Abi-Pannen. In Sandhausen die falschen Englisch-Aufgaben, in Östringen das falsche Erscheinungsjahr einer Kurzgeschichte (25. März): In den schriftlichen Abitur-Prüfungen in der Region ist der Wurm drin.
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Panne beim Abitur in Gemeinschaftskunde: Bei der schriftlichen Prüfung am 6. Mai hatten die Schüler die Wahl zwischen zwei Aufgaben. Die erste drehte sich um das Thema Integration und Migration, die zweite um Friedenssicherung. Bei Aufgabe zwei bestand eine von vier Teilaufgaben darin, die Bedeutung der Nato "anhand eines Kategorienmodells" zu erklären. Das Problem: Dieser Begriff ist offenbar an der Mehrheit der Schulen nie unterrichten worden.
"Eine Abfrage unter den rund 200 Gymnasien, die eine schriftliche Abiturprüfung im Fach Gemeinschaftskunde durchgeführt haben, ergab, dass circa 130 Gymnasien diesen Begriff nicht behandelt haben", erklärte das Kultusministerium am Donnerstag. Allerdings werde der Begriff "Kategorienmodell" im entsprechenden Bildungsplan ausdrücklich verwendet.
Das Kultusministerium hat für die betreffenden Schulen einen Ausweg ersonnen: Zunächst mussten die jeweiligen Lehrkräfte gegenüber ihrer Schulleitung schriftlich bestätigen, dass sie den Begriff "Kategorienmodell" nicht in ihrem Kurs eingeführt haben. Innerhalb von 24 Stunden konnten die Schüler danach entscheiden, ob sie ihre bereits erbrachte Leistung ohne Kenntnis der Note akzeptieren oder die Prüfung am heutigen Freitag wiederholen.
Nach Angaben des Ministeriums hatten sich bis Donnerstagabend von insgesamt 2078 Schülerinnen und Schülern 109 für den Nachholtermin entschieden. Das entspricht einem Anteil von 5,2 Prozent.
Trotzdem hagelte es Kritik. "Die Schuldzuweisungen an die Lehrer/innen und die 24-Stunden-Frist für die Schüler/innen sind eine Frechheit", erklärte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW, Doro Moritz. Ihr zufolge will das Kultusministerium eigene Schuld abwälzen: "Bei der GEW melden sich Lehrkräfte, die übereinstimmend berichten: Die Abi-Aufgabe war falsch formuliert und die Schulverwaltung war darüber schon vor Beginn der Prüfung am 6. Mai informiert worden."
Eisenmann bezeichnete die Vorwürfe gegenüber als absurd: "Wir machen alle Fehler, und auch Lehrer können das einmal zugeben." Die CDU-Frau verwies auf den hier relevanten Bildungsplan von 2004, in dem als Ziel definiert ist: "Die Schülerinnen und Schüler können die Struktur der internationalen Staatenwelt mithilfe eines Kategorienmodells beschreiben." Die Aufgabe im diesjährigen Abitur lautete: "Erklären Sie die Bedeutung der Nato für die Friedenssicherung anhand eines Kategorienmodells." Dem Ministerium zufolge entspricht die Aufgabe damit "eins zu eins" den Vorgaben des Bildungsplans.
Andere haben daran Zweifel: Der Bildungsplan schreibe schließlich nicht vor, dass Schüler das Wort "Kategorienmodell" kennen müssten. Der GEW zufolge haben zahlreiche Gemeinschaftskundelehrer den Begriff im Unterricht vermieden, weil er in der Politikwissenschaft nicht gebräuchlich sei. Mehrere Uni-Professoren aus dem Fachbereich "Internationale Beziehungen" bestätigten, nichts mit dem Ausdruck anfangen.
Der Philologenverband erklärte, das Wort komme in keinem Schulbuch vor und sei in den Lehrerfortbildungen durch genauere Formulierungen wie "Theorien”, "Deutungsmodelle” und "Deutungsansätze” ersetzt worden. "Wenn dieser ,Fehler‘ an zwei Drittel der Schulen passiert ist, dann ist dies kein Zufall", erklärte der Verband. Statt "plattes Lehrerbashing" zu betreiben müsse die Frage gestellt werden, wie der Begriff in den Bildungsplan und dann in eine Abiaufgabe geraten sei.
Das Abitur 2019 hatte auch im Fach Mathematik für Aufregung gesorgt. Insbesondere in Bayern hatten zahlreiche Schüler sich über die Aufgaben beschwert. Dort wird aber nicht nachgeschrieben. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) erklärte am Donnerstag, zwar deute eine Stichprobenauswertung der Erstkorrektur darauf hin, dass der Notendurchschnitt in Mathe etwas schlechter als in den Vorjahren ausfallen könne. Jedoch sei die Prüfung nach Experteneinschätzung "anspruchsvoll, aber insgesamt angemessen" gewesen.
Update: Donnerstag, 16. Mai 2019, 19.47 Uhr