Von Birgit Reichert und Wolfgang Jung
Mainz/Trier/Frankenthal. Nicht nur in Baden-Württemberg wird am 14. März ein neuer Landtag gewählt – sondern auch in Rheinland-Pfalz. Die SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer liegt dort laut letzten Umfragen knapp hinter der CDU. Allerdings wäre eine Fortsetzung der bisherigen "Ampelkoalition" mit Grünen und FDP rechnerisch möglich. Auch ein schwarz-grünes Bündnis könnte auf eine Mehrheit hoffen. Ein Blick auf die beiden möglichen Ministerpräsidenten:
„Dieses Jahr hat alles verändert“: Seit 2013 ist SPD-Politikerin Malu Dreyer rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin.Malu Dreyer: die Amtsinhaberin
Wenn Malu Dreyer nach Trier kommt, fällt der Stress ab. "Das ist zu Hause ankommen. Auch emotional", sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, die dort mit ihrem Ehemann Klaus Jensen (beide SPD) in einer Wohnung in der Nachbarschaft des Klosters St. Matthias lebt. "Selbst wenn ich am Wochenende wahnsinnig viel arbeiten muss, ist es immer noch einmal etwas anderes, dann zu Hause zu sein." Sie gehe sehr gerne spazieren, am liebsten am nahe gelegenen Mattheiser Weiher, an der Mosel oder im Wald. "Das finde ich superschön."
Corona habe nicht nur wegen der Einschränkungen, die ja alle Bürger treffen, ihr Leben verändert, sagt Dreyer. Sondern auch ihren Job: "Dieses Jahr hat alles total verändert. Eigentlich gibt es gar keine Zeit mehr." Täglich zig Schaltkonferenzen, oft von morgens früh bis abends spät. Und viele Gespräche mit Verbänden aus Gesellschaft und Wirtschaft, mit Experten, Betroffenen. Nachrichtenfreie Momente gebe es nicht. "Man kann das mit gar nichts vergleichen, was ich jemals in meinem beruflichen Leben erlebt habe", sagt die 60-Jährige. "Es geht um das Thema Leben und Tod. Es geht um die Existenz."
Sie sei froh, dass in 99 Prozent aller Altenheime geimpft wurde. Die Impfquote mit durchschnittlich 80 Prozent sei dort gut. Ihre Mutter, die in einem Seniorenstift in Neustadt an der Weinstraße lebe, habe auch die Erstimpfung bekommen. Mit der 87-Jährigen verabrede sie sich neuerdings zum Video-Chat. "Wir können sie ja nicht besuchen."
Auch in der Wohnung im inklusiven Wohnprojekt Schammatdorf, in dem Dreyer seit 2004 und Jensen seit 1984 lebt, sind Treffen selten geworden. Die drei Kinder von Jensen aus erster Ehe müssten jeweils alleine kommen, ebenso seien die beiden Enkelkinder (1 und 4) nur mit einem Elternteil da.
Im Schammatdorf könne man sich mit den Nachbarn zum Glück immer noch gut unterhalten, sagt Jensen, der früher Staatssekretär im Sozialministerium (1994-1999) und Oberbürgermeister von Trier (2007-2014) war. Denn da gebe es in den Innenhöfen der Wohnungen sogenannte Laubengänge, in denen man über Eck reden könne. "Man merkt jetzt gar nicht mehr die vier, fünf Meter Distanz."
Sie diskutiere viel mit ihrem Mann über Politik, sagt Dreyer. "Es ist mir wichtig, zu wissen, was er denkt. Seine Meinungen sind hoch reflektiert. Insofern ist es ein totaler Glücksfall, dass mein Mann nicht nur sehr viel Verständnis für mein Amt hat, sondern mir auch ein ganz wichtiger Ratgeber ist".
Mit der Krankheit Multiple Sklerose (MS), die bei ihr 1995 diagnostiziert worden war, komme sie gut klar. "Es ging mir ja auch schon schlechter", sagt sie. Das sei aber Jahre her. "Ich bin so fit im Verhältnis wie man fit sein kann." Stress sei für sie nie kontraproduktiv gewesen. "Ich empfinde meine Aufgabe als positiven Stress."
Wollte Dreyer schon immer Politikerin werden? "Nein, ich wollte eigentlich Ärztin werden", sagt sie. "Ich habe das große Latinum gemacht und ein Einser-Abi, weil ich unbedingt Medizin studieren wollte". Doch dann habe sie es sich von heute auf morgen anders überlegt – und Jura studiert. "Und ich habe es nie bereut."
„Nett sein alleine macht noch keine gute Politik“: CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf will Dreyer ablösen. Fotos: dpaChristian Baldauf: der Herausforderer
Weich im Ton, aber knallhart in der Sache unterstreicht Christian Baldauf im Endspurt vor der Landtagswahl seine Ambitionen. "Malu Dreyer ist sympathisch. Aber nett sein alleine macht noch keine gute Politik. In Rheinland-Pfalz könnte vieles besser laufen, in der Bildung, Gesundheit, Infrastruktur. Wir sehen sehr viel Fassadenpolitik und brauchen einen Wechsel im Amt", sagt der Herausforderer kämpferisch. "Das Amt", das ist der Posten als Ministerpräsident in Mainz. Seit 30 Jahren regiert dort die SPD. CDU-Mann Baldauf will das ändern. "Mein Ziel ist die Staatskanzlei."
Die Chancen für den Spitzenkandidaten stehen vor der Abstimmung am 14. März nicht schlecht, falls man den Umfragen glaubt. Baldaufs CDU führt darin vor Dreyers SPD, wenn auch nur knapp. Im persönlichen Vergleich ist der Unterschied größer – allerdings zu Gunsten der Amtsinhaberin, und angeblich sogar innerhalb der CDU. Baldauf ficht das nicht an. "Da bin ich entspannt. Ich jedenfalls nehme eine solche Stimmung in der Partei nicht wahr", sagt der 53-Jährige.
An diesem grauen Februartag sitzt Baldauf im Büro seiner Gemeinschaftskanzlei im pfälzischen Frankenthal. Wenn der Jurist von seinen Akten aufblickt, schaut er auf ein kleines Porträt von Konrad Adenauer an der Wand gegenüber. Das Mousepad auf dem Schreibtisch trägt das charakteristische Teufelslogo des 1. FC Kaiserslautern.
Skeptiker fürchten, Baldauf sei nicht der nötige "Menschenfänger", der noch unentschlossene Wähler auf seine Seite ziehen könne. Zudem seien die Themen im Wahlkampf zu sprunghaft gewesen, und der Markenkern der CDU sei nicht erkennbar geworden.
Der Weg in die Politik war Baldauf nicht vorgezeichnet. Auch er hatte zunächst nicht Jurist werden wollen. "Ich wollte ursprünglich in die Naturwissenschaften. Aber ich fand spannend, was mein Vater machte. Als Richter entschied er zum Beispiel über Entschädigungssachen für jüdische Kläger." Ende Dezember starb Baldaufs Vater an Corona. "Er hat uns sehr unterstützt mit den beiden Kindern, und sein Rat war mir wichtig." Baldaufs Mutter starb 2006 an Krebs. Mit seiner Familie wohnt er in Frankenthal im Elternhaus seiner Frau Martina.
Wenn Baldauf aufzählt, was ihm wichtig ist, fallen schnell die Begriffe Familie und Freunde. Auch das Wort Politik fehlt nicht, aber gerne spricht er auch über Musik. "Ich habe zehn Jahre lang Klavier gelernt. Leider reicht es heute nur noch für "Stille Nacht" und den "Flohwalzer"", erzählt er.
Die Politik von Helmut Kohl hatte Baldauf 1983 zum Eintritt in die CDU bewegt. Die "Geschichte mit den Spenden" hat ihn enttäuscht. Aber er schätzt weiter das Talent seines Pfälzer Landsmanns, sich bei einem Saumagen mit Weltpolitikern an einen Tisch zu setzen und Kompromisse zu schmieden.
Als Dreyer 60 Jahre alt wurde, rief Baldauf an und gratulierte. "Ich halte das für völlig normal unter Kollegen", sagt er. Auf den politischen Wettbewerb habe das keinen Einfluss. "Ich bin Anwalt. Da wird es auch schon einmal hart in der Sache. Ich will das beste Ergebnis erreichen – da kann der Kontrahent auch ein Freund sein", betont er.