„Das war nicht Stuttgart, was wir hier erlebt haben“: Landes-Innenminister Thomas Strobl (CDU, l.), Oberbürgermeister Fritz Kuhn (M., Grüne) und Bundes-Innenminister Seehofer (CSU) am „Tatort“ neben einem zerstörten Polizeiauto. Foto: Marijan Murat
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wäre nicht dieser ominöse Menschenpulk, wäre eigentlich alles wie immer an diesem Montagmittag in der Stuttgarter Stadtmitte. Leute eilen mit Einkaufstüten durch die Fußgängerzone, aus den Büros strömen Menschen Richtung Mittagstisch.
Doch plötzlich Hektik und Gedränge. Von dutzenden Reportern, Kamerateams und Fotografen umschwirrt, bahnen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Bundes-Innenminister Horst Seehofer (CSU), Landes-Innenminister Thomas Strobl (CDU) sowie Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ihren Weg. Passanten gucken irritiert, Jugendliche halten ihre Handys hoch. In einer Seitenstraße, neben einem Schuhgeschäft, dessen von dutzenden Schlägen oder Steinwürfen ramponierte Schaufensterscheiben gerade ausgetauscht werden, hat jemand zwei Stehtische hingestellt. Der Pulk macht halt.
Nacheinander ergreifen die Politiker das Wort, danken stellvertretend den anwesenden Polizisten für ihren Einsatz gegen den nächtlichen Mob, geloben "ausführliche Analyse", beschwören die "Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates" und fordern ein "Zusammenstehen aller Demokraten hinter der Polizei".
Am Montag nach dem von einer Randale-Nacht überschatteten Wochenende fehlt es in Stuttgart nicht an markigen Worten, gleichzeitig herrscht nur mühsam von Entschlossenheit kaschierte Ratlosigkeit. Die Frage, was das eigentlich für ein unfassbarer Gewaltexzess in der doch sonst eher gediegen-gemütlichen Schwabenmetropole war, wird überlagert von der Frage: Was nun?
Schon eine Stunde vor dem Auftrieb am Schuhgeschäft haben Strobl und Seehofer in einer Pressekonferenz erste Antworten parat: "Der Gewaltexzess in Stuttgart war schon schlimm genug", sagt Seehofer. "Aber wir müssen dies auch einbetten in die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland insgesamt", erklärt er. Gewalt und die Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten, Feuerwehr und Rettungsdiensten nähmen schon länger stetig zu. "Ich erwarte, dass die Justiz den Tätern, die gestellt werden konnten oder noch können, auch eine harte Strafe ausspricht. Da geht es auch um die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates", sagt Seehofer.
Doch was tun in Stuttgart? Strobl bietet der Stadt die Unterstützung der Landespolizei an, eine "Sicherheitspartnerschaft" wie in Freiburg und Heidelberg. Das nimmt man im Rathaus gerne an. "Neues Gremium soll Innenstadt sicherer machen", heißt es in der Überschrift einer Pressemitteilung, die am Nachmittag verschickt wird. Man wolle Themen diskutieren wie Videoüberwachung, Alkoholverbote oder Aufenthaltsbeschränkungen für öffentliche Plätze, aber auch "ausgedehnte Jugend- und Migrantenarbeit", etwa Streetworker-Angebote sowie die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern und der Club-Szene.