Im Juni 2016 verheerte ein Gewitter und in der Folge eine Schlammflut die Eppinger Nordstadt. In dieser Wohnung war dabei fast ein Mensch ums Leben gekommen. Es war eines von insgesamt 37 „Starkregenereignissen“ der letzten 16 Jahre im Landkreis. Foto: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Landkreis Heilbronn. Sie kommen meist plötzlich, oft auch nur lokal begrenzt, aber sie hinterlassen verheerende Schäden und verzweifelte Hausbewohner. Wie 2016, als in der Nacht auf den 25. Juni ein Gewittersturm über Eppingen niederging, die Nordstadt erst unter Wasser setzte und zudem noch eine Schlammwelle auslöste. Das Unwetter kam mit solcher Gewalt, dass die Feuerwehr schon kurz nach der ersten Alarmierung kaum noch zu den Häusern durchkam. In allerletzter Minute konnte sich damals ein Bewohner einer Souterrain-Wohnung vor der Schlammflut in Sicherheit bringen, sonst wäre er mit großer Sicherheit im Schlamm erstickt, der den gläsernen Eingangsbereich einfach weggefegt hatte.
In jener Nacht gingen zeitweise mehr als 25 Liter Regenwasser pro Minute auf jeden Quadratmeter Eppinger Boden nieder. Die Schäden an Gebäuden, weggespülten Fahrzeugen und Mobiliar lagen alleine in der Nordstadt bei mehreren Million Euro. Die Feuerwehr berichtete anschließend über mehr als 170 Einsatzorte. Viele bis an die Decke mit Schlamm gefüllte Keller waren über Monate hinweg unbrauchbar.
Die im Bürokratendeutsch "Starkregenereignis" genannte Sintflut in Eppingen war einer von insgesamt 37 kurzen, aber meist verheerenden Gewitterstürmen, die in den zurückliegenden 16 Jahren im Landkreis Heilbronn tobten. Dazu kommen noch 17 Dauerregengüsse, die länger als zwölf Stunden anhielten, meist aber weniger Schäden verursachten. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten gemeinsamen Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hervor. Bei der Zahl der Starkregenereignisse liegt der Kreis landesweit auf Platz 3 der gefährdetsten Regionen – nur im Kreis Biberach (89) und in Tübingen (39) gab es mehr Fluten.
Beim durchschnittlich durch Wasser und Schlamm verursachten Schaden liegt der Landkreis hingegen mit 5722 Euro je betroffenem Gebäude sogar auf Platz 2. Auch hier führt der Kreis Biberach die Liste mit 8093 Euro an. Auch dort hatte – wenige Stunden vor den Ereignissen in Eppingen – am Abend des 24. Juni 2016 ein heftiges Unwetter mit Hagel für Überschwemmungen und Schäden in Millionenhöhe gesorgt. Der Studie zufolge haben Gewitterstürme im untersuchten Zeitraum in Baden Württemberg 568,5 Millionen Euro Schaden verursacht. Nur in Sachsen gab es mit 890 Millionen Euro noch höhere Schäden.
Spitzenreiter bei der Zahl der betroffenen Gebäude ist Mannheim. Durch extreme Regenfälle zwischen 2002 und 2017 wurden dort im Schnitt 114 von 1000 Wohngebäuden beschädigt, was nicht zuletzt auf die dichte Stadtbebauung zurückgeführt wird. Allerdings gab es dort in 16 Jahren auch "nur" 15 Starkregenereignisse. Im Landkreis Heilbronn waren hingegen bei 37 Gewitterstürmen durchschnittlich 68,3 von 1000 Gebäuden betroffen, wobei Schäden von insgesamt 14,4 Millionen Euro entstanden; in Mannheim waren es 5,6 Millionen Euro.
Auch wenn der Regen die Bewohner der Landkreise in den vergangenen 16 Jahren unterschiedlich heftig traf: "Unsere Untersuchung zeigt, dass jeder Ort in Deutschland quasi gleich stark von solch gefährlichen Regenmengen bedroht ist", bewertet Andreas Becker vom DWD das Ergebnis des Forschungsprojekts. "Gegenden, die im Untersuchungszeitraum nur wenige Schäden durch Starkregen erlebten, haben bislang schlicht Glück gehabt."
Im Gegensatz zum Dauerregen, der mehr als zwölf Stunden anhält, gibt es bei den kurzen, heftigen Regengüssen eine eher gleichmäßige Verteilung über ganz Deutschland. Das gemeinsame vierjährige Forschungsprojekt, das erstmals Starkregen- und Schadendaten systematisch untersucht hat, zeigt: Gerade diese kurzen, heftigen Niederschläge verursachen aber besonders viele Schäden.
Mit der Initiative "Stadt.Land.unter" wollen die Versicherer – durchaus auch im eigenen Interesse – nun über die wachsende Gefahr solcher heftiger Regenfälle aufklären, die sich nun erstmals mit statistischen Zahlen untermauern lassen. Immerhin sind laut Angaben des GDV in Baden-Württemberg 94 Prozent der Wohngebäude versichert. Das habe historische Gründe: Bis zum Jahr 1993 bestand hier eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Doch nur 43 Prozent der Hausbesitzer in Deutschland hätten eine Elementarschadenversicherung und seien somit gegen die Folgen extremer Regenfälle geschützt.
Vor diesem Hintergrund fordert der Baukonstruktionsforscher Thomas Naumann eine größere Unterstützung von Gebäudeeigentümern und kleineren Kommunen, um diese besser auf Starkregen vorbereiten zu können. "Starkregen kommt fast ohne Vorwarnzeit, deshalb müssen Kommunen und Gebäudebesitzer diese Ereignisse vordenken und vorplanen." Gerade kleine Kommunen hätten bislang kaum Ressourcen, sich ein genaues Bild über die Gefahrenpunkte bei Regenmassen zu machen, ihre Bürger gut zu informieren und dementsprechend besser vorzusorgen, sagt der Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden.