Gekündigter SAP-Betriebsrat

War das berechtigte Kritik oder ein polemischer Angriff?

Gütetermin wegen Kündigung von SAP-Betriebsratsmitglied vor Gericht - Richterin spricht von "schwierigem Spannungsfeld"

16.10.2019 UPDATE: 17.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden

Firmenlogo an der Konzernzentrale des Softwarekonzerns SAP in Walldorf. Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Mannheim. Dieser Fall ist außergewöhnlich. Das betont die Vorsitzende Richterin Claudia Fath immer wieder. Ein gekündigtes Betriebsratsmitglied - dessen Kündigung auch noch von anderen Betriebsräten mitgetragen wird. Eigentlich habe sie gedacht, sie hätte in 25 Jahren als Arbeitsrichterin schon alles erlebt, so Fath. Nun wird sie eines besseren belehrt.

Es geht um ein Betriebsratsmitglied des Walldorfer Softwarekonzerns SAP. Ihm wurde Anfang August außerordentlich und fristlos gekündigt. Vor dem Mannheimer Arbeitsgericht klagt er auf Wiedereinstellung. Dort referiert nun Richterin Fath bei einem Gütetermin erstmals öffentlich die Gründe, die der Konzern zur Kündigung anführt. Im Kern geht es um die Frage, wo berechtigte Kritik am Arbeitgeber aufhört und ab wann Äußerungen den Betriebsfrieden stören.

Regelmäßig hatte das Betriebsratsmitglied einer Vielzahl von SAP-Mitarbeitern Newsletter geschickt, die viele als polemisch bezeichnen. Er habe Stimmung gegen bestimmte Gruppen gemacht und zum Teil populistische und fragwürdige Thesen vertreten, heißt es.

Eine Abmahnung erhielt er im vergangenen Jahr wegen eines Textes mit der Überschrift "Die Schuld des Penis am Klimawandel", in dem eine Diskriminierung von Männern beklagt wird. Unternehmensangaben zufolge soll er damals angewiesen worden sein, die Kommunikation respektvoll und fair zu halten.

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Dennoch erschien im Juli ein Newsletter mit dem Titel "Interne Bewerbungen auf höhere Positionen - Wie bei SAP Karrieren verhindert werden ... und der Betriebsrat dabei hilft". Dort wird nach Auffassung des Konzerns unterstellt, SAP wirke gezielt mit einem Betriebsratsausschuss - dem "Ausschuss für personelle Einzelmaßnahmen" (PEM) - zusammen, um Mitarbeiter bei Beförderungen um eine höhere Vergütung zu bringen. Vier "Tricks" werden im Newsletter aufgeführt, wie SAP Höhergruppierungen verhindere. Der PEM wird als "Service-Einheit für den Arbeitgeber" bezeichnet. Jener siebenköpfige Ausschuss, der später mit vier zu drei Stimmen der Kündigung des Betroffenen zustimmte.

Ein Betriebsratsmitglied genießt in Deutschland ein Sonderkündigungsrecht. Unter anderem muss die Arbeitnehmervertretung zustimmen. Hier war die Zustimmung an jenen "Ausschuss für personelle Einzelmaßnahmen" delegiert.

Vor Gericht spricht Rechtsanwältin Barbara Reinhard, die SAP vertritt, nun von zum Teil unwahren und größtenteils aggressiven Äußerungen, mit denen der Betroffene Mitglieder des Betriebsrats und Unternehmensvertreter angegriffen und den Betriebsfrieden gestört habe. Sie spricht von polemischen, diffamierenden und ehrverletzenden Äußerungen. "Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass Spielregeln eingehalten werden."

Meinungsfreiheit, fügt Reinhard hinzu, sei ein hohes Gut. Und SAP stehe für eine offene Gesprächskultur. "Natürlich kann auch Kritik geäußert werden - aber in sachlichem und respektvollem Ton."

Kritik zunächst bei Betriebsratsgremien und dem Arbeitgeber anzubringen - das habe der Betroffene doch versucht, erklärt dessen juristischer Beistand, Rechtssekretär Martin Gerhardt von der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM),vor Gericht. "Er ist damit aber nicht durchgedrungen." So sei ihm aus seiner Sicht nichts anderes übrig geblieben, als sich an eine größere Öffentlichkeit zu wenden.

"Mit Kritik muss ein Unternehmen umgehen können", fügt Gerhardt hinzu - "auch wenn sie pointiert formuliert ist". Es könne nicht sein, dass das Unternehmen versuche, die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern zu kontrollieren.

Auch Betriebsratsmitglied Ralf Kronig zeigt sich am Rande des Gütetermins verwundert: "Wer soll denn sonst Kritik äußern?", fragt er. "Das kann doch nur ein Betriebsratsmitglied." Er verstehe nicht, dass SAP bei diesem Thema so sensibel reagiere.

Von einem "schwierigen Spannungsfeld" spricht Richterin Fath - und räumt ein, dass sie sich noch keine Meinung gebildet habe. "Natürlich darf ein Betriebsrat den Arbeitgeber kritisieren, auch pointiert", sagt sie. Andererseits könne man es dabei auch übertreiben. "Es kann Mitarbeiter verunsichern, wenn der Eindruck erweckt wird, es gehe bei Beförderungen nicht mit rechten Dingen zu - und der, der sie schützen soll, spielt mit der anderen Seite zusammen."

Für den Ausgang spricht sie von einer 50:50-Chance. Und regt an, dass sich die beiden Parteien mit einem Mediator oder einem Güterichter zusammensetzen. Zwei Wochen haben sie nun Zeit, sich zu diesem Vorschlag zu äußern.

Die SAP-Vertreter signalisieren Bereitschaft. Ebenso die Gewerkschaft CGM. Allerdings müsse zunächst die finanzielle Situation des gekündigten Betriebsratsmitglieds geklärt werden, der derzeit lediglich Krankengeld beziehe.

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