Weihnachtszirkus Heilbronn

Selbst die "Pausenclowns" haben Weltformat

Heilbronner Weihnachtszirkus ist spektakulär in die 21. Spielzeit gestartet - Bis 6. Februar werden wieder 80 000 Besucher erwartet

19.12.2019 UPDATE: 20.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden
Die „Simets“ zeigten waghalsige Balanceakte auf einem langsam rotierenden Stahlgerüst. Fotos: Armin Guzy

Von Armin Guzy

Heilbronn. Der Schwerkraft spottende Leiterakrobatik, Balanceakte im Raumanzug, innovative Tierdressur und (Kraft-)Akrobatik in Vollendung: Aus wunderbaren Nummern der hohen alten Zirkusschule und selten Gesehenem hat der Heilbronner Weihnachtszirkus ein Programm gewoben, das bei der Premiere am Donnerstag kaum noch jemanden auf den Sitzen hielt. Minutenlanger Applaus war der Dank des Publikums für fast drei Stunden Aaahs und Ooohs, für stockenden Atem, für Ästhetik und Komik.

Ein "Festival der Preisträger" hatten die Zirkus-Macher versprochen – und Wort gehalten. Gleich fünf der 14 Darbietungen haben beim internationalen Circusfestival in Monte Carlo jeweils einen Bären eingeheimst, vier sogar einen Goldenen, den Oscar der Zirkuswelt. Und doch waren es vor allem die unbekannteren Nummern, die das Publikum zum Staunen brachten. Eine riesige, sich drehende Stahlkonstruktion hatten Laszlo Simet und seine Truppe aus Ungarn mitgebracht – um, als Astronauten verkleidet, darauf waghalsige Balancekunststücke zu zeigen. Die nebelumwaberte "Landung" in der Manege, die schwer anmutenden Raumanzüge, die Bewegungen in Zeitlupe: Fast meinte man, einen artistischen Science-Fiction-Film zu sehen. Es war ein Glanzlicht des Abends.

Steigerung kaum möglich: Merrylou beim Bogenschuss per Fuß über Kopf im Handstand. Fotos: Armin Guzy

Die "Richters" vom ungarischen Nationalzirkus setzten mit ihrer Jockey-Nummer neue Standards, und innovativ waren auch die beiden Dressurnummern. Tiertrainerin Rosi Hochegger bewies, dass es auch ohne den oft kritisierten Zwang, ohne Peitsche und kaum artgerecht zu haltende Wildtiere geht. Ihr Schimmel "Scout" hätte als "Kleiner Onkel" jeder Pippi Langstrumpf-Verfilmung zur Ehre gereicht. Ein lachendes, küssendes Pferd, das sich mit Dehnübungen auf den großen Sprung vorbereitet, sich dann aber stoisch allen Anweisungen widersetzt, sich in ein überdimensioniertes Bett legt und die Decke über die Flanke zieht – alles scheinbar ohne Zutun seiner menschlichen Partnerin. Das Staunen war groß, und auch Hocheggers spätere Nummer mit Hunden begeisterte. Löwe, Tiger & Co. sucht man im Heilbronner Weihnachtszirkus inzwischen vergeblich – das war in den 20 Jahren zuvor nicht immer so.

Spektakuläre Körperbeherrschung zeigten gleich mehrere Artisten – am Boden und viele Meter darüber. Mit Sergii Popov und Mykola Shcherbak, den beiden Goldenen-Clown-Gewinnern und zweifachen Welt- und Europameistern im Kunstturnen, kamen die derzeit wohl besten Handstandequilibristen nach Heilbronn. Sie bewiesen, dass sich Artistik und Humor nicht ausschließen und im gekonnten Zusammenspiel körperliche Höchstleistungen federleicht scheinen lassen.

Nicht jede der schwierigsten Nummern klappte bei der Premiere auf Anhieb, aber immer gab das Publikum den Akteuren eine weitere Chance, ermuntert durch Klatschen und "Bravo"-Rufe. Sergio Paolo beispielsweise, ein junger, preisgekrönter Chilene, brauchte drei Anläufe, um nach einem Rückwärtssalto aus dem Stand alle sechs zuvor geworfenen Flummi-Bälle weiter aufdopsen zu lassen, dann aber waren die 2150 Premiere-Zuschauer restlos aus dem Häuschen.

Kraftakrobatik in Vollendung: Sergii Popov und Mykola Shcherbak sind preisgekrönt. Fotos: Armin Guzy

Und auch unter der Kuppel des mächtigen Zirkuszeltes, viele Meter über den Köpfen des Publikums, tat sich Spektakuläres. Dort zeigten die "Flying Tabares" unter anderem Salti mortale auf dem doppelten Flugtrapez. Die aus Argentinien stammende elfköpfige Trapeztruppe ist die größte der Welt und eigentlich immer ausgebucht. Dass sie in Heilbronn auftritt ist ebenso bemerkenswert, wie das Gastspiel des vietnamesischen Duos "Moment of Love". Was vor einigen Jahren aus politischen Gründen noch unmöglich war, ist nun in der Käthchenstadt zu erleben: Zwei Artisten, die mit ihrer unglaublich anmutigen Show an den Strapaten große Gefühle unter die Zirkuskuppel brachten.

Selbst Steve und Jones, die beiden Umbaupausenclowns, hatten weit mehr zu bieten als den zunächst eher drögen Klamauk und reihten sich mit ihren Kunststücken und musikalischen Fähigkeiten nahtlos ins Artistikprogramm uf Weltformat ein. Steves publikumsanimierende "Uh, Uh"-Rufe zogen sich durch den gesamten Abend und waren noch auf dem Nachhauseweg zigfach zu hören.

Info: Bis zum 6. Januar gibt der Weihnachtszirkus auf der Theresienwiese täglich um 15.30 und 20 Uhr Vorstellungen. An Heiligabend gibt es nur eine Show um 14 Uhr und am Neujahrstag ist spielfrei. Karten gibt es bei der RNZ und allen Reservix-Vorverkaufsstellen. 

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