Entlassener SAP-Betriebsrat

E-Mail-Newsletter an Belegschaft war wohl Kündigungsgrund

Betriebsratsmitglied kämpft weiter gegen Kündigung - Unterstützer machen mobil - "Polarisierende Äußerungen"

09.10.2019 UPDATE: 10.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden

Konzernzentrale von SAP in Walldorf: Haben E-Mail-Newsletter dort den Betriebsfrieden gestört? Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Walldorf. Das Team des gekündigten SAP-Betriebsratsmitglieds kämpft - nicht nur vor Gericht. Dort hat der Betroffene auf Wiedereinstellung geklagt, am kommenden Mittwoch findet ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Mannheim statt. Doch seine Unterstützer machen auch innerhalb des Unternehmens mobil.

So ging kürzlich ein Newsletter per E-Mail an Mitarbeiter des Softwarekonzerns, in dem das Team seine Sicht der Dinge darstellte und um Unterstützung warb. Über einem Foto des Betroffenen steht in großen roten Buchstaben das Wort "Fired" - "gefeuert". Der Gekündigte zeige sich entsetzt über das Vorgehen des Arbeitgebers, heißt es in dem Schreiben.

Gerade solche E-Mail-Newsletter an einen großen Verteiler innerhalb der SAP waren es offenbar, die zur fristlosen und außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds Anfang August geführt hatten. Verantwortlich für den Newsletter zeichnet nun aber kein SAP-Mitarbeiter mehr, - sondern die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), deren Vertrauensmann der Betroffene bei SAP war und die ihn juristisch unterstützt.

Gründe für die Kündigung des Betriebsratsmitglieds hat SAP bislang offiziell nicht genannt. Ende August hatte ein Unternehmenssprecher mitgeteilt, es handle sich um eine Individualentscheidung, die nicht im Zusammenhang mit dem Amt des Betriebsrats stehe. Darüber hinaus äußert sich der Konzern auf Anfrage derzeit nicht.

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Die Gewerkschaft geht jedoch davon aus, dass die Kündigung von politischen Erwägungen motiviert sei, wie es in einer Stellungnahme des CGM-Rechtsbeistands Martin Gerhardt heißt. Der Betroffene habe sich "bei der Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen im Betrieb nie gescheut, wenn es notwendig war, Kritik zu äußern und Positionen zu vertreten, die der offiziellen Linie der Arbeitgeberseite widersprechen". Dieses Recht eines Arbeitnehmervertreters wahrzunehmen "hat er sich möglicherweise häufiger und intensiver verpflichtet gesehen, als es dem Arbeitgeber recht war".

Tatsächlich nennt das Unternehmen in einem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung als Anlass "schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverstöße", die der Betroffene "erneut durch verschiedene Äußerungen in mehreren durch ihn im Rahmen der unternehmensinternen Kommunikation veröffentlichten Artikeln begangen hat".

Diese "teilweise sogar unwahren - jedenfalls stark polarisierenden und größtenteils aggressiven Äußerungen" seien nicht zuletzt aufgrund der getroffenen Wortwahl und der verwendeten Illustrationen in erheblicher Weise dazu geeignet, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen.

Angeführt wird unter anderem ein Artikel aus dem Juli 2019 mit dem Titel "Interne Bewerbungen auf höhere Positionen - Wie bei SAP Karrieren verhindert werden ... und der Betriebsrat dabei hilft". Unter der Überschrift ist auf einer Illustration eine Figur zu sehen, die ein übergroßer Daumen scheinbar niederzudrücken versucht.

In diesem Newsletter werden vier "Tricks" aufgeführt, mit denen der Konzern Höhergruppierungen verhindere. Die Darstellung könne nur als aufwiegelnd und Angriff auf die Arbeitgeberin angesehen werden, heißt es im Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Keine der Behauptungen sei wahr.

Angeführt wird dort zudem ein Text aus dem Juli 2019 mit dem Titel: "Arbeitgeber möchte e-mail-Kommunikation einschränken". Bei dieser Einschränkung, heißt es im entsprechenden Newsletter, "geht es insbesondere um das Versenden von Massen-e-Mails ohne dienstlichen Bezug". Bezeichnet wird das als "e-Mail-Maulkorb für Betriebsratslisten". Dabei sei diese Kommunikation gerade für kleine Betriebsratsgruppen oftmals das einzige Mittel, um Gehör zu finden.

Im Artikel wird aus dem Verhandlungsentwurf einer Betriebsvereinbarung zitiert. Mit der Veröffentlichung in einem frühen Stadium habe der Betroffene für Unruhe gesorgt und Stimmung in der Belegschaft gemacht, steht im Antrag auf Zustimmung zur Kündigung.

Die Vorwürfe des Arbeitgebers entbehrten jeder Grundlage, schrieb der Betroffene im Sommer in einer Stellungnahme an Betriebsratskollegen. In der Vergangenheit seien von anderen Listen wesentlich schärfere Artikel herausgegeben worden - zum Teil mit Unwahrheiten. Er selbst wolle weiter für eine Kultur der Meinungsfreiheit eintreten.

Für Betriebsräte gilt in Deutschland ein Sonderkündigungsrecht. Unter anderem muss die Arbeitnehmervertretung zustimmen. Diese Zustimmung erteilte in diesem Fall ein siebenköpfiger "Ausschuss für personelle Einzelmaßnahmen" (PEM) des Betriebsrats. Kurz darauf stimmte jedoch das gesamte Gremium noch einmal ab und lehnte die Kündigung ab.

Insgesamt gilt die Arbeitnehmervertretung bei SAP als zerstritten. Das 43-köpfige Gremium ist stark zersplittert. Dennoch berichtet das Team nun über Solidaritätsbekundungen aus dem Gremium: Der Betroffene freue sich über die ermutigenden Reaktionen und die Solidarität einer großen Mehrheit des Betriebsrates, heißt es in einem Newsletter, in dem ein Betriebsrat mit den Worten zitiert wird: "Ich hoffe, dass dem Unternehmen SAP durch dieses skandalöse Vorgehen kein Schaden entsteht. Sozialpartnerschaft sieht für mich anders aus."

Ort des Geschehens

Für das Team des Betroffenen stellt sich nun die Frage, "wie bei SAP künftig die Meinungsfreiheit und deren Grenzen interpretiert werden dürfen". Es stehe zu befürchten, "dass sich andere Betriebsratsmitglieder vorerst nicht mehr trauen, Kritik zu äußern", schreiben sie.

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