Claudia Stöckle, Ex-Rektorin. dpa
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wenige Tage vor der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Ludwigsburger Zulagenaffäre sind verloren geglaubte Akten aufgetaucht: Sie sollen bei einem Mitglied einer ehemaligen Untersuchungskommission vergessen worden sein. Teile der Opposition wittern Vertuschung.
Das Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer (Grüne) übermittelte dem Ausschuss am Donnerstag 322 Seiten - mitsamt einem Entschuldigungsschreiben des Betroffenen. Laut Ministerium sind davon 52 Seiten dem Ausschuss bislang nicht zugegangen. Unsere Stuttgarter Redaktion liegt das Material vor.
Die ehemalige Rektorin der Verwaltungshochschule Ludwigsburg, Claudia Stöckle, hatte als Zeugin das Fehlen zahlreicher Dokumente aus der Zeit vor ihrer Suspendierung beklagt, die ihre Version der Vorgänge belegen sollen. Bei dem nun aufgetauchten Material handelt es sich um Teile davon. Die Unterlagen hätten dem Ausschuss längst vorliegen müssen.
Bauer hatte 2014 eine dreiköpfige Kommission um den früheren Finanzminister Gerhard Stratthaus eingesetzt worden, um Wege aufzeigen, die Funktionsfähigkeit der zerstrittenen Hochschule sicherzustellen. "Mir ist der Vorgang peinlich", schreibt nun ein Ex-Ministerialdirigent mit Datum vom 22. März. Nach einem Telefonat mit dem Ministerium will er sein Arbeitszimmer intensiv durchsucht haben. Er habe dabei einen offenbar vergessenen Schnellhefter gefunden, bei dem es sich um Unterlagen handeln müsse, die Studentenvertreter 2014 der Kommission übergeben hätten. Allerdings: Die AstA-Sammlung war zuletzt auf 110 Seiten taxiert worden; unter den nun aufgetauchten 322 Seiten dürften also weitere Dokumente sein.
Der Konflikt dreht sich um unrechtmäßig gewährte Zulagen für Professoren, die 2012 bekannt wurden. Bauers Ressort hält die damals neue Rektorin für die Aufarbeitung für zuständig. Vor dem Landtagsausschuss zeichnete Stöckle Mitte März ein anderes Bild: Das Ministerium habe ihr monatelanges Stillhalten verordnet, ohne zu klaren Urteilen zu kommen. So habe die Behörde Intriganten freie Hand gelassen und sich schließlich auf deren Seite geschlagen. Schwere Vorwürfe erhob sie dabei gegen eine ehemalige Dekanin und die Kanzlerin der Hochschule. Allerdings sei Kritik an dieser aus dem Bericht der Stratthaus-Kommission getilgt worden. Als einzige damalige Funktionsträgerin an der Hochschule ist sie bis heute im Amt.
Stöckle zitierte Aussagen des damaligen Studentensprechers, die sich sich nun in den aufgetauchten Akten wiederfinden - zusammen mit weiteren, die ihre Darstellung stützen. Demnach waren keineswegs Fehler der Rektorin ausschlaggebend für die Eskalation, die im Jahr 2015 zu ihrer Abwahl führten. In einem mehrseitigen Brief schreibt der AstA-Chef am 5. Oktober 2014: "Es sind etwa 20 Personen die durch ihre persönlichen Intrigenspiele diese Krise zur Katastrophe erhoben haben."
Die Studenten lieferten Aktenvermerke, E-Mails, Facebook-Screenshots und Protokolle, um aus ihrer Sicht hochschulschädliches Verhalten zu dokumentieren, von "verwerflichen" Nebentätigkeiten bestimmter Lehrbeauftragter über Hetze gegenüber Studenten bis hin zu möglichen Dienstrechtsverstößen.
Stöckle zufolge hatten sich ausgerechnet an der Landeshochschule für Verwaltung und Finanzen bei ihrem Dienstantritt ein Großteil der Professoren zwischen rechtswidrigen Zulagen und fragwürdigen Nebeneinkünften eingerichtet. Das Ministerium habe aber weder die Staatsanwaltschaft noch den Rechnungshof informieren und "unter keinen Umständen" Disziplinarmaßnahmen ergreifen wollen. Das habe ihre Gegner ermutigt. Zur Illustration verlas Stöckle dem Ausschuss die SMS eines Professors an einen Kollegen, der sie vermeintlich stützte: "Du bist ein mieses und charakterloses Schwein", heißt es darin. "Unsere ganze Verachtung gilt Dir." Die Beschwerde des Empfängers darüber ging damals auch ans Ministerium; sie ist in den nun gefunden Unterlagen enthalten.
Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sabine Kurtz (CDU), zeigte sich am Donnerstag "befremdet" von der verspäteten Aktenübergabe. "Ich kann das MWK nur auffordern, dem Untersuchungsausschuss mit mehr Ernsthaftigkeit zu begegnen." FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ging einen Schritt weiter: "Ich muss mittlerweile davon ausgehen, dass die Ministerin aktiv Vertuschung betreibt", sagte er. SPD-Obmann Sascha Binder rügte "Schlamperei" und erklärte: "Das Ministerium ist weiterhin keine große Stütze bei der Aufklärung."
Stöckles Vernehmung soll am Montag fortgesetzt werden.