Arbeitsmarkt erholt sich weiter
Die Beschäftigung nimmt trotz des Ukraine-Kriegs erneut zu. Die Unternehmer warnen jedoch vor den Risiken.

Von Michael Donhauser
Nürnberg/Stuttgart. Der Konjunkturmotor stottert, der Krieg in der Ukraine-Krise schürt Ängste, auch in der Wirtschaft, die hohe Inflation tut ihr Übriges – aber der Arbeitsmarkt in Deutschland bleibt zumindest vorerst stabil. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist auch im Mai weiter gesunken. 2,260 Millionen Menschen waren zuletzt ohne Job. Das sind 50.000 weniger als im April und 428.000 weniger als vor einem Jahr, wie die Bundesagentur für Arbeit am Dienstag mitteilte. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte und liegt erstmals seit Dezember 2019 mit 4,9 Prozent wieder unter der Fünf-Prozent-Marke.
Im Südwesten waren rund 204.200 Menschen arbeitslos gemeldet, rund 4900 weniger als im Vormonat, wie die Regionaldirektion der Arbeitsagentur in Stuttgart berichtete. Im Vergleich zum Vormonat sank die Arbeitslosenquote auch hier um 0,1 Punkte auf 3,2 Prozent. Im Mai 2021 hatte sie noch 4,0 Prozent betragen.
Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) erklärte, vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenherde sei die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erfreulich. "Angesichts dieser Zahlen dürfte die Arbeitslosenzahl bald wieder unter die Grenze von 200.000 fallen."
"Die Beschäftigung nimmt weiter zu, und die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften bewegt sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. "Der russische Krieg gegen die Ukraine und Lieferengpässe belasten jedoch die Aussichten", fügte er hinzu. Auch der Verband Unternehmer Baden-Württemberg warnte davor, dass sich die Konjunkturaussichten verdunkeln. "Zudem stehen die Unternehmen im Südwesten angesichts großflächiger Lockdowns in China und weltweiter Schiffsstaus vor einer weiteren Verschärfung der gravierenden Lieferprobleme", erklärten die Hauptgeschäftsführer Wolfgang Wolf und Peer-Michael Dick.
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Auf der anderen Seite profitierten Handel und Dienstleistungen laut Arbeitsagentur vom Ende der coronabedingten Einschränkungen. Vor allem bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren oder Fußpflegern hatte es zuletzt nach Darstellung von Volkswirten einen erheblichen Konjunkturschub gegeben.
Erstmals seit Beginn des Kriegs in der Ukraine macht sich auch die Flüchtlingsbewegung auf dem deutschen Arbeitsmarkt bemerkbar. "Seit Kriegsbeginn ist die Zahl der Arbeitslosen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft spürbar gestiegen", sagte Scheele. Allein von April auf Mai sei diese Zahl um fast 6000 gestiegen. Scheele erwartet für die nächsten Monate einen weiteren spürbaren Anstieg – künftig werden die Ukraine-Flüchtlinge nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern im Sozialgesetzbuch (SGB) II erfasst, also als Hartz-IV-Empfänger. Damit gehen sie auch in die Arbeitslosenstatistik ein – können aber nach Scheeles Darstellung auch leichter qualifiziert und vermittelt werden.
"Mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt und dem Rechtskreiswechsel haben wir die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Wir werden die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt weiter mit aller Kraft angehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir aus den Ereignissen von 2015 gelernt haben und es gut hinbekommen werden", sagte er.
Denn der deutsche Arbeitsmarkt ist extrem aufnahmefähig – eines seiner größten Probleme ist derzeit der Mangel an Fachkräften. Die Nachfrage nach neuem Personal bewege sich im Mai weiter auf sehr hohem Niveau, hieß es aus Nürnberg. Im Mai waren 865.000 Arbeitsstellen gemeldet, 211.000 mehr als vor einem Jahr. Saisonbereinigt hat sich der Bestand der bei der Bundesagentur gemeldeten Arbeitsstellen um 9000 erhöht.