Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. "So gut wie bisher nie hat Heilbronn im diesjährigen Städte-Ranking von Wirtschaftswoche, Immoscout24 und IW Consult abgeschnitten, das die 71 Großstädte in Deutschland nach verschiedenen Indikatoren bewertet." So heißt es stolz in der Pressemitteilung der Stadt Heilbronn. Rankinglisten haben, besonders zum Jahresende hin, Hochkonjunktur. Das Schaulaufen um "Germany’s next Super-City" ist ja auch spannend, das Ergebnis, ermittelt vom Magazin "Wirtschaftswoche", dem Portal für Wohn-Eigentum und Vermietung "Immoscout 24" und vom Institut "IW Consult", das sich als Spezialist für Auftragsforschung und Dienstleistungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis bezeichnet, zweifellos schmeichelhaft und interessant für Heilbronn. Aber alle drei der auf Gewinn ausgerichteten Privatwirtschaftsunternehmen sind nicht das Statistische Bundesamt. Auch wenn solche Rankings – es gibt etliche weitere – durchaus Aussagekraft haben, sollte man sie danach lesen, dass ihr Sinn und Zweck an ihren Adressaten ausgerichtet ist.
Heilbronn ist so ziemlich die jüngste "Universitätsstadt" Deutschlands, aber nicht aus eigener Kraft und gar Tradition. Die bisherige "Hochschulstadt Heilbronn" verdankt ihr namentliches Upgrade den nicht nur auf dem Bildungscampus investierten Millionen der Dieter-Schwarz-Stiftung und der "eingekauften" Kooperation mit der Technischen Universität München (TUM). Ein Blick nach Mannheim, wo man seit den ersten Rankings etwa in den Wirtschaftswissenschaften Top-Plätze erhielt, wirkt ernüchternd, relativierend, aber auch motivierend: Mannheim hat die TUM gerade auf Platz zwei verwiesen.
Für Studierende, die sich dank guter Noten den Studienplatz aussuchen können, so wie Unternehmen dann die Uni-Abgänger, sind Hochschulrankings ein Kriterium. Heilbronn hat mit dem Unterschlupf unter die TUM einen Standortvorteil erhalten, den man sich andernorts oft erst in Jahrhunderten erarbeitete. Ein "Sonderfall", unter anderem darauf zurückzuführen, dass der "Erfinder" des Uni-Rankings nach "Exzellenz" (vor 15 Jahren), der frühere Wirtschaftsminister des Landes und Rektor der Mannheimer Uni, Professor Peter Frankenberg, seit 2013 Gesellschafter und inzwischen Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Dieter-Schwarz-Stiftung ist. Das dürfte sich auch weiterhin "auszahlen".
Beim Punkt "Dynamik" der Stadtentwicklung aber geht es nicht nur um "Schwarz-Millionen. Die Bundesgartenschau 2019 haben die Stadt und ihre Bürger nicht nur selbst gestemmt, sie haben sie auch mutig und erfolgreich nach einem Konzept ausgerichtet, das die Wahrnehmung Heilbronns auch bei jenen änderte, die Heilbronn nur aus den Staumeldungen kannten.
Oberbürgermeister Harry Mergel sagt dazu: "Die Studienmacher stellen Heilbronn ein hervorragendes Zeugnis aus. Alle in der Stadt dürfen ein bisschen stolz sein." Auch er hat die veränderte Wahrnehmung erlebt, nach der sich Heilbronn "in den vergangenen Jahren äußerst dynamisch und erfolgreich entwickelt hat".
Mit dem Fokus auf Bildung, Wirtschaft, Digitalisierung und städtebaulicher Entwicklung setze die Stadt auf die richtigen Themen, um auch künftig im Wettbewerb der Städte und Regionen gut bestehen zu können. Was aber auch zu beachten wäre: Das Dynamik-Ranking (auf der Basis der vergangenen fünf Jahre), bei dem Heilbronn nach München und Berlin den dritten Platz einnimmt, sagt auch viel über einen Nachholbedarf aus; und, sieht man es unter den Aspekt der Immobilienwirtschaft, auch über Grundstücks- und Immobilienkosten sowie Mieten – bestimmt nicht in einem fallenden Bereich. Ein derzeit großes Fragezeichen lässt diese Momentaufnahme auch unberücksichtigt: die Entwicklung und Abhängigkeit der Stadt von der Automobilindustrie und ihren Zulieferern.
Und was ist mit der Alltags-Realität? Wer heute durch die Stadt geht, die Leerstände sieht, weil ein Einzelhandelsgeschäft mit gehobenem Angebot nach dem anderen schließt (auch schon vor Corona), muss erkennen, dass das auch nicht durch die hohe Anzahl der hier zugelassenen SUVs relativiert wird. Es ist schön zu erleben, wenn, wie im vergangenen Sommer zur "Corona-Pause", viele der annähernd 10.000 Studierenden schon deshalb für eine "Klima-Veränderung" im Stadtleben sorgten, weil sie abends etwa am Neckarufer "sichtbar" wurden. Aber eine akademische Tradition, die auch den "Spirit" einer Stadt prägt, entwickelt sich bestenfalls in Jahrzehnten.
Wenn folglich der in Heilbronn geborene Satiriker und Autor Oliver Maria Schmitt fragt: "Universitätsstadt Heilbronn – welchen Abschluss hat sie eigentlich?" muss man einräumen: Bestenfalls den Bachelor; bis zum Master, zur Promotion oder gar zur Professur fehlt noch viel. Das sagt auch OB Mergel: "Wir sind auf gutem Weg, aber wir wissen auch: Es gibt noch viel zu tun." Also: Das Ziel ist noch weit, und man erreicht es nicht nur mit Geld.