Talk mit der Politologin und Autorin Emilia Roig. Zu dem Gespräch konnten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuschalten und Fragen stellen.
Bei Mitarbeitern ein Bewusstsein zu schaffen für Themen wie Vielfalt und Diskriminierung, dazu gehört noch mehr: Im September hat der Softwarekonzern Begriffe aus seinem Sprachgebrauch verbannt, die lange unhinterfragt verwendet wurden, aber diskriminierend seien, wie die SAP-Vorstände Jürgen Müller und Thomas Saueressig damals erklärten: "Master" und "Slave" etwa – also "Herr" und "Sklave". Der unterschwellige Rassismus solcher Begriffe sei ihm selbst erst kurz zuvor bewusst geworden, sagte Technologievorstand Müller damals.
"Einige könnten sagen, dass diese Begriffe keine Bedeutung haben", schrieben die beiden Vorstände in einem gemeinsamen Text. "Die Sprache hat jedoch einen großen Einfluss auf Werte und kulturelle Normen." Unbewusste Vorurteile, die sich auch in der Verwendung bestimmter Begriffe ausdrückten, trügen zu alltäglicher Diskriminierung bei. "Wir müssen alle verstehen, welche wichtige Rolle jeder von uns bei der Bekämpfung von Diskriminierung spielt."
SAP wolle ein Zeichen setzen, sagte Müller im September der "FAZ". Der Konzern mit seinen weltweit mehr als 100.000 Mitarbeitern – knapp ein Drittel davon in den USA – sei in sehr vielen Ländern aktiv. Und niemand in der Belegschaft solle auch nur unterschwellig das Gefühl bekommen, nicht dazuzugehören. Zudem kündigte SAP im vergangenen Jahr an, die Zahl der afroamerikanischen Mitarbeiter in Amerika in den nächsten drei Jahren zu verdoppeln.
Der Umfrage von "Gesicht Zeigen!" aus dem vergangenen Sommer zufolge wünscht sich die Mehrheit der deutschen Bevölkerung (57 Prozent), dass Unternehmen in der Öffentlichkeit stärker Haltung gegen Rassismus beziehen. Zudem ist die Mehrheit (52 Prozent) der Auffassung, dass sich deutsche Unternehmen nicht genug für Werte wie Vielfalt und Respekt in der Gesellschaft einsetzen.
Rana Deep Islam, Projektleiter der Studie bei EY, appellierte an die Unternehmenslenker in Deutschland, konsequenter und entschlossener gegen Rassismus vorzugehen und das Thema stärker im eigenen Unternehmen zu verankern: "Von einem starken Auftreten gegen Rassismus und für eine tolerante, weltoffene Arbeitskultur profitiert ein Unternehmen in seiner Gänze", sagte er.