SAP-Personalchef Cawa Younosi hält wenig von der Vier-Tage-Woche
Die verkürzte Arbeitswoche sei eine "verkappte Lohnerhöhung". Ökonom Marcel Fratzscher hingegen rät, es zu probieren.

Von Matthias Kros
Walldorf. Cawa Younosi, Personalchef Deutschland der SAP, hält wenig von der Einführung einer Viertagewoche. Zwar zweifle er nicht an Studien, nach denen "weniger Arbeit Beschäftigte glücklicher und zufriedener" mache, schrieb er bei dem Karrierenetzwerk LinkedIn. Und es sei auch richtig, dass Arbeitszeit nicht automatisch mit Produktivität gleichzusetzen sei, vor allem nicht bei Büro-Tätigkeiten.

Allerdings könne ja schon heute jeder, der weniger arbeiten wolle, das umsetzen. Dank dem "sehr arbeitnehmerfreundlichen Teilzeitbefristungsgesetz" machten dies auch nicht wenige – "mit entsprechendem anteiligem Gehalt natürlich", so Younosi, der unter den Personalchefs in Deutschland als ideenreicher Schrittmacher gilt. Wenn es um Innovationen bei der Mitarbeiterführung geht, schauen viele Personaler Richtung Walldorf.
In den Augen des SAP-Personalchefs zielen die Befürworter der Vier-Tage-Woche letztlich aber nur auf "eine verkappte Gehaltserhöhung" ab. "Genauer: 20 Prozent mehr Lohn als bei der Fünftagewoche, eingekleidet unterm Deckmäntelchen von besserer Gesundheit und höherer Zufriedenheit der Mitarbeitenden?", fragt er und bezweifelt, dass die Rechnung aufgehe, nach der "die so ausgeruhten Arbeitnehmenden dann produktiver wären, so dass der zusätzliche Lohn damit locker ausgeglichen wäre".
Zuvor hatte SPD-Chefin Saskia Esken gegenüber dem "Spiegel" ihre Forderung nach einer Viertagewoche bekräftigt: "Mit dem Angebot einer Viertagewoche in Vollzeit können Arbeitgeber ihre Attraktivität in einem Arbeitsmarkt erheblich steigern", sagte sie.
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Auch von den Grünen kommt klare Unterstützung für das Konzept: "Die Viertagewoche muss kommen, wenn wir uns als Gesellschaft geschlechtergerecht weiterentwickeln wollen", sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Emilia Fester. "Sie ermöglicht mehr Zeit für eine gerechte Verteilung der Care-Arbeit, Entlastung von Arbeitnehmenden und mehr Zeit und Ruhe für zivilgesellschaftliches Engagement."
Sogar Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, appelliert in der "Zeit" an Deutschland, die Viertagewoche auszuprobieren – wenn auch nicht flächendeckend.
Eine wissenschaftliche Studie der Universitäten in Boston, Dublin und Cambridge habe im vergangenen Jahr die Viertagewoche in 33 Unternehmen aus verschiedenen Ländern untersucht, so Fratzscher – und zwar bei vollem Lohnausgleich. Die Auswertung zeichne ein positives Bild.
Die Produktivität der Beschäftigten pro geleisteter Arbeitsstunde sei ebenso gestiegen, wie die persönliche Zufriedenheit vieler Beschäftigter. Zudem sei die Zahl der Krankheitstage gesunken. Sogar die Balance zwischen Männern und Frauen, mit wie viel Zeit sie sich für Kinder und Haushalt engagieren, habe sich verbessert.
Auch für die Unternehmen hätten sich zahlreiche Vorteile durch die Viertagewoche ergeben, trotz vollem Lohnausgleichs. So seien die höheren Lohnkosten nicht nur durch die höhere Produktivität pro Arbeitsstunde ausgeglichen worden, sondern auch durch weniger Krankheitsfehltage und weniger Kündigungen. Beides habe geholfen, die Kosten signifikant zu senken.
SAP-Personalchef Younosi überzeugt das alles nicht. Vielmehr ärgert er sich über die andauernde Diskussion: "Mich dünkt es, dass die Debatte von eigentlichem Thema ablenkt", findet er, und zwar: "Mehr Arbeitszeitflexibilisierung und familien- beziehungsweise menschenfreundliche Arbeitsbedingungen, mehr Investition in Bildung, koordiniertere Zuwanderung von Fachkräften, bessere Kinderbetreuungsangebote durch den Staat und keine starre Arbeitszeiterfassungspflicht für alle!"