SPD-Chef Stoch bei den „Lobbacher Gesprächen“ in der Manfred-Sauer-Stiftung. Foto: Alex
Von Daniel Bräuer
Lobbach. Es will ja niemand beschreien. Aber dass die Schulen so ganz ungestört durch Corona-Herbst und -Winter kommen werden, damit rechnet auch niemand. Und so haben auch alle ihre Vorstellungen, wie man sich auf den Fall der Fälle vorbereiten sollte.
Wichtig wäre, sagt Felix Hillebrand, Schülersprecher aus Neckargemünd, eine einheitliche Kommunikationsform. Alle Klassen, alle Lehrer, alle Schüler, ein Programm. Am Max-Born-Gymnasium gab es, trotz schuleigener App, ein undurchschaubares Nebeneinander von E-Mails und Messengerdiensten. "Am Ende verliert man den Überblick", erzählt der angehende Abiturient. Ebenso wichtig: Jeder sollte im Umgang mit der Technik gebrieft werden, ehe es zum zweiten Lockdown kommt.
"Am besten muss gewährleistet werden, dass die Kinder Schule haben", so sagt es Jeanette Tremmel, Elternbeirätin aus Sinsheim. "Und wenn es schon nicht komplett geht, dann nicht nur zwei Stunden an jedem Tag der Woche, sondern zwei Tage komplett und den Rest daheim". Damit den Eltern wenigstens ein paar Stunden für die eigene Arbeit bleiben, so Tremmel, die die Stundenpläne von fünf Kindern auf vier Schulen jonglieren musste.
Bei Andreas Stoch rennen die beiden offene Türen ein. Der SPD-Landesvorsitzende ist im Rahmen seiner Gesprächsreihe "Krisenfestes Klassenzimmer" unterwegs, um sich von Eltern, Schülern und Lehrern anzuhören, was in der Zeit der Schulschließung gut geklappt hat – und was sich nicht wiederholen sollte.
Erwartungsgemäß kommt das Kultusministerium, das Stoch einst selbst geführt hat, schlecht weg dabei: Fehlende Kommunikation, widersprüchliche Regeln, die Verordnungen immer erst kurz vor knapp verschickt. Die Folge: Verwirrte Eltern, genervte Lehrer, alleingelassene Rektoren. Oder umgekehrt.
"Die Kultusministerin denkt an den Schulen zwischen eins und null", stichelt Stoch gegen Susanne Eisenmann, die 2021 die CDU in den Landtagswahlkampf führen soll, so wie Stoch die SPD. "Eins heißt normaler Regelbetrieb. Und wenn ein Infektionsgeschehen in die Schule kommt, mache ich zu. Ist das realistisch im nächsten halben Jahr?" Es brauche Konzepte, wie weiter Unterricht stattfinden könne. "Wenn die Schüler kein Endgerät haben, Eltern keine Datenleitung haben, dann ist ,Homeschooling’ nur ein Trostpflaster. Das soll suggerieren, dass Bildung irgendwie stattfindet."
Für die Gewerkschaft GEW beschreibt Barbara Becker was die Probleme beim Fernlernen sind: Der geschützte Lernraum Klassenzimmer, in dem auch mal ungestört Fehler möglich sind, existiert nicht mehr, wenn niemand weiß, wer am anderen Ende alles mithört. Dann: Wo bleibt die einheitliche Plattform, auf der datensicher kommuniziert werden kann? "Ein Unding und ein Versagen der Landesregierung", schimpft Becker. Von der Verlässlichkeit von Hard- und Software und der Frage, wer sie warten soll, ganz zu schweigen.
Zum Klassenzimmer zählt Stoch ausdrücklich auch den Kindergarten. Scharf kritisiert er den Ansatz, das Recht auf Notbetreuung vom Beruf der Eltern her zu definieren – und nicht von der Situation der Kinder. "Kindswohlgefährdung – das haben die alle nicht auf dem Schirm gehabt", sagt er, auch den grünen Ministerpräsidenten Kretschmann im Sinn. Dieser habe die Kitas letztlich geöffnet, weil der Druck zu groß wurde – nicht etwa, weil es dringend nötig gewesen sei.
Und so schlägt Stoch den großen Bogen zur Abrechnung mit einer konservativen Bildungspolitik, die Kinder am liebsten so lange wie mögliche zuhause wüsste. "Um denen, die jetzt im Kultusministerium sind, klarzumachen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist, da wird die Zeit bis März nicht reichen", sagt Stoch. "Also gibt’s nur eine Lösung ..."