Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Stuttgarter Landtag. Foto: dpa
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart, und Sören S. Sgries
Stuttgart. In den Grundzügen war ja klar, wie der "Winter-Lockdown" ab dem 16. Dezember aussehen sollte: Alles wird dichtgemacht, was nicht notwendig ist – so der Grundsatzbeschluss der deutschen Regierungschefs am Sonntag. In Details blieben aber doch Fragen offen. Dürfen Baumärkte öffnen? Dürfen Einzelhändler "Abhol-Schalter" einrichten? Wo darf noch Freizeitsport stattfinden?
Wer es genau wissen wollte, brauchte die neue Corona-Verordnung. "Im Laufe des Tages" war diese durch die baden-württembergische Landesregierung angekündigt. Am Ende dauerte es bis kurz nach 23 Uhr in der Nacht auf Mittwoch – und das empörte sogar offizielle Amtsträger, die ungeduldig ausgeharrt hatten.
"Die neue Corona-Verordnung kam um 23:02 Uhr (!!!) und gilt 58 Minuten später", schimpfte beispielsweise der Neckargemünder Bürgermeister Frank Volk auf seiner Facebook-Seite. "Ich finde das übrigens ziemlich frech", so Volk. Einzelhändler und Gewerbetreibende seien "total unsicher" gewesen, auf sie zukomme. "Nicht auszumalen, wenn wir vor Ort so ad hoc handeln würden."
Und nicht nur in kurpfälzischen Kleinstadt mit 13.000-Einwohnern, auch in der Schwarzwald-Metropole Freiburg mit 230.000 Einwohnern zeigte sich das Stadtoberhaupt angefressen. "Ich unterstütze den Kurs der Landesregierung und die getroffenen Maßnahmen ausdrücklich", schrieb der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn. "Allerdings fehlt mir das Verständnis für die erneute Last-minute Veröffentlichung." Offene Fragen in hunderten Rathäusern und Unsicherheit bei Bürgern und Unternehmen seien die Folge.
15 südbadische Oberbürgermeister wandten sich sogar direkt an den Regierungschef. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) gehen sie harscht mit der Kommunikation in der Corona-Pandemie ins Gericht. Mit der neuesten Corona-Verordnung habe es die Landesregierung "im Gegensatz zu den benachbarten Bundesländern wieder einmal nicht geschafft", eine für die Kommunen maßgebliche Rechtsgrundlage rechtzeitig zu beschließen. "Die neuerliche Verordnung mit tiefgreifenden Veränderungen kam 50 Minuten vor Mitternacht und damit vor Inkraftsetzung", empören sich die Rathauschefs in dem Schreiben.
Eine Flut von Nachfragen bei den Kommunen habe es gegen, seit der Lockdown am Wochenende angekündigt wurde. "Eltern wollen wissen, wer ein Recht auf Notbetreuung in Kindertageseinrichtungen und Schulen hat, Einzelhändler fragen nach, ob sie ab Mittwoch ihr Ladengeschäft noch öffnen dürfen und welche Bestimmungen gegebenenfalls für sie gelten oder Vertreter der Kirchen erkundigen sich nach den Möglichkeiten zur Durchführung von Gottesdiensten", so die Beispiele.
"In der aktuellen dramatischen Krise brauchen wir Sicherheit für unser Handeln und keine mehrere Tage vorausgehenden Presseerklärungen, die uns keine Handlungsgrundlage geben", beschweren sich die Stadtoberhäupter. "Leider sind die Vorgänge der letzten Tage nur stellvertretend für vergleichbares Handeln in den letzten Wochen." Man erkenne durchaus an, dass die Situation auch in den zuständigen Ministerien angespannt sei. "Trotzdem fällt auf, dass in vielen anderen Bundesländern die entsprechende Verordnung und die damit einhergehende Rechtssicherheit deutlich zügiger erfolgt."
Im Landtag gibt es übrigens auch aus den Regierungsfraktionen Kritik an der Verordnungs-Praxis. "Das dauert viel zu lange", gab beispielsweise der CDU-Abgeordnete Albrecht Schütte aus Bammental zu. Und ergänzte: "Zuständig ist das Sozialministerium."