Mahnende Worte vor dem Gerichtsgebäude während des Staufen-Prozesses. Foto: dpa
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wie können Kinder wirksamer vor Missbrauch geschützt werden? Das war die Leitfrage der "Kommission Kinderschutz", die seit September 2018 tagte und am Montag ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Er enthält mehr als 100 einzelne Empfehlungen, die verschiedene zuständige oder beteiligte Stellen und Institutionen betreffen. Ein Überblick:
> Das Gremium: Die grün-schwarze Landesregierung hatte im September 2018 die "Kommission Kinderschutz zur Aufarbeitung des Missbrauchsfalls in Staufen und zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes" eingesetzt. Ihr Auftrag: Defizite im Kinderschutz zu untersuchen und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Die Kommission setzt sich aus fünf Experten sowie je einem Vertreter von Sozial-, Justiz-, Kultus-, Innen- und Staatsministerium zusammen und beriet in mehreren Arbeitsgruppen. Zu den Experten zählen zwei Kinderpsychologen, ein Richter, ein Ex-Generalstaatsanwalt und eine hohe Polizistin.
> Das Dokument: Der eigentliche Abschlussbericht umfasst 214 Seiten. Außerdem legte die Kommission einen 159 Seiten starken Anmerkungsapparat mit wissenschaftlicher Literatur vor. Gemeinsam mit einer kurzen Zusammenfassung des Berichts stehen alle Papiere auf der Internetseite des Sozialministeriums zur Einsicht.
> Kooperation: Institutionalisierter Kinderschutz, das ist eine der wichtigsten Aussagen des Berichts, entsteht in einem komplizierten Zusammenwirken verschiedener Akteure. Diese sollen sich künftig besser vernetzen, effektiver austauschen und kooperieren. Jugendhilfe, Justiz und Medizin haben unterschiedliche Rollen, Ansätze und Fachsprachen. Die Kommission fordert daher "Netzwerkstrukturen und verbindliche Rahmenbedingungen in den für die beteiligten Berufsgruppen relevanten gesetzlichen Regelungen".
> Information: Eine Leitfrage sei gewesen, sagte Landes-Sozialminister Manfred Lucha (Grüne), der der Kommission vorsaß: "Wer weiß von wem zu welchem Zeitpunkt was?" Der Ulmer Jugendpsychiater und Missbrauchs-Experte Jörg Fegert stellte fest: "Ein zentraler Punkt ist, dass der Austausch der Systeme nach wie vor zu kurz kommt." Das soll sich ändern.
Weil im Verhältnis zwischen Sozialdatenschutz und Kinderschutz "Unsicherheiten bei den Anwendern bestehen", so formuliert es die Kommission, soll das Land auf Bundesebene Änderungen mehrerer Gesetze anregen. Außerdem empfiehlt die Kommission bei konkreten Anhaltspunkten für eine Gefährdung verpflichtende Fallkonferenzen, in denen sich alle Beteiligte über ein Kind austauschen.
> Justiz: Die Kommission empfiehlt Änderungen in familiengerichtlichen Verfahren. Auch dafür wäre Bundesrecht zu ändern. Kinder und Jugendliche sollten stärker in Verfahren einbezogen werden, wozu "zwingend" sogenannte Verfahrensbeistände zu bestellen seien. Auch spricht sich die Kommission für den vermehrten Einsatz von Sachverständigen aus.
> Polizei: Bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern soll die Polizei stärkere Kontrollmöglichkeiten bekommen. Auch sollen solche Personen härter bestraft werden, wenn sie gegen gerichtliche Weisungen verstoßen. Für beides wäre Bundesrecht zu ändern. Zudem sollen Polizisten geschult werden, um Gefährdungseinschätzungen zu verbessern.
> Fortbildungen: Diese werden für alle Beteiligte angeregt. Etwa müssten Richter die entwicklungsgerechte Befragung kleiner Kinder lernen. Vor allem interdisziplinäre Kurse seien wichtig für gegenseitiges Verständnis.