Tankrabatt

Lindner nimmt Kartellamt in die Pflicht

Die Behörde soll die Umsetzung des Tankrabatts kontrollieren.

31.05.2022 UPDATE: 01.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 6 Sekunden
Christian Lindner. Foto: dpa

Berlin. (AFP) Kurz vor dem Start am Mittwoch sorgt der Tankrabatt weiter für Diskussionen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Dienstag, es sei Aufgabe des Bundeskartellamts durchzusetzen, dass die Steuersenkung "bei den Autofahrerinnern und bei den Pendlern ankommt". Die Behörde erklärte, sie beobachte die Lage intensiv – die Mineralölkonzerne handelten derzeit unter dem "Brennglas" des Kartellamtes. Hohe Preise könne es aber "nicht einfach verbieten".

Ab Mittwoch greift die auf drei Monate befristete Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Bei Benzin sinken die Steuersätze um 29,55 Cent je Liter und bei Diesel um 14,04 Cent. Die Maßnahme ist Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung, denn die Spritpreise haben sich in den vergangenen Monaten stark erhöht.

Lindner sagte dazu im Bundestag, die Steuersenkung werde "aus technischen Gründen" nicht sofort wirksam sein. Derzeit ist an den Tankstellen Kraftstoff vorrätig, den diese schon im Mai gekauft haben, also zum alten Steuersatz. Erst ab Mittwoch können die Tankstellen Kraftstoffe zum gesenkten Steuersatz beziehen. Kartellamtschef Andreas Mundt erklärte, seine Behörde könne nur kartellrechtswidriges Verfahren abstellen oder mit Bußgeldern ahnden. "Dafür gibt es aber bislang keine Hinweise." Gleichwohl sehe das Amt "seit Monaten eine Entkopplung" von Rohölpreis und Raffinerie- beziehungsweise Tankstellenpreisen. Daher werde die Preisentwicklung "mit sehr hoher Aufmerksamkeit" beobachtet.

Der Linken-Politiker Christian Görke forderte, das Kartellamt dürfe "nicht länger nur von der Seitenlinie zusehen", sondern müsse in das Geschäft der Mineralölkonzerne eingreifen. Denkbar sei die Einführung einer Übergewinnsteuer, schlug er vor. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, kritisierte die Spritpreissenkung als ordnungspolitischen Fehler und falsches Instrument gegen hohe Kraftstoffpreise. "Im Sinne der Ordnungspolitik soll die Politik lediglich in den Markt eingreifen, wenn der Preisanstieg auf missbräuchliche Marktmacht zurückzuführen ist", sagte Hüther.

Hintergrund

Berlin/München (dpa) - Ab Mittwoch sinken die Steuern auf Kraftstoffe kräftig. Doch so mancher Autofahrer könnte am Morgen von den Spritpreisen enttäuscht werden. Was zu erwarten ist.

Die Steuerentlastung

Die Steuerbelastung auf Kraftstoffe sinkt

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Berlin/München (dpa) - Ab Mittwoch sinken die Steuern auf Kraftstoffe kräftig. Doch so mancher Autofahrer könnte am Morgen von den Spritpreisen enttäuscht werden. Was zu erwarten ist.

Die Steuerentlastung

Die Steuerbelastung auf Kraftstoffe sinkt ab Mittwoch bis Ende August um 35,2 Cent pro Liter bei Superbenzin und um 16,7 Cent pro Liter bei Diesel. Beide Werte sind inklusive Mehrwertsteuer und aus europarechtlichen Gründen das auf diesem Wege maximal mögliche. Die Steuersenkung gilt für drei Monate und soll die Autofahrer angesichts der extrem hohen Spritpreise entlasten.

Die Entstehung des Preises an der Zapfsäule

Wie viel der Sprit an der Tankstelle kostet, bestimmen Tankstellenbetreiber und Mineralölkonzerne. Sie sind nicht zur Weitergabe der Steuersenkung verpflichtet.

Niemand weiß genau, was in der Mitte der Nacht zum Mittwoch passiert. Eine flächendeckende vollständige Preissenkung ist allerdings unwahrscheinlich. Die Steuersenkung gilt nämlich für den Kauf des Sprits bei Raffinerie und Tanklagern. Selbst was am Dienstagabend geliefert wurde, beinhaltet also noch die normale - höhere - Steuer. Das stellt Tankstellen und Mineralölgesellschaften vor ein Dilemma, denn viele Kunden erwarten sofort sinkende Preise. Im Ergebnis könnte es zu einem verzögerten Sinken des Preises kommen. Auch das Finanzministerium hatte am Montag noch einmal darauf hingewiesen, dass Tanken möglicherweise erst nach und nach billiger werden wird.

Der Ansturm

Ein Teil der Autofahrer hat den Tank weitgehend leergefahren, um maximal von der Steuersenkung profitieren zu können. Ob das am Mittwoch zu einem Ansturm auf die Tankstellen oder nur zu erhöhter Nachfrage führen wird, ist kaum vorhersehbar. "Wir erwarten Anfang Juni eine höhere Nachfrage, aber keinen "Run" auf die Tankstellen", heißt es beispielsweise von Aral. Bei Shell sieht man eine "erwartbar höhere Nachfrage".

Gegen einen "Run" spricht auch die Nachfrage nach Treibstoff in den vergangenen Tagen. Sowohl Aral als auch der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) berichten von einer relativ normalen Entwicklung. Hätte ein Großteil der Autofahrer den Tank bis zur Reserve geleert, hätte sich das eigentlich in sinkender Nachfrage niederschlagen müssen.

Dagegen sagt der für die Tankstellen zuständige Vizepräsident des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern, Günter Friedl: "Es ist zu erkennen, dass viele Autofahrer momentan weniger tanken." Das zeige, dass viele auf die Steuersenkung warteten, um wieder richtig voll zu tanken. Friedl erwartet daher Leerstände an Tankstellen: "Die Kapazitäten werden nicht ausreichen, dass zum 1. Juni genug preiswerter Sprit da ist."

Die Vorräte der Tankstellen

Dass Tankstellen erst ab Mittwoch steuervergünstigten Sprit kaufen können, macht es für sie unattraktiv ihre Lager vorab noch einmal zu füllen. Daher gibt es Befürchtungen, dass es zu Versorgungsengpässen kommen könnte. Auch Mineralölgesellschaften schließen dies nicht aus.

Dazu trägt bei, dass die Logistikkapazitäten für die Belieferung der Tankstellen bereits jetzt angespannt sind, wie es beispielsweise von Shell heißt. Allerdings versichert das Unternehmen: "Wir sind unsererseits bemüht, die Versorgung aller Tankstellen bestmöglich zu gewährleisten. Wir haben die Spediteure frühzeitig darauf hingewiesen, dass wir im Zuge der Steuersenkung die maximal verfügbare Fahrerzahl im Rahmen unserer Verträge anfordern werden." Bei Aral heißt es, man habe sich "vorbereitet und die Logistikketten sind robust aufgestellt".

Die Preise im Vorfeld der Steuersenkung

Seit einigen Wochen steigt der Preis für Superbenzin wieder. Zuletzt hat auch der Dieselpreis zugelegt. Der ADAC kritisiert beide als zu hoch. Allerdings steht Deutschland mit der Preisentwicklung im europäischen Vergleich nicht alleine da. In den meisten EU-Ländern hat sich Superbenzin der Sorte E5 in den letzten Wochen sogar etwas stärker verteuert als in Deutschland. Allerdings erklärte am Dienstag auch das Bundeskartellamt: "Wir sehen seit Monaten eine Entkopplung von Rohölpreis und Raffinerie- beziehungsweise Tankstellenpreisen."

Super E10 kostete im bundesweiten Tagesdurchschnitt des Montags 2,133 Euro pro Liter. Diesel schlug mit 2,029 Euro zu Buche. Bei einer vollständigen Weitergabe der Steuersenkung - und ohne weitere Preisschwankungen - ergäbe sich also ein Spritpreis von rund 1,86 Euro für Diesel und von rund 1,78 bei E10. Ob diese Werte erreicht werden, ist aus den genannten Gründen offen. Sowohl das Bundeskartellamt als auch der ADAC haben aber bereits angekündigt, die Entwicklung genau zu beobachten. Das Bundeskartellamt betonte aber auch, dass es hohe Preise nicht einfach verbieten könne.

Die politische Einschätzung

Es gibt alles von Lob bis zur Fundamentalkritik: Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb beispielsweise am Montag auf Twitter: "Wir lassen die Menschen nicht allein, die auf das Auto angewiesen sind." Greenpeace kritisierte dagegen: "Ausgerechnet die Partei, die Klimaschutz stets marktwirtschaftlich gestalten will, verfällt beim ersten Preissignal in Panik und greift mit dem milliardenschweren Tankrabatt in den Markt ein."

Das Kartellamt passt auf

Das Bundeskartellamt will sich die Entwicklung der Spritpreise rund um die Energiesteuersenkung sehr genau ansehen. Man habe das Monitoring "noch einmal intensiviert", sagte Präsident Andreas Mundt am Dienstag. "Auch wenn es keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins zu eins weiterzugeben, handeln die Mineralölkonzerne hier unter dem "Brennglas" des Bundeskartellamtes."

Allerdings betonte Mundt auch: "Als Wettbewerbsbehörde können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten." Sie könnten auch im Wettbewerb entstehen. Für kartellrechtswidriges Verhalten, das mit hohen Bußgeldern geahndet werden könne, gebe es bisher keine Hinweise.

© dpa-infocom, dpa:220531-99-493808/3

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Hintergrund

Von Christoph Moll

Region Heidelberg. Kommt es am Mittwoch auch in der Region rund um Heidelberg zum großen Ansturm auf die Tankstellen? Bekanntlich gilt ab 1. Juni ein "Tankrabatt", ein

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Von Christoph Moll

Region Heidelberg. Kommt es am Mittwoch auch in der Region rund um Heidelberg zum großen Ansturm auf die Tankstellen? Bekanntlich gilt ab 1. Juni ein "Tankrabatt", ein Liter Benzin soll dann für drei Monate dank Steuerermäßigungen etwa 35 Cent weniger kosten und ein Liter Diesel rund 17 Cent günstiger werden. Die Betreiber von Tankstellen in der Region stellen jedoch auch in den Tagen zuvor einen größeren Andrang an der Zapfsäule fest, wie eine Umfrage der RNZ ergab. Offenbar geht die Angst um, dass es ab Mittwoch zu Engpässen und leeren Tanks kommt.

Timo Schmid ist wenig begeistert vom Tankrabatt. "Für uns bedeutet das einen Riesenaufwand", sagt der Betreiber einer der letzten freien Tankstellen rund um Heidelberg in Schönau. Das Problem: In seinen Tanks befindet sich aktuell "teurer" Sprit, den er wohl ab Mittwoch deutlich günstiger verkaufen müsste. Deshalb hat er zuletzt nicht mehr vollgetankt und ordert ab Mittwoch über seinen Händler "günstigen" Sprit. Die Lieferung sei auch zugesagt worden. Schmid beobachtet seit einigen Tagen, dass mehr los ist an seiner Tankstelle. "Viele glauben wohl, dass es ab Mittwoch eng wird", meint er. "Bis Ende der Woche wird sich die Lage aber wieder normalisieren."

Der Inhaber der Tankstelle an der Schönauer Ortsdurchfahrt ist übrigens nicht gezwungen, die Preise am Mittwoch entsprechend zu senken. Eine entsprechende "Anweisung" habe er nicht bekommen. Schmid geht aber davon aus, dass er durch die Preise an anderen Tankstellen auch entsprechend nach unten gehen muss – vielleicht aber nicht 35 beziehungsweise 17 Cent auf einmal. "So einen großen Sprung kann ich mir nicht vorstellen", sagt Schmid. "Der Tankrabatt wird wohl verpuffen." Eine sinnvollere Maßnahme wäre die Senkung der Kfz-Steuer gewesen, meint er.

"Wir beobachten schon seit einer Woche, dass wir eher mehr Sprit verkaufen", berichtet Valerija Bilic, die seit zwei Jahren die Agip-Tankstelle an der Bundesstraße B37 in Kleingemünd betreibt. "Manche warten aber auch und tanken weniger." Die Zentrale habe zugesichert, dass es auch ab Mittwoch "genug Sprit" gebe. Es könne lediglich vereinzelt zum Ausfall von Zapfsäulen kommen. Es werde aber rund um die Uhr nachgetankt. Der Verdienst der Pächterin bleibt übrigens konstant – auch wenn der Literpreis sinkt. Dieser wird zentral festgelegt. Den Tankrabatt findet Bilic dennoch nicht gut. Dass dieser nur für drei Monate gelte, könne man nicht wirklich verstehen. Sie fände es besser, wenn es eine dauerhafte Steuerermäßigung geben würde.

Auch Artur Sammet begrüßt an seiner Aral-Tankstelle in Eppelheim derzeit mehr Kunden. "Viele haben Angst, dass sie ab Mittwoch nichts mehr kriegen", meint er. "Wir gehen auch von einem Ansturm aus – schließlich will jeder sparen." Ganz ausschließen könne man einen Engpass ab Mittwoch nicht. Auch Sammet versteht den Sinn der Drei-Monats-Regelung nicht. Lieber einen kleineren Rabatt, aber dafür dauerhaft, würde er besser finden. "Dann kann sich jeder drauf einstellen", meint er. "Jetzt aber hetzen am Mittwoch alle rum und bauen vielleicht noch einen Unfall", so Sammet.

Kaum Veränderungen bei der Nachfrage hat die Firma Winkler an ihren Automatentankstellen unter anderem in Sandhausen beobachtet. Rund 90 Prozent der Abnehmer sind gewerbliche Kunden wie Spediteure, wie Sahbaz Tatar von dem Unternehmen mit Hauptsitz in Viernheim und 18 Tankstellen in der Metropolregion berichtet. "Der Betrieb läuft wie gehabt", sagt er. Die gewerblichen Kunden müssten tanken, wenn der Sprit gebraucht werde. Deshalb seien die Tanks auch am Mittwoch voll. Den Rabatt hält Tatar für sinnvoll. "Die Politik muss den Verbrauchern entgegenkommen", meint er. "Es wird nicht viel bringen, aber das Signal ist wichtig."

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