Windräder im Staatswald: Die Grünen werfen der CDU vor, gebremst zu haben. F. dpa
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Nach der ersten Sondierungsrunde am Mittwoch setzten die grünen Verhandlungsführer ein Pokergesicht auf. Alles sei offen, man habe eine echte Wahl, hieß es danach. Die Botschaft war klar: Wir lassen uns nicht in die Karten schauen. Die Vertreter der konkurrierenden Möchtegern-Koalitionäre CDU auf der einen sowie SPD und FDP auf der anderen Seite machten gute Miene zu dem für sie misslichen Spiel: Sie haben allenfalls eine 50-Prozent-Chance, als künftiger Koalitionspartner auserkoren zu werden, aber weit geringere Chancen, in einem künftigen Bündnis inhaltlich nicht unterzugehen.
Dass die Grünen insbesondere beim Klimaschutz sichtbare Fortschritte erzielen wollen, hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bereits im Wahlkampf betont. Wie ernst der Ökopartei das Anliegen ist, hat sie am Dienstag hinter verschlossenen Türen beim ersten Zusammentreffen des bisherigen grün-schwarzen Kabinetts nach der Wahl deutlich gemacht, das noch bis zur Vereidigung der Nachfolgeregierung im Amt ist. Diese ist für Mitte Mai geplant.
Zur Überraschung der CDU rief der scheidende grüne Umweltminister Franz Untersteller unter dem Tagesordnungspunkt "Sonstiges" das Thema Windkraft auf. "So geht das alles nicht weiter", soll der Minister laut Teilnehmern seinen Unmut zum Ausdruck gebracht haben. In der grün-roten Regierungszeit von 2011 bis 2016 habe man im Staatswald 62 Windkraftprojekte verwirklichen können, in der Koalition mit der CDU von 2016 bis 2021 dagegen nur fünf. Und während man etwa zwei Prozent der Landesfläche als Vorrangfläche für Windkraft benötige, seien nur 0,34 Prozent entsprechend ausgewiesen.
Unterstellers Kritik war vor allem an Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, aber auch an Agrarminister Peter Hauk (beide CDU) adressiert. CDU-Vize-Ministerpräsident Thomas Strobl und Hauk sollen sofort Entgegenkommen signalisiert haben, Hoffmeister-Kraut eher nicht.
Was aber bedeutet die klare Kritik im Kabinett an der CDU bei einem wichtigen Aspekt des grünen Kernthemas Klimapolitik für die Koalitionsoptionen? Bekanntlich will die CDU weiter an Kretschmanns Seite regieren, der die Wahl zwischen einer Neuauflage der bisherigen Koalition und dem Experiment einer Ampel mit SPD und FDP hat.
Zunächst einmal zeigt der Streit vor allem, dass die grünen Wahlgewinner der kommenden Regierung ihren Stempel aufdrücken wollen – und sich potenzielle Partner speziell bei der Klimapolitik bewegen müssen. Denn da fällt aus Sicht der Grünen auch die bisherige Bilanz von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke negativ aus. Seine Polemik gegen die Aufstockung der Umweltverwaltung ist vielen noch in Erinnerung, die Rülke als Belohnung für den "letzten Kassenprüfer vom Nabu" bezeichnet hatte, "der im Wahlkampf für die Grünen Handzettel verteilt hat und dafür vom Herr Untersteller verbeamtet wird".
Auf der grünen Malus-Liste steht auch die FDP-Kritik an der "planwirtschaftlichen" Fotovoltaik-Pflicht für gewerbliche Gebäude. Die Grünen wollen die Pflicht auch auf alle neuen Wohngebäude ausdehnen. Als Minusposten sind auch Rülkes Rufe im nach einem Superministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Infrastruktur verbucht, das, so die grüne Befürchtung, die FDP für sich beanspruchen würde. Dann aber wäre das Umweltressort geschwächt und das Management der für den Klimaschutz essentiellen Energie- wie auch der Verkehrswende in der Hand der Liberalen.
Als die Vertreter von CDU, FDP und SPD am Mittwoch nacheinander bei den Grünen vorsprachen, war das ein bisschen wie bei einem Bewerbungsgespräch: Jeder signalisierte den Grünen starkes Interesse und Entgegenkommen. Inhaltlich steht die SPD der Ökopartei am nächsten, aber auch CDU und FDP sind willig, sich zu bewegen. Bei Sachfragen, heißt es bei den Grünen, könnte man wahrscheinlich mit allen einig werden. Die Frage sei daher eher, wem man zutraue, einen einmal unterschriebenen Koalitionsvertrag über fünf Jahre auch Punkt für Punkt umzusetzen.