Die Ernteaussichten im Unterland sind in diesem Jahr gut: Die Trockenheit wurde durch den Regen in den vergangenen Wochen ausgeglichen und nur wenige Trauben bekamen Sonnenbrand. Auch Schädlinge halten sich zurück. Symbolfoto: Christian Beck
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. "Ohne Corona" wäre es ein gutes Jahr geworden, trotz Corona fällt die Bilanz im Geschäftsbericht der Weingenossenschaft (WG) Heilbronn immer noch zufriedenstellend aus, oder auch: besser als befürchtet. Das wichtigste Ergebnis sei immer, das betonen Vorstand Justin Kircher und Karl Seiter für die Geschäftsführung, ein gutes Traubengeld an die Mitglieder ausbezahlen zu können. Es ist in diesem Jahr mit 13.300 Euro pro Hektar genauso hoch wie im vergangenen, und es liegt auch um 2300 Euro über dem Landesdurchschnitt. Das ist zweifellos auch das Ergebnis einer vorausschauenden Finanz- und Investitionspolitik, wie auch großer und vermehrter Anstrengungen im Vertrieb. Zupass kommt ebenfalls, dass die ganz großen und notwendigen Investitionen schon in den Jahren zuvor getätigt wurden: Der Aus- und Umbau des WG-Gebäudes, unter anderem mit einem attraktiven Verkaufsraum, dazu ein Weingarten als Frischluftlokal mit bester Aussicht in die Weinberglandschaft und die Zentralisierung der Rebveredlung vor Ort in einer neuen Rebschule.
Einen "Bruch" hätte es dennoch geben können, als die Geschäftsführung plötzlich unbesetzt war, man sich schon nach wenigen Monaten vom Nachfolger von Karl Seiter trennte. Seiter ist nun aber noch einmal aus dem Ruhestand zurückgekehrt und hat sich verpflichtet, bis Ende 2021 seinen "alten Job" wieder nahtlos zu übernehmen, auch danach weiter als Berater zur Verfügung zu stehen. Dafür, dass sich dieses Problem nicht wiederholen wird, steht Daniel Drautz (29 Jahre). Er hatte sich als Verantwortlicher für den so überraschend erfolgreichen Auftritt von WG Heilbronn und "Wein-Villa" auf der Buga schon qualifiziert und wird jetzt ganz offensichtlich als Nachfolger von Seiter aufgebaut, nachdem er jetzt schon für Personal, Finanzen und das interne Controlling zuständig ist. Und mit Reiner Weber, verantwortlich für den nationalen Betrieb, und Seiter hat die WG jetzt eine Troika an der Spitze, die für Erfolg steht.
Die WG Heilbronn ist größte deutsche Genossenschaft mit eigenen Produkten, nach Mitgliedern und Hektar auch die größte in Baden-Württemberg. Und sie wächst immer noch, mit neuen Aufnahmen und vor allem nach Rebfläche, im vergangenen Jahr kamen 50 Hektar hinzu, in diesem Jahr musste man einen vorläufigen Aufnahmestopp einlegen. 8,57 Millionen Liter Wein sind verkauft worden, etwas mehr als im Vorjahr, die Umsatzerlöse gingen dabei leicht zurück auf 27,2 Millionen Euro, entsprechend dem Trend eines zuletzt etwas geringeren Weinkonsums.
Größte Abnehmer der WG aus dem Handel sind nach der Edeka-Gruppe Lidl und Kaufland. Stabil blieben die Direktabsätze bei Wein und Sekt bei 21,3 Millionen Euro. Der Bilanzgewinn liegt bei rund 147.600 Euro, die Rücklagen weit über den Verbindlichkeiten, sodass sich alles in allem ein gutes Gesamtbild auch mit guten Aussichten ergibt. Die Umsatzmarke 2019 wurde schon im August geknackt, und die Ernteaussichten sind ausgesprochen gut, nachdem das größte Problem, die Trockenheit, durch die Regenfälle der zurückliegenden Wochen ausgeglichen wurde. Zudem bekamen nur wenige Trauben "Sonnenbrand" und sogar die Essigkirschfliege hält sich zurück.
Zu den auch bei bester Geschäftspolitik nicht beherrschbaren Faktoren zählt auch, dass die Weinpreise so niedrig sind – nur 15 Prozent der Flaschenweine kosten über drei Euro. Das liegt an den weltweiten Importen nach Deutschland, hier das Land Nummer 1, und an den weltweit über 40 Millionen Hektolitern zu viel produziertem Wein. Mit minimalen Preiserhöhungen im kleinen Cent-Bereich will die WG im nächsten Jahr etwas gegensteuern.
Justin Kircher und auch Reiner Weber sagten, dass sie den 15. März dieses Jahres, den Tag des Lockdowns, nie im Leben vergessen werden – danach sei alles abgeschnitten und wie zu Ende gewesen. Es habe einige Wochen gedauert, bis man sich gefangen habe. Aber nach der Überwindung des Lockdown-Schocks und auch nachdem der Buga-Effekt Vergangenheit ist, begeisterte Weinfreunde bestellten damals für 34.000 Euro Weine für sich zu Hause nach, hat man sich neue Ziele gesetzt. Dazu gehören unter anderen die Verfolgung neuer Trends und das Wagnis neuer Sorten. Dafür stehen beispielsweise Weißweine für das junge Publikum, so wie auch der "Triebwerke Schillerwein", ein "echter Schiller" wie Kircher betont (Sauvignon Blanc, Merlot und Caberent Sauvignon) oder der "Ursprung-Trollinger", der zeigen soll, dass man das Potenzial dieser Rebsorte noch lange nicht ausgeschöpft hat.
Wenn die WG-Verantwortlichen eine andere Zukunftsvision eher plagt, dann liegt das nicht am Wetter oder am Markt, sondern an der Politik. Justin Kircher ist fast davor zu resignieren angesichts der bevorstehenden Änderungen im sogenannten Bezeichnungsrecht. Er befürchtet nicht nur Unklarheiten, sondern vor allem auch, dass dann "historische" Namen von Lagen verschwinden werden, die den Weinfreunden seit Jahrzehnten vertraut sind.