Von Sören S. Sgries
Singen/Heidelberg. Führte die Polizei in Singen einen Elfjährigen anlasslos in Handschellen ab und drohte dem Jungen auch noch? Diesen Vorwurf erhebt zumindest der baden-württembergische Landesverband Deutscher Sinti und Roma. Die Innenministerium, Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft Konstanz prüfen derzeit den Fall. Bestätigt wird inzwischen aber, dass das Kind "mit angelegten Handschließen" auf die Polizeidienststelle gebracht wurde. Für die weiteren Verdachtsfälle verspricht das Innenministeriums auf RNZ-Anfrage "eine lückenlose Aufklärung".
Darum geht es: Laut Darstellung des Verbands kam es am vergangenen Samstag gegen 16.30 Uhr zu einem "Polizeiübergriff" in Singen. Demnächst spielte der Elfjährige mit weiteren Kindern vor dem Wohnort ihrer Großmutter. Zwei Polizeibeamte kontrollierten sie, zogen daraufhin wieder ab. Als sie kurze Zeit später wieder kamen, so heißt es, sprach einer der Beamten das Kind "in gebrochenem Romanes", der Sprache der Minderheit, an. Der Junge soll dabei als "Zigeuner" bezeichnet und bedroht worden sein. Sinngemäß hieß es demnach, er komme "eine Nacht hinter Gitter". Und: "Der Tod kommt dich holen".
Bei einer Durchsuchung des Kindes wurde offenbar "ein kleines Klappmesser" gefunden, so der Verband. Die Beamten verboten dann, heißt es weiter, den Kindern, mit ihren Handys zu telefonieren. Dem Elfjährigen legten sie Handschellen hinter dem Rücken an und brachten ihn "mit körperlicher Gewalt" auf den Rücksitz des Autos. Erst auf der Polizeiwache wurden dem Jungen die Handschellen abgenommen. Nach 30 Minuten in einem Verhörzimmer wurde er wieder freigelassen. Das "lief vollkommen verängstigt alleine nach Hause", so die Schilderung des Verbands. Die Mutter, die mehrfach bei der Polizei nach dem Verbleib ihres Sohnes fragte, bekam keine Auskunft.
Nachdem es am Mittwoch aus dem Innenministerium zu den Fall noch geheißen hatte, es habe "nach aktuellem Kenntnisstand weder eine Mitnahme des Kindes durch die Polizei – und deshalb auch keine Fesselung mittels Handschließen – noch eine Durchsuchung, bei der ein Klappmesser aufgefunden wurde" gegeben, gab es am Donnerstag keine detaillierten Auskünfte mehr.
Auf RNZ-Anfrage wurde jedoch bestätigt, "dass es am 6. Februar 2021 in Singen zu einem Vorfall kam, bei dem ein Junge mit angelegten Handschließen zur Polizeidienststelle verbracht werden musste". Die Staatsanwaltschaft Konstanz habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Kriminalpolizeidirektion Rottweil mit Ermittlungen beauftragt.
Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands der Sinti und Roma, sagte: "Dieser Fall fügt sich in eine Reihe von aktuellen Vorkommnissen von Polizeigewalt gegen unsere Minderheit ein, wie 2016 in Heidelberg und 2020 in Freiburg und auch in Singen."
Die betroffene Familie kündigte an: "Wir werden aufstehen und unsere Stimme erheben." Sie hatte bereits am Dienstagabend Strafanzeige gestellt. Vertreten wird sie vom Anwalt Mehmet Daimagüler, der auch im NSU-Prozess als Nebenklagevertreter beteiligt war.