Von Sören S. Sgries
Stuttgart/Heidelberg. Miserable Umfragewerte für die CDU, massive Kritik an ihrer Schulpolitik: Wer erwartet hätte, dass CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenman deshalb Trübsal blasen würde, der sieht sich getäuscht. Im digital geführten Podcast-Interview zeigt sich die 56-Jährige gutgelaunt – und spricht auch offen darüber, wie verletzend sie es findet, wenn ihr nur wahltaktisches Kalkül bei ihrem Einsatz für offene Schulen unterstellt wird.
Frau Eisenmann, Sie haben in der Vergangenheit gesagt: Fußballtrainer oder Kultusministerin – irgendwie sei das schon vergleichbar. Wären Sie inzwischen lieber Trainerin?
Beides sind Bereiche, wo die Menschen mitreden wollen, wo sie spüren, dass sie was zu sagen haben. So erklärt sich dieser Vergleich. Aber ich habe nicht vor, auf die Trainerbank beim Fußball zu wechseln.
Ein Kreuz, zwei Stimmen - Folge 8: Wie die CDU wieder stärkste Kraft werden will - mit Susanne Eisenmann
Moderation: Sören Sgries und Alexander Rechner / Schnitt und Produktion: Reinhard Lask
Wie schätzen Sie denn die Lage Ihres eigenen Teams ein, gerade mit Blick auf die eher schlechten Umfragewerte?
Unser Team steht gut da. Wir sind personell, strategisch und taktisch gut aufgestellt. Erst wenn abgepfiffen wird, steht das Ergebnis fest. Und bis dahin lohnt es sich zu kämpfen. Wir kennen viele Spiele, wo nachher das Ende nicht so war, wie man glaubte, es absehen zu können.
Der Start war nicht so erfolgreich. Wie arbeiten Sie beispielsweise den Spott über Ihre Wahlplakate auf?
Wir haben Plakate präsentiert, die wir lange abgewogen haben – und über die diskutiert wird. Mehr kann man eigentlich nicht erreichen. Dass dann im Netz das eine oder andere daraus gemacht wird, das beeindruckt mich nicht.
Und die Wahl des CDU-Bundesvorsitzenden? Sie hätten sich ja eher Friedrich Merz als Armin Laschet gewünscht.
Wir hatten drei starke Kandidaten. Die CDU Baden-Württemberg hat sich – aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwerpunktsetzung – mehrheitlich für Friedrich Merz ausgesprochen. Der innerparteiliche Wahlkampf hat der CDU gutgetan. Und wir haben überhaupt kein Problem damit, mit Armin Laschet zusammenzuarbeiten.
Wenn es für die Wahl zur Ministerpräsidentin reichen sollte: Wer wäre Ihr Vorbild? Günther Oettinger, den Sie lange als Büroleiterin begleitet haben?
Lothar Späth, Günther Oettinger – die haben die Themen angegangen, haben Innovationen und Investitionen in Baden-Württemberg ermöglicht. Ihr Ideenreichtum, ihre Dynamik und ihre Offenheit sind vorbildhaft.
Und was die Machtpolitik angeht, das "Strippenziehen", was haben Sie da gelernt?
Es geht in jedem Bereich, auch in Unternehmen, darum, Netzwerke zu bilden und Positionen mehrheitsfähig zu machen. Das würde ich nicht als Strippenziehen bezeichnen. Aber natürlich lernen Sie, wenn Sie eine Führungsposition anstreben, sich auch durchzusetzen. Das kann man mit Respekt und Wertschätzung machen – und das tue ich auch. Vorneherum und nicht Hintenherum.
Es gab in den letzten Jahren einige innerparteiliche Personal- und Richtungsstreits. Oettinger oder Schavan, Wolf oder Strobl, jetzt Eisenmann oder Strobl: Bleiben da Verletzungen?
Nein. Ich glaube, dass die CDU da keine Verletzungen mehr ausheilen muss. Richtig ist, dass die Auseinandersetzung zwischen Günther Oettinger und Annette Schavan, die erste Mitgliederbefragung, sehr emotionalisiert hat. Danach hat man schwer wieder zusammengefunden. Thomas Strobl und ich haben uns gemeinsam, in monatelangen Gesprächen, darauf verständigt, dass er mich als Spitzenkandidatin vorschlagen wird. Das haben wir in Konsens, auch jenseits der Öffentlichkeit, gemacht.
Die Entscheidung fiel im Frühsommer 2019. Da war weder klar, dass Winfried Kretschmann erneut antritt, noch, dass eine Corona-Pandemie das Land lahmlegt. Wie oft haben Sie schon bereut, dass Sie ausgerechnet jetzt CDU-Spitzenkandidatin sind?
Die Entscheidung 2019 war eine bewusste Entscheidung. Natürlich gehört es dazu, wenn man Verantwortung übernimmt und Verantwortung anstrebt, dass man dann auch mit Krisen umgehen kann und nicht einfach verschwindet, sondern Rückgrat zeigt. Ich habe es keine Sekunde bereut.
Sie gelten als eine Kandidatin, zu deren Qualitäten auch die klare Attacke gezählt wird. Bremst es Sie sehr, dass das im derzeitigen gemeinsamen Regierungsalltag eher unangebracht ist?
Sie müssen in dem Umfeld Wahlkampf machen, das Sie vorfinden. Es gelingt mir durchaus, zu zeigen, dass es Unterschiede gibt zwischen den Grünen und der CDU, zwischen Winfried Kretschmann und mir. Es geht darum, um die besten Konzepte zu streiten. Parteipolitisches Hickhack braucht jetzt keiner, das steht auch nicht an.
Aber jeder Ihrer Sätze wird hinterfragt, ob er nicht doch nur dem Wahlkampf geschuldet sei.
Damit muss man leben. Aber wenn man um Themen ringt wie die Öffnung der Schulen, um Perspektiven für Kinder und Jugendliche, habe ich als zuständige Ministerin meine Haltung in den letzten Monaten entwickelt – in Gesprächen mit Virologen, aber auch mit Kinderärzten, Schulpsychologen und Sozialarbeitern. Was man da erfährt, beschäftigt mich ziemlich. Und es prägt auch meine Entscheidungen und mein Vorgehen. Das ist nicht Kampagne, sondern tiefste Überzeugung. Mir das abzusprechen, empfinde ich als fast schon verletzend.
Eine Klage, die bei Öffnungsplänen immer wieder kommt: Der Rahmen der Vorgaben, die das Kultusministerium macht, ist sehr weit. Warum keine klaren Ansagen?
Die Herausforderung ist, dass ich 4500 öffentliche Schulen in Baden-Württemberg habe. Die einen wünschen sich strikte Vorgaben, um die Sicherheit zu haben, richtig vorzugehen. Andere wollen genau das Gegenteil. Da sagen mir die Schulleiter, sie hätten die besten Einblicke, was vor Ort sinnvoll ist. Ich habe für beide Pole vollstes Verständnis. Da suche ich den Mittelweg: stabile Rahmenbedingungen, aber Spielraum in der Umsetzung.
Beim Wechselunterricht lässt sich daher kaum verlässlich nachvollziehen, was tatsächlich angeboten wird.
Wechselunterricht ist schulorganisatorisch die schwierigste Unterrichtsform. Es müssen die Schüler vor Ort und die im Fernunterricht unterrichtet werden. Bei den jüngeren Schülern kommt noch die Notbetreuung dazu. Deshalb gibt es laut Vorgabe Präsenzunterricht in den Kernfächern und mindestens zehn Stunden die Woche. Viele Schulen machen deutlich mehr. Aber die Spielräume in der Umsetzung müssen sein. Unsere Zielsetzung ist es, sobald als möglich wieder Präsenzunterricht unter Pandemiebedingungen anbieten zu können.
Im Wahlprogramm verspricht die CDU 1400 neue Polizisten pro Jahr, aber keine konkreten Zahlen bei den Lehrerstellen. Warum?
Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. Deswegen haben wir die Ausbildungskapazitäten deutlich erhöht. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es den Beschluss von Grün-Rot, von Winfried Kretschmann und Andreas Stoch, gegeben, 11.000 Lehrerstellen abzubauen. Ich habe selten eine solche politische Fehlentscheidung erlebt wie diese.
Andreas Stoch würde Ihnen insofern widersprechen, dass dieser Beschluss zum Ende der Legislatur schon wieder kassiert war.
Man hat den Beschluss kurz vor der Wahl kassiert, aber man hatte in der Legislaturperiode verpasst, mehr Ausbildungsplätze für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen. Das haben wir dann gemacht, wir haben auch die Fortbildungsangebote deutlich erweitert. Das fortzuführen, ist in den nächsten Jahren zwingend.
Zwei emotional diskutierte Fragen: Warum sind Sie nicht für flächendeckendes G9, also eine längere Gymnasialzeit?
Wir haben zum einen Modellschulen, die auch weiterhin bestehen. Und zum anderen haben wir starke berufliche Gymnasien, an denen rund 35 Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten ihr Abitur machen. Die bieten G9 an. Wir haben aber auch viele Eltern, die gezielt bei G8 bleiben wollen. Wir beobachten aber, was andere Bundesländer machen.
Dürfen weitere Gemeinschaftsschulen Oberstufen einführen, um das Abitur anzubieten?
Zunächst einmal: Die Gemeinschaftsschulen haben sich ihren Platz in Baden-Württemberg erarbeitet. Deshalb stehen sie auch keinesfalls unter verschärfter Beobachtung. Mit rund 300 Gemeinschaftsschulen haben wir eine sehr gute flächendeckende Verbreitung. Ich habe selbst in diesem Jahr vier zusätzliche Gymnasialgänge genehmigt – in Karlsruhe, Stuttgart, Esslingen und Schwäbisch Hall. Dort, wo es die Schülerzahlen hergeben, genehmige ich Oberstufen ganz selbstverständlich.
Lassen Sie uns noch über anderes als die Bildungspolitik sprechen: Warum ist Ihre Partei besser als die Partei von Winfried Kretschmann?
Die CDU lässt mehr Spielräume. Die CDU steht für das Ermöglichen. Ein Beispiel: Wir brauchen mehr Wohnraum in Baden-Württemberg. Aber wir schreiben dem Einzelnen nicht vor, ob es ein Einfamilienhaus sein soll oder nicht. Solche Verbotsfantasien überlassen wir den Grünen. Ebenso ist es bei Fahrzeugantrieben: Da sind wir technologieoffen. Ich glaube auch, dass wir uns ein "Belastungsmoratorium" zutrauen sollten.
Stellen Sie sich auf eine Sparlegislatur ein?
Wer Schulden macht, muss sie auch zurückzahlen. Wir haben als Land Baden-Württemberg etwa 13 Milliarden Euro Schulden gemacht in dieser Pandemie. Das war richtig. Aber von mir gibt es auch ein klares Bekenntnis zur Schuldenbremse. Was macht denn die junge Generation, wenn sie in 20 Jahren die nächste Pandemie hat, aber immer noch höhere Schulden abbezahlen muss?
Zum Abschluss: Was wäre die Wunschkoalition einer Ministerpräsidentin Susanne Eisenmann?
Wenn das Wahlergebnis steht, werden wir mit allen demokratischen Parteien – außer ganz rechts und ganz links – Gespräche führen. Aber die anderen sollten sich schon fragen lassen, mit wem sie kuscheln wollen. Mich hat irritiert, dass Winfried Kretschmann gesagt hat, er könne sich bei der Bundestagswahl Grün-Rot-Rot vorstellen. Kann er sich das auch für Stuttgart vorstellen? Für unseren Mittelstand, unser Handwerk wäre das eine blanke Katastrophe.
Konnten Sie sich bei Winfried Kretschmann in Sachen Führungsstil etwas abschauen?
In den Jahren des Aufschwungs hat Winfried Kretschmann dem Land in seiner eher abwägenden, eher philosophischen Art nicht wirklich geschadet. Aber wir leben jetzt in Zeiten, wo der Wandel gestaltet werden muss. Da braucht es von den Eigenschaften her mehr Lothar Späth als Winfried Kretschmann.
Er sagt über sich selbst, er lasse seinen Ministern im Kabinett die "lange Leine". Sehen Sie das also eher kritisch?
Nein. Führung heißt Team, heißt Respekt, heißt Wertschätzung und einander Luft zu lassen. Das ist richtig. Ein Führungsstil, den ich sehr schätze und gut finde. Das zumindest finde ich zukunftsfähig.
Und eine Ministerin Susanne Eisenmann könnte sich auch in einem Kabinett "Kretschmann III" wohlfühlen?
Wir warten die Wahl am 14. März ab. Alle Entscheidungen danach werden wir in aller Ruhe treffen.
Info: Dieses Interview ist die gekürzte und autorisierte Variante eines Gesprächs im Rahmen des RNZ-Podcasts "Ein Kreuz, zwei Stimmen". Alle Folgen davon finden Sie auf www.rnz.de/zweistimmen.