Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat im Landtag ihre Haltung zum Ausbau der Ganztagsbetreuung verteidigt. Hintergrund eines länger schwelenden Streits ist der Plan der Bundesregierung, Nachmittagsbetreuung für Grundschüler ausbauen. Ziel von Union und SPD ist es, 2025 einen Rechtsanspruch zu schaffen. Das soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und Kinder aus sozial schwachen Familien stärker fördern.
Doch das kostet. Der Bund hat angekündigt die Länder mit 3,5 Milliarden Euro zu unterstützen und sich an künftigen Kosten zu beteiligen. Als erste Tranche sollen 750 Millionen fließen. Bund und Länder haben eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt. Doch Baden-Württemberg, dessen Anteil an der ersten Tranche bei rund 98 Millionen Euro läge, unterschreibt das Papier nicht, weil Eisenmann ihr Veto eingelegt hat.
Grund ist eine Besonderheit im Land: Es gibt vergleichsweise wenige "echte" Ganztags-Grundschulen, an denen Lehrer nach dem grün-roten Landesschulgesetz von 2014 verbindlichen Unterricht bis zum Nachmittag halten. Von allen ganztags betreuten Grundschülern besuchen rund 20 Prozent eine solche Einrichtung.
80 Prozent der Kinder nutzen Angebote, die nicht unter Aufsicht des Landes stehen. Die Kommunen sorgen, teils mit eigenem Personal, teils in Zusammenarbeit mit Vereinen oder anderen Trägern, für Nachmittagsangebote, die Kinder relativ flexibel besuchen können.
Die Flexibilität ist insbesondere der CDU im Land heilig. Man bekenne sich "ausdrücklich zu dieser Wahlfreiheit und zur Vielfalt der Angebote", sagte der CDU-Abgeordnete Karl-Wilhelm Röhm am Mittwoch im Landtag. Dort hatte die SPD eine Debatte angemeldet. Eisenmann bekämpfe den Ganztag, kritisierte Daniel Born (SPD), lobte aber ausdrücklich die kommunalen Angebote.
Das Problem: Die Vereinbarung, auf deren Basis das Bundesgeld fließen soll, sieht keine Förderung für kommunale Angebote vor – wenn sie nicht unter der Aufsicht des Landes stehen. Eisenmann lehnt die Vereinbarung daher ab – und sperrt so die Zahlungen an alle Länder.
Die Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin ist insofern in einer komfortablen Situation, als die Verhandlungen die Staatskanzlei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geführt hat. Ein Sprecher Kretschmanns sagt, eine Einigung sei möglich. Die einfachste Lösung wäre, "wenn das Kultusministerium die Angebote der Kommunen unter Schulaufsicht stellt".
Das aber lehnt Eisenmann mit der Begründung ab, das Land müsse dann künftig die Kosten tragen: jährlich rund 300 Millionen Euro. Sie strebt einen anderen Weg an: Der Bund solle die Vereinbarung so ändern, dass auch "Angebote unter kommunaler Aufsicht"gefördert werden können. "Vor Ort muss entschieden werden", so Eisenmann im Landtag.
In einem fünfseitigen Brief an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat Eisenmann "die Vielfalt der baden-württembergischen Ganztags- und Betreuungslandschaft" dargestellt. Nun wartet man im Land auf eine Reaktion. Eine Sprecherin Giffeys teilt mit, es gebe "noch keinen neuen Stand".