Der neue Eichelmann: Auf den Winzer kommt es an

Standardwerk zum deutschen Wein - 935 Winzer und ihre Weine werden vorgestellt

11.11.2016 UPDATE: 12.11.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Gerhard Eichelmann (3.v.l.) und seine Winzer des Jahres: (von links): Werner Knipser, Rainer Müller, Werner Schönleber, Frank Schönleber, Nik Weis, Carl Ehrmann, Martin Waßmer. Foto: Maser

Von Manfred Maser

Heidelberg. Ein Buch mit 1216 Seiten. Das ist - beziehungsweise war - eine Menge Holz. Selbst dann, wenn der Wälzer eines der wichtigsten Themen der Welt behandelt: Wein. Der neue Eichelmann aus dem Heidelberger Mondo-Verlag ist erschienen - und er ist wieder ein wenig umfangreicher geworden. Doch Gerhard Eichelmann, dem namensgebenden Hauptautoren und Herausgeber des Werkes, ist da kein Vorwurf zu machen. Die Quantität entsteht aus Qualität - erfreulicherweise. Das vorrangig zu bewertende Weinjahr 2015 verlief aus Winzersicht nahezu problemlos. Und so schafften es 935 Weingüter, in der aktuellen Ausgabe des "Standardwerks zum deutschen Wein" Aufnahme zu finden - immerhin 70 mehr als im vergangenen Jahr.

Allein aus der Pfalz sind zehn Novizen hinzugekommen, alle im Bereich der mit ein ("zuverlässig") bis zwei ("gut") Sternen klassifizierten Güter. Man wird sehen, ob sie zukünftig weitere Sternchen sammeln können: Drei für "sehr gut", "hervorragende" vier oder gar fünf für "Weltklasse". Oder in schwierigeren Jahren - wie 2016 eines war - wieder herausfallen werden.

Das von Eichelmann vor 20 Jahren in Deutschland eingeführte, international übliche 100-Punkte-System für Weinbewertungen wird nicht ausgereizt. An der Maximalmarke kratzen nur die Edelsüßen (worüber man streiten könnte). Bewertungen unterhalb der noch guten 80 Punkte finden sich kaum; was nicht zumindest im Bereich des Durchschnittlichen liegt, bedecken die Tester mit dem Mantel des Schweigens, ergo: der Nichtberücksichtigung. Das fünfköpfige Degustations-Team mag "seine" Winzer.

Streitbar aber bleibt Eichelmann allemal. Schon in seinem Vorwort übt er Kritik. Zuviel werde gewollt, zuviel werde verändert, alles Mögliche ausprobiert, bis man gar nicht wisse, welche Veränderung was bewirkt hat. "Kellertechnisches Gemurkse" sieht er und gelangt darüber zur Erkenntnis: "Terroir heißt Gelassenheit". Von einem großen Jahrgang will er erst recht nichts wissen: "Es kommt auf den Winzer an!"

Bei der Buchpräsentation im Restaurant Sandhof im rheinhessischen Heidesheim gab es dazu seitens der anwesenden Winzer keine Widerworte. Was nicht verwundert: waren sie doch allesamt erschienen, um ihre Auszeichnungen entgegenzunehmen. Die Präsentation der Jahrgangsbesten hat inzwischen Tradition und macht stets aufs Neue deutlich, dass hinter den hochwertigsten Weinen in der Regel ganz außergewöhnliche Menschen stehen.

Menschen wie Carl Ehrmann aus Rüdesheim, mit Mitte 50 als Aufsteiger des Jahres prämiert, der frank und frei über Burn-out und Umdenken und Rückbesinnung spricht, über Zeitgewinn, der wichtiger sei als betriebswirtschaftlicher Erfolg. Und der Eichelmanns Gelassenheits-Gedanken bezüglich des Terroirs mit traditionellen Stückfässern verwirklicht, in denen Lage für Lage ihren speziellen Charakter entwickeln darf und soll.

Vater und Sohn Müller aus Franken (beste Weißweinkollektion) singen ein Loblied auf den Silvaner und auf den großen Erfahrungsschatz, den ihre Vorfahren ihnen in Hinblick auf diese Rebe hinterlassen haben. Martin Waßmer aus dem Markgräflerland (beste Rotweinkollektion) kann kaum verstehen, dass seine Kollegen Spätburgunder anbauen, ohne je das Burgund besucht zu haben. Edelsüß-Preisträger Nik Weis spricht über den Klimawandel und seine positiven Folgen für die Lagen an der Saar. Über die man früher an der Mosel gesagt habe: "Wenn du einen Feind hast, schenk ihm ein Weingut an der Saar, dann geht er langsam aber sicher zugrunde". Das ändert sich nun.

Winzer, so scheint es, sind humorvolle Menschen. Müssen sie wohl auch sein, angesichts der vielen Unwägbarkeiten des Wetters und des Klimas und der Moden, der Trends und der sich - weiß der Himmel warum - auf einmal wandelnden Geschmäcker.

Und wie in Hollywood ist die Auszeichnung für das "Lebenswerk" eine ganz besondere Herausforderung. Da sind Humor und Gelassenheit gefragt. Bei Werner Knipser, dem Pfälzer Weinpapst aus Laumersheim, herrscht an beidem kein Mangel. Wie er lausbübisch von den Anfängen des Spätburgunders und ersten Experimenten mit Cabernet Sauvignon in der Pfalz erzählt: Großes Kino. Zum Lachen und - im Rückblick auf die bürokratischen Hemmnisse - fast ein bisschen zum Weinen. Knipser ist im Eichelmannschen Wein-Universum natürlich schon längst ein 5-Sterne-Winzer. Weltklasse - erstaunlicherweise noch immer der einzige aus der großen, seit Jahren dynamisch aufstrebenden Region Pfalz. Sogar im lange Zeit in Massenerträgen ertrinkenden Rheinhessen gibt es deren zwei. Vielleicht liegt das daran, dass man Knipser einfach keinen anderen Pfälzer gleichstellen mag. Was sogar verständlich wäre …

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