Weinheim

Glücksfall Grüffelo für den Beltz Verlag

Ungeheuer gut verkauft - Dabei ist das Geschäft mit Kinderbüchern nicht leicht

24.02.2020 UPDATE: 25.02.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 43 Sekunden
Eigentlich liebt der Grüffelo Butterbrot mit kleiner Maus. Doch am Ende der Geschichte kehrt sich die die Sache um: Die Maus verlangt nach Grüffelo-Grütze und schlägt das Monster in die Flucht. Foto: dpa

Von Matthias Kros

Weinheim. Wer ist dieses Wesen mit schrecklichen Klauen und schrecklichen Zähnen, um Tiere zu kauen?" – Fast jedes Kind weiß die Antwort auf diese Frage, viele kennen das ganze Buch längst auswendig. Der sagenumwobene Grüffelo, die Geschichte von einer cleveren Maus, die auf ihrem Spaziergang durch den Wald ein Ungeheuer zunächst nur erfindet, dann aber tatsächlich trifft, ist eines der erfolgreichsten Kinderbücher überhaupt.

Allein im vergangenen Jahr haben sich die Grüffelo-Bücher in Deutschland rund 150.000 Mal verkauft, hinzu kommen noch einmal ebenso viele Kuscheltiere, Brotdosen und Stifte-Sets mit dem Bild des zotteligen Monsters darauf.

Dabei ist der von der britischen Schriftstellerin Julia Donaldson geschriebene Weltbestseller schon über zwanzig Jahre alt. Erfunden hat die Figur 1999 der Kinderbuch-Illustrator und gebürtige Hamburger Axel Scheffler, der seit 1986 in London lebt. Er war es schließlich auch, der den Grüffelo in die Rhein-Neckar-Region brachte, wo Scheffler regelmäßig mit dem Beltz Verlag zusammenarbeitete.

Marianne Rübelmann, Chefin der Verlagsgruppe Beltz in Weinheim. Foto: zg

Dieser glückliche Umstand sorgte dafür, dass sich die Weinheimer 2002 die Grüffelo-Lizenz für Deutschland sichern konnten. Seither teilt sich Beltz die Einnahmen auf dem deutschen Markt gemeinsam mit Macmillan Children’s Books aus London, bei dem die Originalausgabe erschien. Dafür gilt ein festgelegter Schlüssel, den Beltz-Chefin Marianne Rübelmann freilich nicht verrät.

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Auf den Durchbruch des Grüffelo in Deutschland mussten die Weinheimer allerdings eine ganze Weile warten. Erst nach rund zehn Jahren sei das Monster mit den knotigen Knien, der Giftwarze im Gesicht und den Stacheln am Rücken so richtig in den Kinderzimmern angekommen, erinnert sich Rübelmann. Was damals den Ausschlag für den bis heute anhaltenden Erfolg gab, kann die Verlegerin nicht sagen. Ein besonderes Ereignis habe es jedenfalls nicht gegeben.

"So etwas ist auch bei anderen Kinderbüchern schwer vorherzusehen", sagt sie. "Man kann das manchmal nicht erklären." Schon in der Vergangenheit habe es immer wieder mal Kinderbücher gegeben, "die wir richtig gut fanden, die sich dann aber zunächst überraschend schlecht verkauften". Bei Kinderbüchern komme es eben sehr darauf an, "den Geist der Zeit zu treffen".

Doch mittlerweile ist Beltz mit dem Grüffelo so glücklich, dass ihm in der Nachbarschaft sogar eine Art Denkmal errichtet wurde. Im Weinheimer Wald am Rande eines Wanderwegs, der zur Burgruine Windeck führt, ist seit dem vergangenen Sommer eine Holzstatue des Monsters samt der kleinen Maus zu sehen. Und das Historische Museum der Pfalz in Speyer widmet dem zotteligen Kerl sogar eine eigene Ausstellung, die seit dem 22. Dezember schon über 30.000 Kinder und Eltern besucht haben.

An der Konzeption sei man allerdings nicht beteiligt gewesen, sagt Rübelmann. Auf die Buch-Verkäufe habe die Ausstellung vermutlich ohnehin keine größeren Wirkungen. "Wer dahingeht, hat sich das Buch in der Regel schon vorher gekauft." Aber was macht den Erfolg des Grüffelo heute aus? "Das Buch vermittelt den Kindern, dass es okay ist, vor etwas Angst zu haben", sagt die Verlags-Chefin. "Und dass es sogar ein Mäuschen schafft, sie zu überwinden."

Rund 40 Prozent des Verlagsgeschäfts von Beltz macht der Bereich Kinder- und Jugendbuch aus. Zu den Bestsellern zählt neben dem Grüffelo die Janosch-Buchreihe. Insgesamt sei dieses Geschäft kein einfaches, weiß Rübelmann. "Es ist mühsam, damit Gewinn zu machen", so die Verlegerin. Denn die Margen seien gleich von zwei Seiten unter Druck: Zum einen, weil die Kinderbücher im Gegensatz zur Belletristik seit jeher ein "niedrigpreisiger Markt" seien. "Eltern sind in der Regel nicht unbedingt bereit, einen hohen Preis für ein Kinderbuch zu bezahlen."

Hintergrund

Verlagsgruppe Beltz

Geschichte: Die Druckerei Julius Beltz wurde 1841 im thüringschen Langensalza gegründet. 1868 kam der Verlag Adolph Büchting in Nordhausen hinzu. Daraus wurde das "Verlagsgeschäft Julius Beltz", ein Verlag für Lehrbücher. Nach dem

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Verlagsgruppe Beltz

Geschichte: Die Druckerei Julius Beltz wurde 1841 im thüringschen Langensalza gegründet. 1868 kam der Verlag Adolph Büchting in Nordhausen hinzu. Daraus wurde das "Verlagsgeschäft Julius Beltz", ein Verlag für Lehrbücher. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die Nachfahren von Beltz nach Weinheim und bauten dort das Unternehmen neu auf.

Geschäftsfelder: Beltz ist in den Bereichen Kinder- und Jugendbuch, Bildung und Erziehung, Weiterbildung, Pädagogik und Psychologie tätig. Herausgegeben wird unter anderem die Zeitschrift "Psycholgie heute". Seit 2015 gehört auch der Campus Verlag in Frankfurt zu Beltz. Der Umsatz der Gruppe lag 2019 bei etwa 57 Millionen Euro, beschäftigt werden rund 300 Mitarbeiter.

Eigentümer: Beltz ist mittlerweile in der sechsten Generation in Familienhand. Verlegerin und Geschäftsführerin ist Marianne Rübelmann.

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Zum anderen seien die Bücher wesentlich aufwändiger zu machen, denn in der Regel ist nicht nur ein Autor, sondern auch ein Illustrator wie Scheffler beteiligt. Dadurch gewinnen sie – so der Grüffelo-Erfinder – zwar "deutlich an Intensität", sind in der Produktion aber entsprechend teurer. Und schließlich sei der Zeitdruck für die einzelnen Titel enorm. "Erfolg entscheidet sich innerhalb eines halben Jahres, dann kommen die nächsten Neuerscheinungen." Nur bei ganz besonders erfolgreichen Exemplaren werde von den Buchhandlungen noch einmal nachbestellt.

Deutschlandweit ist das Kinder- und Jugendbuch stabil die zweigrößte Warengruppe nach der Belletristik. Mit einem Umsatzanteil von 18,5 Prozent am Gesamtmarkt konnte das Segment laut Branchen-Monitor Buch 2019 abermals ein Wachstum verbuchen (plus 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

Dabei gab es im mit dem Smartphone konkurrierenden Jugendbuchbereich sogar ein kleines Minus. "Das Plus kommt allein durch die Kinderbücher, vor allem Bilder- und Vorlesebücher haben stark zugenommen", sagt Renate Reichstein, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj). "Die vielen Vorleseappelle scheinen etwas bewirkt zu heben", vermutet die Expertin. "Und die zahlreichen interaktiven Pappbilderbücher, die ja erwachsene Vorleser brauchen, zeigen, dass Lesen wieder als Gemeinschaftserlebnis angenommen wird." Dabei gebe es "erstaunlich viele" sogenannte Longseller wie den Grüffelo, Petterson & Findus und die Raupe Nimmersatt, die sich auch im vergangenen Jahr noch einmal über 100.000 Mal verkaufte.

"Das sind Klassiker, die man einfach haben muss", findet Reichstein. Teilweise hätten die Eltern sie schon selbst als Kind gelesen. Dabei ist der Kinder- und Jugendbuchmarkt verlagsseitig sehr zersplittert, mit Carlsen, Ravensburger und Oetinger ragen lediglich drei größere Verlage heraus. Zwei Drittel des Umsatzes mit Kinder- und Jugendbüchern mache man dabei über den klassischen Handel, erklärt Rübelmann. Kinder wollten die Bücher beim Auswählen einfach gerne anfassen.

Und bei den weit verbreiteten Buchgeschenken gebe es vor allem bei Erwachsenen, die keine eigenen Kinder hätten, einen hohen Beratungsbedarf, ergänzt Reichstein. Aktueller Trend seien Titel rund um den Klimaschutz: "Nach machen Schnellschüssen achten die Kinder jetzt auf Glaubwürdigkeit: Eine Hochglanzvorschau und Glitzer auf dem Cover gehen dann eben nicht mehr", so Reichstein.

Und wie geht es mit dem Grüffelo weiter? Nach der ursprünglichen Geschichte ist bislang nur ein zweiter Teil, nämlich das "Grüffelo Kind" erschienen. Zudem gibt es verschiedenste Regionalausgaben, etwa auf Plattdeutsch, Schwäbisch oder Kölsch. "Natürlich würde ich mich nicht sträuben, wenn es weitere Teile gäbe", sagt Rübelmann, warnt aber davor, die Idee überzustrapazieren. "Die Autoren wollen sich derzeit eher neuen Dingen widmen. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist."

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