Selbst die Eiche leidet inzwischen unter den trockenen, heißen Sommer: Forstminister Peter Hauk (CDU) brachte zur Pressekonferenz einen teilweise abgestorbenen Baum mit. Foto: Gollnow
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Baden-Württembergs Wald steht unter Stress: "Der Waldzustandsbericht 2019 zeigt deutlich, dass der Klimawandel bereits in den Wäldern angekommen ist", erklärte Forstminister Peter Hauk (CDU) am Montag bei der jährlichen Bestandsaufnahme. "Dürre und Borkenkäfer schädigen unsere Bäume auf großer Fläche."
Insgesamt gelten 43 Prozent der Waldfläche als deutlich geschädigt. Dieser Wert wurde lediglich im Jahr 2006 einmal überboten (46 Prozent). Die Nadel- und Blattverluste hingegen haben 2019 einen Höchststand erreicht: Die sogenannte mittlere Kronenverlichtung stieg um 2,6 Punkte auf 27,5 Prozent. Komplett gesund ist nur noch jeder fünfte Baum.
"Die Schädigung betrifft mittlerweile alle Baumarten und Regionen des Landes", berichtete Hauk. Das gilt auch für Weißtannen und Eichen, die aufgrund ihrer tiefen Wurzeln bislang als Hoffnungsträger gegolten hatten. Nach Hitzerekorden und zwei ausgesprochen trockenen Jahre in Folge haben die Arten teils erhebliche Beeinträchtigungen davongetragen. Tannen können sich aber häufig erholen, im Gegensatz zu manch anderen Bäumen. "Ich mache mir besonders Sorgen um die Situation der Buche", führte der Minister aus. "Wir haben auf diese Baumart eigentlich im Klimawandel gesetzt und wurden jetzt eines Besseren belehrt."
Vorrangiges Ziel ist im Moment die Entfernung und Aufarbeitung der betroffenen Stämme, um eine Borkenkäfer-Epidemie zu vermeiden. Anders als in früheren Krisen würden die Schäden inzwischen auch für die Bürger sichtbar, sagte Hauk, denn: "Man kommt nicht mehr hinterher."
ForstBW-Geschäftsführer Max Reger verwies darauf, dass kurzfristige Maßnahmen schwierig seien. Beim Waldsterben in den 90er Jahren habe man mit Katalysatoren, Kraftwerksfiltern und Wald-Kalkungen zeitnah reagieren und das Schlimmste abwenden können. Der Klimaeffekt von CO2-Emissionen trete dagegen nach zwanzig Jahren ein. "Es ist schon eine gewisse Ohnmacht da."
Hauk erinnerte daran, dass der Wald nicht nur Opfer des Klimawandels sei, sondern als Kohlenstoffspeicher auch wichtiges Mittel im Kampf dagegen. "Wir brauchen also dringend die Wiederbewaldung der jetzt abgestorbenen Bäume, damit möglichst schnell auch der Kohlenstoff wieder aufgenommen werden kann."
Anfang September hat der Minister einen Notfallplan präsentiert, zu dem neben kurzfristigen Hilfen für Waldbesitzer mehr Klimaforschung und Versuche mit neuen Baumarten gehören. "Der Wald wird in Baden-Württemberg weiter existieren", sagte er nun, "aber er wird sich anders zusammensetzen".
Die Forstkammer fordert eine Beschleunigung bei den Hilfen für Waldbesitzer: "Von dem Anfang September vorgestellten Notfallplan Wald von Minister Hauk ist bislang noch nichts bei den Waldbesitzenden angekommen." Die Arbeitsgemeinschaft Wald und der Bund deutscher Forstleute forderten eine Kehrtwende der Landesregierung: "Wir wären mit dem Waldumbau schon längst weiter, wenn uns in den letzten 30 Jahren nicht 50 Prozent aller Stellen gestrichen und die Klimafolgenforschung im Wald auf Sparflamme gehalten worden wären", kritisierte Dietmar Hellmann, Vorsitzender beider Institutionen.